Wie eine Schule in Gelsenkirchen Mangel und hoher Belastung trotzt

Stand: 07.08.2023, 06:00 Uhr

Am Montag beginnt in NRW das neue Schuljahr. Und Lehrermangel ist nur ein Problem von vielen, die Lehrende und Schüler nerven. Und trotzdem kann Schule Spaß machen. Wir besuchen Helden des Schulhofs - an der Gesamtschule Ückendorf in Gelsenkirchen.

Von Martina Koch

Immer wieder hat Schulleiter Achim Elvert mit seinem Stellvertreter gerechnet. Aber es hilft nichts: 200 Unterrichtsstunden pro Woche müssen gekürzt werden. Das sind mehr als zwölf Prozent des eigentlich vorgegebenen Unterrichts. Nur in Deutsch, Mathematik und Englisch wird nichts gestrichen, weil da am Ende zentrale Abschlussprüfungen stehen.

Dass massiv Unterricht ausfällt, ist kein neues Problem. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) lässt den Unterrichtsausfall in diesem Jahr wieder erfassen. Sie wolle die Wahrheit wissen, kündigte Feller an.

Wenig Besserung in Sicht

Schulleiter Achim Elvert | Bildquelle: WDR

Im Dezember hatte die Ministerin (CDU) neue Maßnahmen zur Unterrichtsversorgung vorgestellt. Aber eine große Wirkung konnte Schulleiter Elvert bisher nicht feststellen. Vorübergehend hat die Schule jetzt eine Lehrerin vom Gymnasium für drei Jahre bekommen. Es hätten aber sechs Stellen werden sollen, fünf seien offen geblieben, berichtet Elvert. Die von der Ministerin angedachten Abordnungen funktionieren nur bedingt. Und, wie vorgesehen, Teilzeit für Lehrkräfte zu reduzieren, das gehe in Ückendorf auch nicht, weil sehr viele im Kollegium schon Vollzeit arbeiten.

Hohe Motivation trotz starker Belastung

Die Atmosphäre im Team ist bei allen Schwierigkeiten super - das ist auf der Dienstbesprechung vor dem Start ins neue Schuljahr zu spüren. "Wenn man am Ende der Klasse 10 Schülerinnen und Schülern das Zeugnis und am Ende der Jahrgangsstufe 13 das Abitur in die Hand drückt, dann macht uns das stolz", beschreibt Schulleiter Elvert seine Motivation.

An der Gesamtschule Ückendorf haben sie 1.200 Schüler, fast ausschließlich mit Migrationshintergrund und überwiegend aus sozial schwachen Familien. "Also letzten Endes sorgen wir dafür, dass diese Schülerinnen und Schüler eine Chance haben, an der Gesellschaft teilzunehmen", sagt Elvert.

Um das zu schaffen, müssten die Lehrkräfte mehr leisten als nur zu unterrichten. Die Belastung erhöhe zwar gefühlt den Krankenstand, aber nicht die Fluktuation. Das liegt am Team, dass sich zusammen den Schwierigkeiten stellt.

Wer einmal da ist, der bleibt

Constantin Köster ist seit 2020 an der Gesamtschule Ückendorf | Bildquelle: WDR

Constantin Köster hat 2020, mitten im ersten Corona-Lockdown, sein Referendariat an der Schule begonnen. Von Anfang an habe das Kollegium ihm geholfen. "Deshalb bin ich hiergeblieben", sagt Köster heute. Er unterrichtet Biologie, Englisch und Sport bis zur 10. Klasse. Schnell habe er gemerkt, dass das, was er an der Uni theoretisch gelernt hat, in der Praxis nicht einfach anwendbar ist. "Es geht nicht, reinzukommen und das Buch aufzuschlagen", so Köster. Man müsse andere Lernwege finden.

"Wer hier unterricht, muss Spaß an Sozialarbeit haben." Constantin Köster,
Lehrer an der Gesamtschule Ückendorf

Constantin Köster hat das und freut sich darauf, mit seiner sechsten Klasse das neue Schuljahr zu beginnen.

Brennpunktschulen nicht konkurrenzfähig

Schulleiter Elvert schreibt immer wieder Stellen aus und es meldet sich erst gar niemand darauf. Deshalb sollte die Arbeit an Schulen wie seiner für Lehrkräfte attraktiver werden, wünscht sich Achim Elvert. Entweder durch Reduzierung der reinen Unterrichtsstunden. Dann hätten die Lehrkräfte mehr Zeit für sozialpädagogische Arbeit und Beratung. Oder durch eine andere Form der Bezahlung. "Also irgendetwas, was uns konkurrenzfähig macht", so der Schulleiter.

Alltagshelfer wie an Grundschulen

Die Grundschulen können auf unbesetzte Lehrerstellen Alltagshelfer einstellen. 400 gibt es bislang zum neuen Schuljahr landesweit, teilte Ministerin Feller (CDU) mit. Gesamtschulleiter Achim Elvert würde sich diese Unterstützung auch für seine Schule wünschen. Das wäre eine große Entlastung, wenn Alltagshelfer die Lernzeiten betreuen oder im Unterricht den Lehrkräften helfen könnten. Schulministerin Feller will aber zunächst abwarten, wie das an Grundschulen läuft und erst danach entscheiden, ob das Konzept auch auf die weiterführenden Schulen übertragen werden soll.

Über dieses Thema berichtet der WDR auch in der Sendung "Aktuelle Stunde" am 7.8.2023 ab 18:45 Uhr.