"Hexen" von Marion Gibson

Stand: 06.06.2024, 07:00 Uhr

Marion Gibsons neuestes Buch "Hexen" trägt den Untertitel: "Eine Weltgeschichte in 13 Prozessen vom Mittelalter bis heute". Der erste Prozess, über den sie berichtet, fand im 15. Jahrhundert in Salzburg statt. Als letzten wählt sie den Prozess gegen Stormy Daniels, jener Frau, deretwegen Donald Trump gerade in New York auch vor Gericht steht. Jeder Satz das Buches, des Hörbuches, stützt sich auf gut recherchierte Quellen.

Marion Gibson: Hexen – Eine Weltgeschichte in 13 Prozessen vom Mittelalter bis heute
Übersetzt von Karin Schuler und Thomas Stauder.
Ungekürzte Lesung mit Ute Piasetzki.
Aufbau Audio, 2024
Download, 13 Std. und 8 Min. Laufzeit, 19,99 Euro.

"Hexen" von Marion Gibson Lesestoff – neue Bücher 06.06.2024 05:19 Min. Verfügbar bis 06.06.2025 WDR Online Von Klaus Prangenberg

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"Im Fall von Stormy Daniels wurde behauptet, sie sei aufgrund ihrer magischen Überzeugungen tatsächlich eine Hexe."

Moment, stop, die Stormy Daniels, deretwegen Donald Trump gerade in New York vor Gericht steht? Ja, in der Tat. Und wer das erstaunlich findet, der soll sich bitte hinten anstellen.

Andererseits, wer seine Anhänger dazu ermuntert, Regierungsgebäude zu stürmen und selber alle zehn Sekunden von Hexenjagd gegen sich selber zu schwadronieren, der hat auch keine Skrupel, seine leibeigenen Medien zu einer solchen gegen seine Feinde beziehungweise Feindinnen zu ermuntern. Und genau darum ist es auch nur folgerichtig, dass Marion Gibson diesen Prozess als dreizehnten in ihr faszinierendes Buch über die Verfolgung von angeblichen Hexen aufgenommen hat.

"Man ging davon aus, dass Hexen in der Regel weiblich waren. Obwohl Heiler:innen und Schaman:innen allen Geschlechtern angehören konnten, wurde die Magie, als sie zunehmend mit dem Bösen assoziiert wurde, auch immer häufiger mit Frauen in Verbindung gebracht."

Genau darum ging es, und wie wir gerade gesehen haben, geht es immer noch. Um Macht, um männliche Macht, vulgo das Patriarchat.  Schon der erste Prozess, von dem Frau Gibson berichtet – der Prozess der Helena Scheuberin aus dem Salzburg der 1480er Jahre –belegt das nachdrücklich.

"Als zölibatär lebender Mönch wusste Heinrich herzlich wenig von den Frauen, die er verdächtigte. In seinen Augen waren sie geistlose, eitle Geschöpfe, verführerisch, unzuverlässig, besessen von Sex und Macht."

Dieser Fall sticht etwas aus dem normalen Schema Hexenverfolgung heraus, weil es sich bei Helena Scheuberin und ihren Mitstreiterinnen/Mitleidenden um Frauen aus einer höheren Gesellschaftsschicht handelte. Denn in den meisten Fällen waren Außenseiterinnen und/oder arme Frauen das Ziel der männlichen Hetzjagden. Wie zum Beispiel hier bei einer der berühmtesten Hexenverfolgungen überhaupt:

"Ab Mitte Januar 1692 erlitten zwei junge Mädchen, die im Haushalt des puritanischen Pfarrers von Salem, Samuel Parris, lebten, in regelmäßigen Abständen Anfälle."

"Hexenjagd", so heißt das erfolgreiche Drama von Arthur Miller, dass sich auf diesen Hexenwahnprozess stützt und der deshalb bis heute bei vielen Menschen präsent ist. Die erste Angeklagte war eine indigene Frau namens Tatabe. Wahrscheinlich hieß sie so. Denn obwohl der Prozessverlauf akribisch dokumentiert wurde – von den männlichen Anklägern natürlich, wechselt die Schreibweise ihres Namen in den Archivdokumenten immer wieder. Klar: Indigene, versklavte Person, Frau, wer schert sich da um Namen. Hauptsache schuldig.

Als Bilanz am Ende dieses Prozesses stehen hunderte von Verhaftungen und 30 Todesurteile. 19 Menschen wurden gehängt, einer zu Tode gefoltert, vier starben im Gefängnis. Niederschmetternd. Und niederschmetternd gut dokumentiert, wie gesagt.

Das zeichnet im übrigen alle diese Prozesse aus. Egal ob in Deutschland, Frankreich, England oder etwa Finnland. Bürokratie waren den immer männlichen Anklägern und Richtern äusserst wichtig.Wichtiger als das Leben von Menschen auf jeden Fall.

"Während dieses Zeitraums wurden am Ende nicht weniger als schwindelerregende 4,5 Prozent der Bevölkerung der Finnmark der Hexerei beschuldigt."

Viele dieser Angeklagten haben das nicht überlebt. Natürlich. Auch gut dokumentiert. Natürlich. Mit anderen Worten jeder Satz des Buches, des Hörbuches, stützt sich auf gut recherchierte Quellen.

Kein Wunder also, dass einem beim Hören immer mal wieder ein Schauer über den Rücken läuft, ob dieser Ungeheuerlichkeiten, die da über die Jahrhunderte von männlichen Machthabern und ihren subalternen Richtern, Anklägern und Folterknechten begangen wurden. Da tut der sachliche engagierte Stil, den Marion Gibson für dieses Buch, dieses Hörbuch gewählt hat, ausgesprochen gut.

Das gilt auch genau so für Ute Piasetzkis Art sich diesen wichtigen Stoff als Sprecherin zu eigen zu machen. Auch sie ist sachlich, engagiert, entschieden. Die absolut richtige Haltung, um dieses wichtige Thema, dieses immer noch aktuelle Thema, unter die Menschen zu bringen. Gerne auch unter dessen männlichen Teil.