Ein Überblick über prominente Wettbetrugsfälle

Hoyzer, Karabatic und Co. - Eine Chronik der Wettskandale

Stand: 05.05.2017, 08:30 Uhr

Von den Chicago White Sox über Robert Hoyzer bis hin zu Nikola Karabatic - Wettskandale betreffen viele Sportarten und auch prominente Namen. Eine Chronik.

1919: Als die White Sox zu den "Black Sox" wurden

Wettbetrug ist wahrlich kein neues Phänomen: Die Affäre um das Baseball-Team der Chicago White Sox gilt bis heute als einer der größten Sportskandale der USA. Acht (schlecht bezahlte) White-Sox-Spieler ließen sich von der Mafia bestechen und verloren die Finalserie der Major League Baseball (MLB) 1919 gegen die Cincinnati Reds absichtlich mit 3:5. Der Skandal flog auf, alle Spieler wurden lebenslang für die MLB gesperrt - und die Geschichte des fortan "Black Sox" genannten Teams wurde in Büchern und Filmen verewigt.

1964: Muhammad Alis große Karriere beginnt fragwürdig

Als der junge Boxer Cassius Clay 1964 in seinem ersten WM-Kampf auf den Schwergewichts-Champion Sonny Liston trifft, fragt sich die Presse nur, wie lange er durchhalten würde. Doch Liston gibt vor der siebten Runde wegen einer angeblichen Schulterverletzung auf - der Grundstein für Clays einmalige Karriere unter dem Namen Muhammad Ali ist gelegt. Doch war Liston wirklich verletzt? Oder hat er im Auftrag der Mafia aufgegeben, um einen Wettgewinn von mehr als eine Million Dollar einzufahren? Wurde er gar erpresst? In diese Richtung ermittelt jedenfalls das FBI. Die genauen Umstände werden aber wohl ein Rätsel bleiben, Liston verstirbt 1970, Ali 2016.

1976: Spitzenjockeys fliegen auf

Wo viel gewettet wird, sind Betrüger nicht weit - das gilt auch für Galopprennen. Ein typisches Beispiel: Beim eher unbedeutenden "Preis von Derendorf" in Düsseldorf erreichen 1976 die Spitzenjockeys Peter Remmert und Manfred Kosmann auf favorisierten Pferden nur hintere Plätze. Davon profitiert, wer die mit Außenseitern bestückten ersten drei Plätze richtig getippt hat. Doch Videoaufzeichnung zeigen, dass die beiden Jockeys ihre Pferde kaum angetrieben haben. Drei Tage später gesteht Remmert den Wettbetrug. Er und Kosmann werden für zwei Jahre gesperrt - und die Glaubwürdigkeit des Galopprennsports leidet nachhaltig.

2005 - Robert Hoyzer betritt die Bühne

Der Alptraum eines jeden Fußballfans: ein Schiedsrichter, der Spiele bewusst verpfeift. Robert Hoyzer hat es getan. Anfang 2005 gesteht er, mehrere Spiele aus der Regionalliga, der 2. Liga und dem DFB-Pokal verschoben zu haben, um Wettgewinne zu ermöglichen. Außerdem belastet er weitere Schiedsrichter und Spieler sowie seine Auftraggeber: Dadurch erlangen auch Wettbetrüger Ante Sapina und das Berliner Café King zweifelhafte Berühmtheit. Im November 2005 verurteilt das Landgericht Berlin Hoyzer zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft ohne Bewährung.

2007 - Tennisprofis und ihre Verletzungen

Der Tennissport ist wie gemacht für Wettbetrüger. Es braucht nur einen willigen Spieler - und schon ist eine überraschende Niederlage sicher. Ein Beispiel für ein verdächtiges Spiel: 2007 trifft der russische Topspieler Nikolai Davydenko auf den Argentinier Martin Vassallo Argüello. Favorit Davydenko gewinnt den ersten Satz erwartungsgemäß. Als er im zweiten Durchgang zurückliegt, werden in wenigen Minuten hunderttausende Dollar auf Herausforderer Vassallo gesetzt. Der Wettanbieter "Betfair" setzt das Spiel aus - und Davydenko gibt im dritten Satz beim Stand von 1:2 wegen einer Verletzung auf. Beide Spieler beteuern ihre Unschuld, ein Betrug wird ihnen nie nachgewiesen.

2007 - Ein NBA-Schiedsrichter gesteht

Was Robert Hoyzer für den deutschen Fußball ist, ist Tim Donaghy für nordamerikanischen Basketball. 2007 fliegen seine Praktiken auf: Der NBA-Schiedsrichter hat jahrelang selbst gewettet und Insiderinformationen über einen möglichen Ausgang von Spielen der amerikanischen Mafia gesteckt. Donaghy wird zu 15 Monaten Haft verurteilt und bekommt die Auflage, seine Spielsucht zu behandeln. Der Imageverlust für die NBA ist immens - auch weil Donaghy behauptet, Korruption sei unter seinen Schiedsrichterkollegen weit verbreitet.

