Richard Powers: Das große Spiel
Gelesen von Heike Warmuth und Richard Barenberg
Hörverlag Download, Laufzeit: 14 h, 7 Min., ca. 26 Euro
Buch-Ausgabe:
Penguin Verlag, 512 Seiten, 26 Euro
Der Anfang liest sich wie die biblische Schöpfungsgeschichte. Nur anders. In diesem Fall heißt der Schöpfer Ta’aroa. Aus seinen Tränen entstehen die Flüsse, Seen und Ozeane:
"Ta’aroa war ein Künstler, also spielte er mit dem, was er hatte. Sein erster Stoff war Eierschale. Er zerbrach sie in unzählige Stückchen und ließ sie fallen. Die Stückchen schwebten nieder und bildeten das Fundament der Erde."
Aus Knochen und Wirbeln formt Ta’aroa Inseln. Dann der entscheidende Satz:
"Die Schöpfung war sein Spiel."
In einem Interview hat Autor Richard Powers kürzlich erklärt, das Spiel an sich sei älter als die Zivilisation. Das Spiel "ist der Motor der Evolution", behauptet er. In seinem neuen Roman "Playground" – deutsch übersetzt mit: "Das große Spiel" – zeigt Powers, dass die Menschheit Teil eines großen Spiels ist, unfreiwillig und gleichzeitig mitverantwortlich. Im Mittelpunkt der vielschichtigen Handlung stehen vier Menschen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.
"Insgeheim hatte Evelyne Beaulieu sich immer gewünscht, während eines Tauchgangs zu sterben, aber heute war nicht der Tag dafür. Heute hatte sie eine letzte Aufgabe zu erledigen. Sie war nur aus einem einzigen Grund auf die Insel gekommen: um vor ihrem Tod ein weiteres Buch zu schreiben."
Evelyne widmet sich der Erforschung der Meere, Todd und Rafi – passionierte Schachspieler – brüten mithilfe modernster Techniken Ideen für eine neue Welt aus. Schließlich Ina, die eigentlich nach Material für ihre Skulpturen Ausschau hält, dabei aber an den Stränden nur auf angespülten Plastikmüll trifft.
"Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie eine Albatrosmutter die Plastikstücke auswürgte und ihren Küken in den Schnabel stopfte."
Im weiteren Verlauf kommen diese vier Figuren auf Makatea zusammen, einem verlassenen Fleckchen Erde im schier endlosen Pazifik: vier gealterte Menschen, deren Visionen zwischen Wissenschaftsglaube und Utopie schwanken.
"Reihenhäuser aus Holz und Glas säumten den üppigen Dschungel. In gesundem Abstand waren klimafreundliche Handwerksstätten in der Landschaft verteilt. Die Fassaden aus Naturmaterialien waren bunt gestrichen und im Stil der Insel gehalten."
Wie so oft bei Richard Powers, so sind auch in diesem neuen Roman Wissenschaftsideen und fiktive Handlung eng miteinander verwoben. Auch erzählerisch ist "Das große Spiel" vielschichtig: Es wird vor- und zurückgeblendet, es gibt einen allwissenden Erzähler und einen in der Ich-Form. Entsprechend ist die Hörbuch-Fassung mit zwei Stimmen besetzt worden: mit Heike Warmuth und, für die Ich-Abschnitte, mit Richard Barenberg.
"Endlich standen mir die Instrumente zur Verfügung, jene spielerische Lebensweise zu erfinden, nach der sich die Menschheit immer gesehnt hatte. Abends beim Einschlafen hatte ich flüchtige Visionen meines Werks, und wenn ich morgens aufwachte, schwirrten mir multidimensionale Felder durch den Kopf. Ich konnte es gar nicht erwarten, mich an den Computer zu setzen und weiter zu programmieren."
Warmuth und Barenberg ergänzen einander gut: hier eine eher sanfte, berichtende, mitunter auch fragende Stimme, dort das etwas rauere, direktere und von sich überzeugtere Gegenüber. So entsteht eine Form von Binnenspannung, die es gleichzeitig allen Hörerinnen und Hörern leichter macht, diesem (sowohl inhaltlichen als auch literarischen) Spiel besser folgen zu können.
"Jedes Spiel erklärt sich am besten selbst. Denn was tun alle Geschöpfe anderes, als auf dem Erdkreis zu spielen, im Angesicht eines spielenden Gotts?"
Richard Powers "Das große Spiel“ erweist sich in dieser Hörbuch-Fassung mit Heike Warmuth und Richard Barenberg als stimmiges Gesamtpaket, das dazu einlädt, den vier Hauptfiguren auf ihren ebenso verschlungenen wie ambitionierten Wegen.