Über 51 Grad in Mekka: Die Hitze tötet
02:39 Min.. Verfügbar bis 19.06.2026.
Erbarmungslose Hitze in Mekka: "Ich kam an meine Grenzen"
Stand: 24.06.2024, 10:49 Uhr
In diesem Jahr sind bei der Pilgerfahrt nach Mekka nach offiziellen Angaben 1.300 Menschen aufgrund extremer Hitze gestorben, es wurden 51,8 Grad gemessen. Wir haben mit Billal gesprochen, einem deutschen Pilger, der in Mekka Menschen geholfen hat. Wie erlebte er die Situation in Saudi-Arabien?
Von Oliver Scheel
Eine Pilgerreise nach Mekka gehört zu den fünf Säulen des Islam. Jeder Muslim soll einmal im Leben die Reise unternehmen. Doch in diesem Jahr ist die Hitze in Saudi-Arabien erbarmungslos. Rund 1,8 Millionen Pilger nahmen an der Wallfahrt teil. Laut saudischem Staatsfernsehen wurden in der Großen Moschee 51,8 Grad Celsius im Schatten gemessen. Tausende Pilger seien wegen hitzebedingter Erkrankungen behandelt worden, teilte das Gesundheitsministerium mit.
Offiziellen Mitteilungen und Diplomaten der jeweiligen Länder zufolge sollen es bislang über 1.300 Todesfälle sein. Die meisten seien an den Folgen der Hitze gestorben. Bei 83 Prozent der Toten handele es sich um nicht registrierte Pilger.
"Das Pilgern ist auch ohne Hitze anstrengend"
Billal ist 27 Jahre alt und begeisterter Radfahrer. Er ist mit dem Fahrrad von München nach Saudi-Arabien gefahren - und benötigte etwa drei Monate für die Strecke. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihm ein Gespräch zu führen, während er in Mekka war. Selbst ihm als jungem Menschen mache die Hitze zu schaffen, erzählte er.
Muslimische Pilger umrunden die Kaaba, das kubische Gebäude der Großen Moschee.
"Ich habe Menschen gesehen, die einfach nicht mehr konnten. Das Pilgern ist selbst ohne Hitze extrem anstrengend, weil die Prozesse einfach sehr aufwändig sind. Die Fußmärsche sind weit, selbst in Deutschland wäre man erschöpft. Und hier kommt noch die Hitze dazu", sagt er. Die Menschen nähmen diese Strapazen aber auf sich, weil ihnen ihre Religion wichtig sei. "Dazu wird ja niemand gezwungen", sagt Billal. "Die Menschen machen das von Herzen und aus tiefer Überzeugung."
Trotzdem führe das dazu, dass bis zu zwei Millionen Menschen zur gleichen Zeit zum gleichen Ort liefen, was die Situation kompliziert mache, erklärt Billal, der selbst sechs Jahre im Rettungsdienst gearbeitet hat und vor Ort den Menschen half. Auch weil viele ältere Menschen die Hadsch machten.
Saudi-Arabien hat seiner Meinung nach einiges getan, um die Situation der Pilger zu lindern. "Die Wege sind breiter geworden, es gibt Sprühanlagen", sagt Billal. Und per SMS erhielten die registrierten Pilger Schutzmaßnahmen. Nicht alleine gehen, sondern in Gruppen. Schirm und genug Wasser dabei haben. Die Tipps wurden nur nicht von allen Pilgern eingehalten. "Manche haben das auf die leichte Schulter genommen. Bei uns in der Gruppe hatten alle Schirme dabei und Wasser und kleine Ventilatoren."
"Es gab Etappen, die waren unerträglich heiß"
So habe er 30 Minuten bei einem Mann aus Indonesien gesessen und ihn betreut. "Er war noch bei Bewusstsein, konnte aber nicht mehr. Und er hatte auch keine Schirm", erzählte der 27-Jährige. "Hier sind viele Menschen 70 oder 80 Jahre alt. Viele Muslime müssen sehr lange auf die Erlaubnis zur Pilgerschaft warten. Die Länder haben Kontingente und manche müssen über 20 Jahre auf die Erlaubnis warten, nach Mekka zu gehen", erläuterte er. "Und ich kann mir schon vorstellen, dass manche Leute dann sagen, jetzt habe ich so lange gewartet, jetzt gehe ich auch bis zum Ende."
Es habe Etappen gegeben, "die waren unerträglich heiß. Und das sage ich als sportbegeisterter junger Mann. Auch ich kam da tatsächlich an meine Grenzen", so Billal.
"Meine Hände zitterten, mein Körper war kurz vor dem Kollaps"
Auf Bildern mehrerer Agenturen ist zu sehen, wie Menschen am Straßenrand im Schatten liegen. Arzu Farhaj, eine Pilgerin aus Pakistan, sagt der Nachrichtenagentur AFP, die Menschen seien am Straßenrand gestorben oder dort in Ohnmacht gefallen. Sie selbst sei 25 Tage in Mekka und die Temperaturen hätten permanent bei 44 oder 45 Grad gelegen.
Haddar Saila aus Marokko berichtete davon, dass sie auf ihrem Weg an Leichen auf der Straße vorbei gegangen sei, die mit Tüchern abgedeckt gewesen seien. "Ich rede nicht nur über alte Menschen, junge Leute sind auch gestorben."
Jährliche Hadsch-Pilgerfahrt in Mina.
"Wir dachten, wir müssen sterben. Meine Hände zitterten, mein Körper war kurz vor dem Kollaps. Ich konnte nicht mehr weitergehen", sagte Azza Hamid Brahim aus Qalyibiya in Ägypten. "Es war ein sehr harter Tag wegen der großen Hitze. Viele Menschen starben."
Immer wieder Probleme - meist wegen des großen Gedränges
In den vergangenen 30 Jahren sind bei der Pilgerfahrt nach Saudi-Arabien Hunderte Menschen bei Massenpaniken, Zeltbränden und anderen Unfällen ums Leben gekommen.
Als besonders gefährlicher Engpass bei der Pilgerung gilt die Dschamarrat-Brücke, bei der sich die Pilger am dritten Tag der Reise auf eine symbolische Steinigung des Teufels vorbereiten. Dort starben 2015 bei einer Massenpanik mindestens 700 Menschen. In diesem Jahr ist die erbarmungslose Hitze der größte Gegner der Gläubigen.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Billal H.
- Nachrichtenagenturen Reuters und AFP
- Statements von Pilgern (von Nachrichtenagentur AFP)
- Planet Wissen: Die fünf Säulen des Islam