Ein brauner Igel wird von Tierschützern mit blauen Handschuhen festgehalten

Igel in Not

Stand: 08.11.2024, 10:28 Uhr

Der Igel ist das „Wildtier des Jahres 2024“. Seit Oktober 2024 steht er offiziell auf der Roten Liste und gilt als „potenziell gefährdet“. Mehr zu seinem Lebensraum, Ernährungsweise und Co. lesen Sie hier. Die Informationen stammen von Simone Bergheim von der Igelstation Erftstadt der Tierfreunde Rhein-Erft und von der Tierärztin Simone Jendrysek.

Ernährung

Der Igel ist ein Insektenfresser. Für eine artgerechte Ernährung benötigt er Käfer, Insekten, Asseln, Spinnen und Co. Ideal sind für ihn große Laufkäfer. Da diese in heimischen Gefilden aber fast nicht mehr vorkommen und auch die Menge der Insekten immer geringer wird, kommen die Igel mittlerweile in einen massiven Nahrungsmangel. Aus der Not heraus fressen Igel vermehrt Schnecken und Regenwürmer. Das aber führt zu einer Fehlernährung, die Erkrankungen hervorrufen kann. Über die Schnecken können Igel Wurmeier aufnehmen, die sich im Darm zu Larven entwickeln. Diese Parasiten nisten sich im Körper des Igels ein und schädigen unbehandelt die Lunge.

Lebensraum

Ursprünglich ist der Igel ein Offenlandbewohner. Einen idealen Lebensraum findet er in Gebieten mit einer vielschichtigen Landwirtschaft. Früher waren solche Landwirtschaften strukturreich angelegt, mit Hecken, Gehölzen, Sträuchern und kleinen Parzellen, in denen es auch Unterholz gab. Mittlerweile wurde diese Art der Bewirtschaftung von großflächigen Monokulturen abgelöst. Da der Igel dort nicht überleben kann, ist er als Kulturfolger dem Menschen hinterhergezogen – in Parks und Gärten. Aber auch diese werden immer steriler und bieten nur wenig Unterschlupfmöglichkeiten für Igel.

Woran erkennt man, dass ein Igel Hilfe benötigt?

Wenn man einen Igel tagsüber sieht, hat er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ein gesundheitliches Problem. Liegt ein Igel auf der Seite, braucht das Tier sofort Hilfe. Einen untergewichtigen und abgemagerten Igel erkennt man auch am sogenannten „Hungerknick“ im Nacken. Der Igel ist dann nicht rundlich, sondern hat eine eingefallene Stelle hinter dem Kopf. Auch die Augen des Igels können ein Indikator sein. Sind sie bei gesunden Igeln schwarz und glänzend, deuten halb geschlossene oder Augen mit Ausfluss auf eine ernstzunehmende Problemstellung hin. Zurzeit werden unzählige junge Igel aufgefunden, die zu klein und untergewichtig sind, um den Winter oder den Winterschlaf zu überstehen. Sie sollten in der nächstgelegenen Igelstation oder Tierheim, das Wildtiere aufnimmt, abgegeben werden. Allerdings sind viele Einrichtungen zurzeit mit Igeln überfüllt.

Was kann ich selbst tun, wenn ich einen geschwächten Igel finde?

Ob ein Igel krank oder nur geschwächt ist, zeigt sich oft erst nach ein paar Tagen. Wichtig ist, den Igel aufzunehmen und zu sichern. Am besten bringt man ihn in einem hohen Karton unter einer hohen Plastikbox unter. Igel sind Kletterkünstler, daher sollte der Karton mindestens 40 Zentimeter hoch sein. Gut ist, den Karton mit Zeitungen auszulegen und für den Igel ein kleines Handtuchnest zu bauen. Dann sollte der Igel ganz wenig Futter bekommen: eine kleine Menge hochwertiges Katzenfutter, ohne Zucker, ohne Getreide, ohne Sauce und Gelee, und ein kleines Wasserschälchen. Entweder man beobachtet den Igel selbst oder gibt ihn direkt in einer Igelstation ab. Experten raten in der Regel davon ab, den Igel selbst aufzupäppeln. Denn falls er doch gesundheitliche Probleme wie einen Parasitenbefall hat, muss eine Behandlung schnell erfolgen. Das können Igelstationen in der Regel sogar besser leisten als Tierarztpraxen, denn die Mitarbeitenden in Igelstationen sind Experten auf ihrem Gebiet. Dennoch kann man einen akut verletzten Igel natürlich auch zum Tierarzt bringen.

Winterschlaf

Unter normalen Umständen halten Igel einen Winterschlaf, meistens in den Monaten November bis März. Da die Temperaturen aber immer milder bleiben, verschiebt sich der Beginn des Winterschlafs mittlerweile bis in den Dezember. Igel können aber nur dann in den Winterschlaf gehen, wenn sie vorher genügend Körpergewicht zugelegt haben. Erst mit 600 bis 700 Gramm kann ein junger Igel gut in den Winterschlaf gehen. Ein älteres Tier sollte schon um die 1.000 Gramm wiegen. Viele Jungtiere bringen aber nur ein Gewicht von etwa 200 Gramm auf die Waage – viel zu wenig, um einen Winterschlaf überstehen zu können. Abgemagerte, hilfebedürftige Jungtiere findet man deswegen noch im Januar. Dann kommt die Hilfe oft schon zu spät.

Wohin können Igel ausgewildert werden? Igelfreundliche Gärten

Igel, die in einer Igelstation aufgepäppelt und gesund gepflegt wurden, brauchen langfristig ein sicheres Lebensumfeld. Daher suchen Tierschützer:innen für sie immer wieder igelfreundliche Gärten. Diese sollten durchgängig sein und Öffnungen haben, damit der Igel mehrere Gärten durchstreifen kann, um genügend Nahrung zu finden. Gartenbesitzer können unterstützen, indem sie für ausreichend Frischwasser sorgen. Auch die Fütterung, zum Beispiel mit Trockenfutter oder sogar getrockneten Soldatenfliegenlarven, ist sinnvoll. Ein igelfreundlicher Garten darf nicht steril sein, denn Igel brauchen auch Unterschlupfmöglichkeiten. Gartenbesitzer, die helfen möchten, können sich in der Regel an eine Igelstation in ihrer Nähe wenden.