2009 - Der große Fall Bochum

Am Anfang stehen abgehörte Telefongespräche - und am Ende der wohl größte Betrugsskandal im europäischen Fußball. Seit 2009 ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum zu rund 700 verdächtigen Spielen, verurteilt im Laufe der Jahre 18 Wettbetrüger zu Gefängnisstrafen. Ante Sapina, bereits aus dem Fall Hoyzer bekannt, erhält fünf Jahre Haft, Marijo Cvrtak fünfeinhalb. Zu den verurteilten Spielern gehören die ehemaligen Osnabrücker Profis Marcel Schuon und Thomas Cichon. Der langwierige Prozess von Bochum gibt völlig neue Einblicke in die Machenschaften der Wettbetrüger und führt zu weiteren europaweiten und sogar weltweiten Ermittlungen.

2010 - Fehlwürfe im Cricket

Wettskandale machen auch vor Cricket nicht Halt - dem Nationalsport in vielen Ländern des Commonwealth. Einer der folgenreichsten Fälle ereignet sich 2010: Mindestens drei pakistanische Nationalspieler werden verdächtigt, mit Wettbetrügern zusammenzuarbeiten. Sie sollen in einem Test-Länderspiel gegen England absichtlich Fehlwürfe eingestreut haben, um Wettgewinne zu ermöglichen. Pakistans damaliger Kapitän Salman Butt wird im November 2011 in London wegen Spielmanipulation und Wettbetrug zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.

2011 - Großer Skandal mit großen Namen in Italien

Landesweite Razzia in Italien, mehr als 50 Partien aus den ersten drei Fußballligen stehen unter Manipulationsverdacht. Betroffen sind zahlreiche Topklubs, darunter US Palermo, Lazio Rom und SSC Neapel. Seit 2010 ermitteln die Behörden. Im Visier der Operation "Last Bet": ein großes Netzwerk aus Funktionären, Profis und Ex-Profis, von denen Giuseppe Signori als ehemaliger Nationalspieler und dreifacher italienischer Torschützenkönig der prominenteste ist. Die Spuren führen auch zu Hintermännern in Singapur, die ein weltweit agierendes Wettsyndikat bilden.

2012 - Ein Handballstar unter Verdacht

Im Mai 2012 gehen ungewöhnlich hohe Wetteinsätze zur Handball-Partie zwischen Montpellier HB und dem abstiegsbedrohten Club Cesson-Rennes ein. Montpellier steht bereits als französischer Meister fest - und verliert überraschend mit 28:31. Anschließend wird mehreren Spielern vorgeworfen, die Partie manipuliert und dadurch Verwandten und Bekannten Wettgewinne ergaunert zu haben. Zu den Angeklagten gehört auch der dreifache Welthandballer Nikola Karabatic, obwohl er und auch sein ebenfalls angeklagter Bruder Luka die Partie gegen Rennes verletzt verpasst haben. Am 1. Februar 2017 verurteilt ein Berufungsgericht die Karabatic-Brüder zu jeweils zwei Monaten Haft auf Bewährung und 10.000 Euro Strafe. Insgesamt spricht das Gericht 15 Angeklagte schuldig. Die Karabatic-Brüder fechten das Urteil an.

2012 - Wettbetrüger Perumal gibt Einblicke

Der kaum kontrollierte asiatischen Wettmarkt, wo sechs- bis siebenstellige Einsätze möglich sind, zieht Wettbetrüger besonders an. Einer von ihnen: Wilson Raj Perumal aus Singapur. 2011 verurteilt ihn ein finnisches Gericht zu zwei Jahren Gefängnis, nach einem Jahr wird er nach Ungarn übergeben. Vor einem Gericht in Budapest gewährt Perumal Einblicke in die Strukturen der asiatischen Syndikate. 2014 veröffentlicht er eine Biografie, in der er behauptet, unter anderem Fußballspiele in der afrikanischen WM-Qualifikation verschoben zu haben - und auch Wettbewerbe bei Olympia 1996 und 2008.

2014 - Ein ehemaliger Boxmanager packt aus

Boxkämpfe sind immer wieder skandalumwittert. Die Show und das große Geld scheinen oft wichtiger zu sein als der sportliche Wettkampf. 2014 geht Charles Farrell an die Öffentlichkeit: Der ehemalige Boxmanager aus den USA spricht auch in dem Dokumentarfilm "Dirty Games" offenherzig davon, hunderte Kämpfe manipuliert zu haben - mit Hilfe von Boxern, Managern und Ringrichtern. Wettgewinne hätten dabei eine große Rolle gespielt.

2016 - Vertuschung im Tennis

Die Tennis Integrity Unit (TIU) soll Korruption im Tennis bekämpfen. Doch sie steht in der Kritik, weil sie namenlose Spieler sperrt und Top-Akteure angeblich schützt. Anfang 2016 erhärten sich die Vermutungen: 16 Spitzenspieler, darunter ein Grand-Slam-Sieger, sollen in einen Betrug mit Spielabsprachen verwickelt sein - und die TIU soll laut Berichten des Onlineportals Buzzfeed und der BBC verdächtige Profis gedeckt haben. Als Kronzeugen dafür präsentieren die Journalisten den ehemaligen Tennisermittler Mark Phillips, der sagt: "Sie haben es versäumt, unsere Ermittlungsergebnisse weiterzuführen. Es wäre eine gute Möglichkeit gewesen, mehr Spieler zu sperren oder anzuklagen."