Dutzende Flüchtlinge ertrinken vor italienischer Küste

Stand: 27.02.2023, 14:15 Uhr

Bei einem Bootsunglück in Italien sind am Sonntag mindestens 62 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Das Boot sank vor der Küste nahe der Stadt Crotone in Süditalien. Noch immer suchen Helfer nach Überlebenden.

Nach einem Bootsunglück mit Migranten an der süditalienischen Küste am Sonntag hat sich die Zahl der Todesopfer am Montag weiter erhöht - auf nun 62. Darunter sind viele Frauen, elf Kinder und ein Baby, hieß es.

Auch am Montagmorgen suchten Retter nach Überlebenden. Zwei Schiffe der Küstenwache und ein Hubschrauber suchten das Meer vor Steccato di Cutro nach den immer noch Dutzenden Vermissten ab, hieß es. Nach wie vor erschwert starker Wind und Wellengang die Suche. Im Wasser treiben Schiffstrümmer, Benzintanks, Nahrungsmittelbehälter und Schuhe.

Die Küstenwache berichtet bislang von 80 Überlebenden. Einige von ihnen hätten das Ufer nach dem Schiffbruch aus eigener Kraft erreicht, hieß es. Die Opferzahl könnte Berichten zufolge weiter steigen, da Überlebende mittlerweile von rund 170 Menschen an Bord sprachen.

Rettungskräfte am Strand von Cutro | Bildquelle: Giuseppe Pipita/dpa

Der italienische Sender Rai berichtete, dass die Gruppe laut Angaben von Überlebenden mehrere Tage zuvor von der Türkei aus in See gestochen war. Das Boot zerschellte in Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien nur wenige Meter von der Küste entfernt bei stürmischer See an den Klippen. Steccato di Cutro ist ein Seebad in der Gemeinde Cutro ganz im Süden des italienischen Stiefels. Dort gib es verschiedene größere Hotels.

"Der Strand war übersät mit Opfern", berichtete der Chef der Rettungskräfte, Giuseppe La Rosa, am Sonntagabend gegenüber Journalisten, "es war ein Bild, das ich nie hätte erleben wollen".

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Nach Angaben der Behörden stammen die Flüchtlinge offenbar vorwiegend aus Pakistan, der Türkei, Afghanistan und Somalia. Menschen aus Iran, Irak und Syrien seien nicht darunter. Das hatten italienische Medien zuvor fälschlicherweise gemeldet.

Bestürzte Reaktionen

"Dies ist ein böses Erwachen, das die Gemeinschaft aufwecken muss, damit ähnliche Tragödien nicht passieren", schrieb der Präsident des italienischen Roten Kreuzes, Rosario Valastro, auf Twitter. Papst Franziskus betete für die Opfer, die Vermissten und die Überlebenden.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte: "Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken". Die rechte Politikerin ergänzte, ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Italienische Oppositionsparteien kritisierten, die Meloni-Regierung erschwere die Arbeit von Rettungsorganisationen auf dem Mittelmeer.

Mutmaßlicher Schlepper festgenommen

Ein Beamter der Küstenwache sagte, nach dem Unglück sei ein mutmaßlicher Schlepper festgenommen worden. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, handelt es sich dabei um einen der Überlebenden.

Mehr als 25.000 Flüchtlinge seit 2014 im Mittelmeer ertrunken

Jedes Jahr versuchen Tausende Migranten auf oft wenig seetauglichen Booten aus Nordafrika nach Italien und damit nach Europa zu gelangen. Viele versuchen auch aus Griechenland über das Ionische Meer Italien zu erreichen.

Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen.

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Italien ist wegen seiner geografischen Lage besonders häufig ein Ziel von Migranten, die von Nordafrika nach Europa gelangen wollen. Im vergangenen Jahr kamen etwa 105.000 Migranten in Italien an.

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (5.273).

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte nach dem Bootsunglück alle Beteiligten dazu auf, sich noch mehr um Fortschritte in der EU-Migrationspolitik zu bemühen

Migrationsforscher Knaus plädiert für Abkommen

Der Migrationsforscher Gerald Knaus plädiert im WDR-Interview für Abkommen mit Transitstaaten und Herkunftsländern wie etwa Tunesien. Das Ziel: "Legale Wege für die, die Schutz brauchen und auch für manche, die alles riskieren, um in Europa zu arbeiten."