CDU-Hochburg in NRW
Traditionell konservativ
Stand: 26.08.2013, 06:00 Uhr
Für die CDU sind Wahlen im Kreis Borken schon immer ein Heimspiel: Nirgendwo sonst im Land erzielt sie so gute Ergebnisse. Zu Besuch bei einem Unions-Kandidaten, der schon so gut wie gewonnen und einer SPD-Herausforderin, die nichts zu verlieren hat.
Von Maike Jansen
"Ich begrüße unseren Bundestagsabgeordneten, Herrn Johannes Röring", kündigt der Gastgeber an, bevor sich ein weißhaariger Mann aus der hinteren Reihe erhebt, die Krawatte glatt streicht und vor die Gruppe tritt. Routiniert trägt Johannes Röring sein Statement zur Behindertenarbeit vor. "Vielen Dank und Gottes Segen", schließt er seinen Vortrag, faltet das Blatt Papier zusammen und geht zurück an seinen Platz.
Hier, im Benediktushof Maria Veen, ist Johannes Röring kein Wahlkämpfer. Er ist der "Herr Bundestagsabgeordnete", ihr Vertreter in Berlin. Vor der Tür der Behinderteneinrichtung sieht das anders aus: In einem quietschbunten Wagen ist der CDU-Politiker vorgefahren. "Johannes Röring, Kandidat für den Wahlkreis Borken II", ist darauf zu lesen.
Seit acht Jahren sitzt Röring für seine Heimatregion im Bundestag. Bei der letzten Wahl gaben ihm 54,2 Prozent der Wähler im Kreis Borken ihre Erststimme, 45,8 Prozent wählten auch mit der zweiten Stimme CDU. Kein Landstrich in NRW ist schwärzer: Schon seit Gründung der Bundesrepublik stellen die Christdemokraten hier den Abgeordneten. Selten fiel die Zustimmung unter 50 Prozent, bei einer Wahl lag sie sogar bei 75 Prozent.
Wahlkampf lohnt sich hier nicht
Das Politikmagazin Cicero hat vor der Bundestagswahl alle Wahlkreise analysiert - im Kreis Borken kam das Magazin zu dem Schluss: Hier lohnt es sich gar nicht, Wahlkampf zu machen. Johannes Röring sieht das anders. "Natürlich bekomme ich mit meiner Politik hier viel Zustimmung", sagt er, "aber darauf darf man sich nicht ausruhen." Nur weil der Großvater und der Vater CDU gewählt haben, muss der Enkel das nicht auch noch tun. Also tourt Röring durch den Kreis, fährt Fahrrad, zapft Bier, besucht Betriebe. Manchmal einen ganzen Tag lang, manchmal nur für ein paar Minuten. "Die Leute merken, ob man sich kümmert oder ausruht", sagt Röring - er will Kümmerer sein.
Dass die Menschen sich genau das wünschen, glaubt auch Ulla Schulte. Auch sie macht Wahlkampf im Kreis Borken, wenn auch mit weniger Erfolgsaussichten. Ulla Schulte ist Direktkandidatin der SPD, weiß selbst: "Damit bin ich ganz schön einsam." Gerade ist sie zurück aus Berlin gekommen, von der 150-Jahr-Feier der SPD. "Da konnte ich mal wieder ein bisschen Wir-Gefühl tanken", sagt sie und lacht. 60 Jahre ist Ulla Schulte jetzt alt, es ist ihre "letzte Chance", nach Berlin zu gehen. Bislang hat sie im Kreistag Politik gemacht, ist dort Fraktionsvorsitzende der SPD. "Aber da kommt man immer an einen Punkt, an dem man merkt, dass die Weichen in Berlin gestellt werden", sagt Schulte.
Deshalb will sie sich dort künftig für Sozialpolitik einsetzen, darum kämpfen, dass junge Menschen wieder mehr Kinder bekommen: "Es wird so viel Geld in Familienpolitik gesteckt, und trotzdem steigt die Geburtenrate nicht", sagt Schulte. Für sie steht fest: "Es muss einen anderen Grund geben, warum die Leute keine Kinder mehr bekommen - nach dem will ich suchen."
Mindestlohn ist hier kein Thema
Mieten und Mindestlohn - das sind die Hauptthemen der SPD in diesem Wahlkampf. Themen, mit denen man im Kreis Borken nur schwer gehört wird: Hier herrscht Vollbeschäftigung, 80 Prozent der Menschen haben ein Eigenheim. "Es wird hier nicht so sehr in Richtung Umverteilung diskutiert", formuliert es der CDU-Politiker Röring, und auch Ulla Schulte merkt: "Es ist schwer, den Menschen unser Konzept des Mindestlohns zu erklären."
Trotzdem versucht sie es: Mit einem Strauß roter Rosen im Arm geht sie nun fast täglich von Tür zu Tür, versucht mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. "Anfangs war das schon eine ziemliche Überwindung", sagt Schulte, einfach so bei fremden Leuten zu klingeln. Wirklich ins Gespräch komme sie mit den Leuten auch nicht, aber die Zustimmung sei erstaunlich: "Vermutlich sind die Leute nur höflich. Aber so, wie sie sich freuen, könnte man manchmal meinen, wir schaffen 40 Prozent."
Weite Wege, schöne Landschaften
25,5 Prozent waren es vor zwei Jahren bei den Erststimmen, 22,1 Prozent bei den Zweitstimmen. Ulla Schulte wird den Wahlkreis nicht gewinnen, das weiß sie. Wie ihre Chancen stehen, über die Landesliste in den Bundestag zu kommen, weiß sie nicht: "Ich bin auf Platz 14. Manche sagen, das reicht locker. Aber da spielt so viel rein, da will ich jetzt gar nicht spekulieren."
200.000 Wahlberechtigte leben im Wahlkreis Borken II, verteilt auf die Gemeinden Bocholt, Borken, Gescher, Heiden, Isselburg, Raesfeld, Reken, Rhede, Stadtlohn, Südlohn, Velen und Vreden. Dazwischen viele Felder, viele Kühe, lange Landstraßen. "Wer kein Auto hat, ist hier aufgeschmissen", sagt Schulte. Sie selbst lebt seit vielen Jahren in Vreden - genauso wie Herausforderer Röring: "Da kennt man sich natürlich", sagt Schulte. Auf Podiumsdiskussionen sind sich beide schon begegnet, seien dort "sehr professionell miteinander umgegangen", erzählt Röring. Seine Erziehung verbiete es ihm, schlecht von seiner Konkurrentin zu sprechen, sagt er und schickt noch eine Warnung hinterher: "Ich würde ihr raten, sich selbst auch daran zu halten - sonst kann ich auch kontern."
Aus der SPD-Hochburg in NRW berichtet WDR.de-Reporterin Maike Jansen ebenfalls im Vorfeld der Bundestagswahl.
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