Über politische Inhalte diskutieren, an einem Foodtruck zur Mittagszeit - das ist der Gedanke hinter der Interview-Reihe "Auf einen Döner mit ...". In den entscheidenden Wochen vor der Bundestagswahl am 23. Februar hat der WDR dafür alle Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Im Zentrum dabei: Drei wichtige Themenkomplexe, die laut Deutschlandtrend die meisten Wählerinnen und Wähler schwer beschäftigen.
Wirtschaft, Krieg und Frieden sowie Migration: Viele Expertinnen und Experten sind sich einig, dass die Wahl in knapp einem Monat hierüber entschieden wird. In den Wahlprogrammen sind die unterschiedlichen Positionen der Parteien mittlerweile abgesteckt. Nun geht es für die kandidierenden Politikerinnen und Politiker darum, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen.
Auf einen Döner mit Sahra Wagenknecht
Den Auftakt in unserer Reihe "Auf einen Döner mit..." gemacht hatte die Spitzenkandidatin der Linken, Heidi Reichinnek, auf dem Osnabrücker Marktplatz. Für die zweite Station reisten jetzt die Moderatoren des WDR-Newspodcasts 0630, Robert Meyer und Minh Thu Tran, ins saarländische Merzig - zu Sahra Wagenknecht.
Die 55-Jährige möchte für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über den ersten Platz der NRW-Landesliste in den Bundestag einziehen. Auf dem Parteitag am 12. Januar in Bonn hatte sie ihre Verbündeten eingeschworen, beim Falafel am Foodtruck an der Saarschleife stellte sie sich unseren Fragen.
Wirtschaft: Russisches Gas und verbrauchsarme Verbrenner
Die deutsche Wirtschaft möchte das BSW unter anderem durch die Senkung der Energiepreise entlasten. Seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine seien diese hier "explodiert", so Wagenknecht, "und das frisst sich dann durch die ganze Wertschöpfungskette. Dann kommt es auch bei den Lebensmitteln an, dann kommt es auch bei allen anderen Dingen an, die Menschen sich leisten können müssen. Ich finde, da sollten wir wieder mehr auf unsere Interessen schauen."
In Sachen Energie sei es wichtig, diese "zu möglichst günstigen Preisen" einzukaufen - und bei verschiedenen Ländern. Deutschland müsse schauen, sich nicht abhängig zu machen, beispielsweise von den USA. "Wir haben quasi die russische Abhängigkeit durch eine vom amerikanischen Gas ersetzt. Das ist aber dreimal so teuer", sagte Wagenknecht.
Da die Vereinigten Staaten wirtschaftliche Konkurrenten seien, hätte das Land "gar kein Interesse daran, uns billiges Gas zu liefern". Deshalb betonte die BSW-Spitzenkandidaten:
Laut dem BSW-Wahlprogramm soll die Bundesrepublik wieder ins Auge fassen, auch Gas aus Russland zu beziehen.
Eine wirtschaftlich ähnlich klare wie kontroverse Meinung hat die Partei zur Automobilindustrie. Dort fordert das Bündnis, das Verbrenner-Verbot solle zurückgenommen werden. "Der Sinn, vom Verbrenner zum Elektroauto zu switchen, ist ja, dass man klimaneutral wird. Aber solange der Strom zu 50 Prozent aus fossilen Energieträgern kommt, ist ein E-Wagen nicht unbedingt klimafreundlicher", so Wagenknecht im Interview.
In Sachen E-Mobilität sei die deutsche Autoindustrie "nicht wettbewerbsfähig" - ganz anders sei das beim Verbrennungsmotor. Deshalb will Wagenknecht, dass die BRD künftig in verbrauchsarme Verbrenner statt in E-Autos investiert. Die sei eine Technologie, "die wir können" und "wo wir nach wie vor überlegen sind".
Ein Wagen mit Verbrennungsmotor, der beispielsweise "nur zwei Liter verbraucht, der wäre eindeutig auch ein Hit für die deutsche Exportindustrie", glaubt Wagenknecht: "Und ich verstehe nicht, warum man das kaputt macht, wo wir gut sind, statt hier Auflagen zu machen, den Verbrauch zu senken."
Krieg und Frieden: Waffenstillstand und Kritik an NATO-Staaten
Angesprochen auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine forderte Wagenknecht: Deutschland solle ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine anbieten, um so Russland zu einem Waffenstillstand an der jetzigen Frontlinie zu bewegen.
Ein Waffenstillstand an der jetzigen Frontlinie sei "aussichtsreich" und "das einzig Realistische. Wenn man immer sagt, wir verhandeln erst, wenn Russland sich zurückgezogen hat, heißt das, wir verhandeln nie. Und jeden Tage wird weiter gestorben", argumentierte die BSW-Spitzenkandidatin.
Auf die Frage, wer letztlich den Krieg in der Ukraine beenden müsse, sieht sie eine Hauptverantwortung bei der NATO:
Kriege endeten damit, dass zunächst die Waffen schweigen und dann verhandelt werde. Dies sei aktuell auch beim Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina im Gaza-Streifen der Fall. "Es ist ja alles noch keine Lösung, auch dort nicht. Aber zunächst mal schweigen die Waffen, man kann hoffen, dass es auch dabei bleibt", sagte Wagenknecht.
Für den Nahen Osten peilt das BSW in seinem Wahlprogramm eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und Palästina an, die Waffenlieferungen an die Israelis sollen ebenso wie an die Ukrainer gestoppt werden.
Migration: Konsequente Umsetzung der Dublin-Regel
Wer aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreise, dürfe kein Recht auf Aufenthalt und keinen Anspruch auf staatliche Leistungen haben - so formuliert es das BSW in seinem Wahlprogramm. Im Interview erklärte Wagenknecht nun, Asylsuchende, die durch sichere Drittstaaten in Richtung Deutschland kommen, künftig ohne Asylverfahren abweisen zu wollen. Ihre Vermutung:
Dies sei eine Wechselwirkung. "Asylverfahren in Drittstaaten wären wesentlich besser als das System, was wir jetzt haben", sagte die Politikerin. Dabei prangerte sie das deutsche Asylrecht an, das "so nicht funktioniert", und pochte wiederholt auf eine konsequente Umsetzung der Dublin-Regel. Wie sie das dahinterliegende europäische Abstimmungsproblem lösen will, erklärte Wagenknecht derweil nicht.
Der Dublin-Regel zufolge müssen Geflüchtete einen Asylantrag dort stellen, wo sie zuerst EU-Boden betreten - und damit quasi nie in Deutschland. Dieses System war zuletzt in der Realität weitgehend gescheitert, weil viele EU-Staaten die Weiterreise von Geflüchteten, zum Beispiel nach Deutschland, billigen.
Das komplette Interview zum Nachhören gibt es hier im WDR-Newspodcast 0630:
Unsere Quellen:
- Interview mit Sahra Wagenknecht (BSW)
- Tagesschau-Artikel zum Deutschlandtrend
Über dieses Thema berichtet der WDR am 21.01.2025 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.