"Der letzte Malaussène" von Daniel Pennac

Stand: 06.12.2024, 10:52 Uhr

Neues vom französischen Krimi-Meister: Daniel Pennac strickt in "Der letzte Malaussène" seine erfolgreiche Saga fort. Eine Rezension von Dirk Fuhrig.

Daniel Pennac: Der letzte Malaussène
Aus dem Französischen von Eveline Passet
Kiepenheuer & Witsch, 448 Seiten, 20 Euro.

Daniel Pennac bleibt sich treu. Auch im jüngsten Band schlägt er den knackigen, flapsigen Ton an, der für seine Figur seit Jahrzehnten so typisch ist:

"Ich, Benjamin Malaussène, Onkel und Vater dreier Vollidioten, die sich auf der verfluchten Treppe beinahe hätten umbringen lassen, erinnere mich sehr gut an die Art und Weise, wie ich davon erfahren habe."

Um was genau es geht, darüber dürfen wir erstmal eine Weile rätseln. Pennac lässt seinen Helden – in dessen Nachnamen das "Böse", "le mal", eingeschrieben ist, auch wenn er eigentlich zu den Guten gehört – ausführlich und umständlich vor sich hin brabbeln:

"Ich lag in der Koje, nahtlos angelöffelt an Julie, die Nase voll des Odeurs von Julius dem Hund, der vor unserer Zimmertür schlief, als ein unbezwingbarer Harndrang mich wie des Öfteren seit einigen Monaten (wird wirklich Zeit, dass ich mich drum kümmere) wach werden ließ und zwang, unser Bett zu verlassen, ohne Julie aufzuwecken, über Julius hinwegzusteigen und ihn mit gebieterischem Zeigefinger am Boden festzunageln, damit er mir nicht folgte, die Treppe des Haushaltswarenladens hinunterzugehen, ohne dass die Stufen knarrten und ohne unten Licht zu machen für den Fall, dass die Tür zum Schlafsaal offen stand, kurz, das zartfühlende Gespenst zu geben, um Mosma, Sept und Mara nicht zu wecken, die im Schlafsaal den Schlaf der Gerechten schliefen. Ich also endlich unten und mit überdehnter Blase auf Zehenspitzen die Klotür ansteuernd, da höre ich plötzlich Stimmengemurmel."

Und so weiter und so fort… bis es bei Pennac konkret wird, dauert es und dauert es. Noch eine Wendung und nochmal um die Ecke, noch ein Detail und noch eine weitere Person. Aber genau das macht die große Kunst dieses Meisters der literarischen Spannung aus: Es geht bei ihm nicht in erster Linie um den Plot, um die Lösung eines Falls oder das Aufdecken einer Intrige. Sondern um einen endlos fortgetriebenen Erzählfluss, der sich um strenge Dramaturgie und klare inhaltliche Konturen nicht schert. Stattdessen ist auch diesem achten Band der Malaussène-Sage ein Personenverzeichnis beigefügt, das dabei hilft, wenigstens die wichtigsten Figuren und ihre Funktion in der über mehrere Jahrzehnte aufgespannten Saga nachschlagen zu können.

Benjamin Malaussène lebt in den französischen Alpen, arbeitet bei einem Verlag und kümmert sich nebenher um das Wohl seiner Familie und seiner Freunde in Paris. Dort wird ein ehemaliger Minister, Georges Lapietà, entführt. Man will ihm private Details über Politiker entlocken. Bei der Verfolgung der Täter kommt es zu rasanten Beschreibungen:

"Zwei der vier Jungs haben die Blockade durchbrochen und stehen plötzlich auf dem Trottoir, wo sie auf die hinter den Autos kauernden Polizisten ballern. Die antworten mit einem Kugelhagel. Einer der Jungs kreiselt wie ein Hase um sich selbst und geht weiterschießend zu Boden, bis zwei oder drei Kugeln ihm den Rest geben. Der andere rennt auf den Mercedes zu, er hinkt, hält sich die Schulter. Pfeifende Kugeln um ihn herum. Der Polizist in Pépères Hand zuckt auf. Sein letzter Blick gilt dem alten Mann, ein Blick erfüllt von unsäglicher Überraschung. Pépère lässt den Körper los, der ohne ein Stöhnen am Wagen entlangrutscht und auf dem Trottoir zusammensackt. Die Polizisten stellen das Feuer ein, in der richtigen Annahme, dass sie einen Kollegen erschossen haben."

Daniel Pennac malt solche Szenen so plastisch aus, dass man glaubt, in einem Action-Film zu sitzen. Und zwischendurch tauchen immer wieder Passagen voller Witz auf:

"Gesagt und aus dem Bett gesprungen, fliegendes Nachthemd, bloßer Hintern, nacktfüßige Landung auf den Fliesen. 'Ihr seid wirklich zu blöd.'
Tür auf, Tür zu. Dito bei der Toilette. Riegel. Plätschern. Das Wasser der Jugend auf das Wasser der Stadt. Welch eine Schönheit!"

Der vor Kurzem 80 Jahre alt gewordene Schriftsteller wurde 1949 in Casablanca geboren. Damals hieß er Daniel Pennachioni. Als er seine Schriftsteller-Karriere begann, kürzte er den Nachnamen einfach ab. Daniel Pennac ist in Frankreich eine Marke. Mit „Der letzte Malaussène“ gibt er seinem großen und treuen Publikum, das was es liebt: Das Eintauchen in den breiten Pennacschen Schreib-Fluss und die Wiederbegegnung mit jahrzehntelangen guten Freunden wie diesem Benjamin Malaussène.