Frühere Rente für Ehrenamtler - sinnvoll oder nicht?

Stand: 10.08.2022, 20:53 Uhr

Bundsinnenministerin Faeser will das Ehrenamt stärken und schlägt eine Belohnung in Form von früherer Rente vor. Betroffene finden die Idee gut. In der Politik stößt sie auf Ablehnung.

Von Christian Wolf

Es gibt sie in Sportvereinen, in der Kirchengemeinde oder bei der Feuerwehr: Ehrenamtliche, die sich freiwillig engagieren. Allein für NRW spricht die Landesregierung von sechs Millionen Menschen, die sich ehrenamtlich betätigen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser | Bildquelle: dpa

All sie dürften hellhörig werden, was Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun für eine Idee hat: Langjährige Ehrenamtler könnten ein Jahr früher in Rente gehen und müssten dafür keine Einbußen hinnehmen. "Man muss darüber nachdenken, wie man denjenigen etwas Gutes tun kann, die das ihr Leben lang getan haben", sagte die SPD-Politikerin in einer Talkreihe des Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Anreiz für Engagement

Eine frühere Rente quasi als Belohnung für die freiwillige Arbeit neben dem regulären Job? Faeser sagte, mit einem früheren Renteneintritt könne der Staat Anreize für ein freiwilliges Engagement schaffen. Durch die Zunahme von Naturkatastrophen mit schlimmen Folgen wie Hochwasser, Waldbrände und schwere Stürme wachse der Bedarf, sagte die Ministerin. Mit dem Renten-Bonus solle das Ehrenamt also noch attraktiver werden.

Klar ist: Es handelt sich nicht um einen ausgefertigten und komplett durchdachten Vorschlag der Bundesinnenministerin. Unklar ist zum Beispiel, für wen solch ein Renten-Bonus gelten würde. Faeser nannte besonders wertvolle Tätigkeiten wie bei der Feuerwehr oder bei Rettungsdiensten. Doch die Abgrenzung zu denjenigen, die leer ausgehen, dürfte schwierig werden. Am Ende könnte es Ehrenamtliche erster und zweiter Klasse geben.

Ehrenamtler freuen sich über Vorstoß

Bei den Betroffenen stößt Faeser auf jeden Fall auf Zustimmung. So begrüßt zum Beispiel die Johanniter-Unfall-Hilfe den Vorschlag. "Wir sprechen uns schon länger dafür aus, für ehrenamtliches Engagement bestimmte gesellschaftliche Vorteile, zum Beispiel Rabatte für öffentliche Einrichtungen oder zusätzliche Rentenpunkte, zu gewähren", sagte Vorstandsmitglied Jörg Lüssem. Der vorgeschlagene Bonus müsse aber alle sozialen Bereiche umfassen.

Der Deutsche Feuerwehrverband hat bereits in der Vergangenheit eine frühere Rente für ehrenamtliche Feuerwehrleute angeregt. Und auch der Präsident des Familienbundes der Katholiken, Ulrich Hoffmann, reagiert positiv. "Maßnahmen, die das Ehrenamt stärken, sind zu begrüßen, da es eine sehr wichtige Stütze unserer gesellschaftlichen Strukturen ist", sagte er am Mittwoch.

Keine politische Unterstützung

Wenig positiv sind die Reaktionen aus der Politik - selbst aus den eigenen Reihen der Ampel. Das Ehrenamt sei eine gesamtgesellschaftliche Frage und könne nicht allein auf die Beitragszahler abgewälzt werden, sagt zum Beispiel der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober.

"Es wäre auch unfair gegenüber Selbstständigen, die ja selten rentenversichert sind." Pascal Kober

Der Grünen-Rentenexperte Markus Kurth sagt, die Rentenversicherung sei kein "Belohnungssystem für gesellschaftlich erwünschte Verhaltensweisen und Tätigkeiten". Und das für die Rentenkasse zuständige Sozialministerium von Faesers SPD-Parteifreund Hubertus Heil äußert sich eher zurückhaltend.

Unterfüttert wird die Kritik vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. So sagt Sozialexperte Jochen Pimpertz, die Rentenpolitik sei nicht dafür zuständig, mehr Engagement für die Gesellschaft zu erzeugen. Der demografische Wandel verlange eine höhere Erwerbsbeteiligung und längere Lebensarbeitszeiten, um die Sozialsysteme nicht zu überfordern. Vielmehr müssten die Institutionen, die Ehrenämter anbieten, überlegen, ob und wie sie höhere Aufwandsentschädigungen zahlen können.

Somit ist mehr als fraglich, ob Faesers Vorschlag überhaupt eine reale Chance hat, umgesetzt zu werden. Vielleicht bleibt es dabei, dass die Bedeutung von Ehrenamtlichen dadurch noch einmal deutlich wird.