"Ihr wollt es dunkler" von Stephen King

Stand: 25.07.2024, 07:00 Uhr

In Stephen Kings neuem Erzählband "Ihr wollt es dunkler" versorgt uns der Meister wieder einmal mit einer riesigen Portion Spannung der Sorte, die dafür sorgt, dass man nicht aufhören kann zu Hören. Immer neue Wendungen, grandiose Suspense Momente, erzeugen in allen 12 Stories einen verlässlich hohen Adrenalinspiegel. Eine Rezension von Klaus Prangenberg.

Stephen King: Ihr wollt es dunkler (Hörbuch)
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt.
Gelesen von David Nathan.
Random House Audio, 2024.
3 CDs (Laufzeit: 22 Stunden und 29 Minuten), 28 Euro.
Download, 19,99 Euro.

"Ihr wollt es dunkler" von Stephen King Lesestoff – neue Bücher 25.07.2024 05:24 Min. Verfügbar bis 25.07.2025 WDR Online Von Klaus Prangenberg

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Also, eigentlich mache ich, mit Verlaub, eher einen großen Bogen um das Genre Horror. Was da abgeht, finde ich meistens einfach nur albern. Diese Buh!-Effekte für Großen und solche, die sich dafür halten. Es sei denn, und hier wäre jetzt ein Horrorhall angebracht: ES – SEI – DENN! Stephen King steckt dahinter. Man denke nur an "Carrie – Des Satans jüngste Tochter" oder an "ES". Vor allem aber natürlich an „Shining“ mit dem unglaublichen Jack Nicholson. Diese Filme sind neben nervenzerfetzenden Situationen auch vollgepackt mit guten Charaktären, tiefen Einsichten und komplexen Geschichten. Und sie sind immer so spannend, dass man sich manchmal wünschte, man könnte mit geschlossenen Augen weiter gucken.  

Trotzdem hatte ich bis vor kurzem, also bis zu diesem Auftrag, "Ihr wollt es dunkler" zu besprechen, noch nie – Asche auf mein Haupt –, noch nie ein Buch von Stephen King gelesen oder ein Hörbuch gehört. Und das, ich weiß es jetzt, war ein schwerer Fehler!

"Da ist nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, denkt Danny, nichts, wovor man Angst haben sollte. Wobei er sich keine Sorgen macht, und Angst hat er auch nicht. Ihn hat das blanke Grauen gepackt."

Diese Beiläufigkeit mit der Master King auf den Punkt kommt, mit der er Situationen einkreist und Charaktere entstehen lässt. Das ist einfach ganz große Klasse.

"Das Wasser floss immer weiter. Irgendwann musste er wieder atmen. Anstatt Luft bekam er Wasser. Er gurgelte, würgte, spuckte es aus, schluckte noch mehr. Es gab keine Luft. Die Luft war weg. Luft war eine Erinnerung an schöne Zeiten, ein ferner Gruß aus der Vergangenheit."

Wer schon mal eine bessere Beschreibung der Foltermethode Waterboarding gehört hat, als hier in der Geschichte: "Finn" möge sich bitte melden. Mir blieb beim Hören jedenfalls die Luft weg. Was mich auch besonders beeindruckt: Trotz der Drastik vieler seiner Stoffe, siehe oben zum Beispiel, und der vielen fantastischen Elemente kreisen seine Plots, seine Ideen, seine Geschichten letztlich immer um das Leben ganz normaler Menschen. Menschen mit Ängsten, Wünschen, Träumen, Alpträumen. Die haben seine Protagonisten besonders im reifen Alter.

"In dem Traum saßen wir händchenhaltend auf der Couch in unserem alten Wohnzimmer. Wir waren beide noch jung – und schwiegen. Das war eigentlich schon alles, das war der ganze Traum, aber ich wachte unter Tränen auf."

Ja Träume sind wirklich ein sehr großes Thema in diesem neuen Erzählband von Stephen King, genau so wie das Alter, das viele seiner Figuren mit ihm teilen. Merke, hier schreibt ein lebensweiser Mann für alle, die dem Leben immer wieder neue Seiten abgewinnen wollen. Hier hält einer nicht nur seinen Landsleuten einen Spiegel vor. "Danny Coughlins böser Traum" zum Beispiel, der fünften Story von zwölf, gerät Danny durch besagten Traum in falschen Verdacht und erfährt schnell was das Wort Vorurteil wirklich bedeutet.

"In einem kleinen Ort nördlich von hier, er heißt Gunnel, hab ich die Leiche von einer ermordeten jungen Frau gefunden. Hab versucht, das anonym zu melden, aber man hat mich identifiziert. Und jetzt meint man, dass ich es war."

Ganz leise und langsam versorgt uns Herr King auch hier mit einer riesigen Portion Spannung der Sorte, die dafür sorgt, dass man nicht aufhören kann zu hören, oder zu lesen. Immer neue Wendungen, grandiose Suspense-Momente, erzeugen zuverlässig einen hohen Adrenalinspiegel und steigendes Mitleid mit Danny, um den sich die Schlinge immer enger zusammenzieht.

Das gilt im Übrigen auch für die anderen elf Stories – also Gefahr von sehr viel Adrenalin. Und dafür gibt es in diesem Hörbuch noch einen – Gänsefüßchen – Schuldigen: Sein Name ist natürlich David Nathan. Das ist nicht das erste Mal, dass er ein Buch von Stephen King vertont hat. Aus gutem Grund: Seine ausdrucksstarke Stimme und seine kongeniale Gestaltung kitzeln auch noch den letzten Rest an Gänsehautmomenten und Emotionalität aus den 12 Geschichten dieses Hörbuches. Ein echtes Must Hear also und eine Bestätigung für dieses Zitat von Meister King: "Sind Hörbücher so gut wie gedruckte Bücher? Die Antwort ist einfach: Ja, sind sie. Vielleicht sogar besser! Es heißt nicht umsonst Story-Telling…"