Es kann jeden treffen: Eine plötzliche Erkrankung oder ein Unfall im Urlaub – schon sind die Ferien schneller vorbei als gedacht. Neben der hoffentlich erfolgreichen Ersten Hilfe tauchen plötzlich Fragen über Fragen auf: Gibt es eine Notrufnummer für deutsche Patienten? Übernimmt die Krankenkasse die Arzt- und Krankenhauskosten? Und: Habe ich einen Anspruch auf einen Krankenrücktransport? 2009 berichtete die Servicezeit über zwei Fälle, bei denen es zu folgenschweren Problemen mit dem ADAC Rücktransport kam.
Wer nicht bereits vor Reiseantritt ausreichende Vorkehrungen für den Notfall getroffen hat, merkt spätestens jetzt, dass er sich hilflos und überfordert in einer Situation befindet, in der es für die Gesundheit durchaus gefährlich werden kann.
Wichtig: Checkliste vor dem Urlaub!
Informieren Sie sich bei Ihrer Krankenkasse, ob Sie für das jeweilige Urlaubsland überhaupt versichert sind, bis zu welcher Höhe die Behandlungskosten übernommen werden und, ob Ihre Krankenkasse auch ärztliche Privatrechnungen erstattet.
- Schließen Sie am besten zusätzlich eine Auslandskrankenversicherung ab, und lesen Sie die Versicherungsbedingungen genau durch.
- In den Versicherungsbedingungen sollte eine möglichst hohe Deckungszusage für die Behandlungs- und Krankenhauskosten unmittelbar nach einem Unfall oder einer Erkrankung garantiert sein. Andernfalls müssen Sie möglicherweise sämtliche Kosten vorstrecken.
- Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse, wer im Notfall Ihr Ansprechpartner ist, und ob es eine rund um die Uhr besetzte Notrufnummer gibt.
- Prüfen Sie, ob Sie für einen Krankenrücktransport versichert sind.
Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen
Außerhalb Europas und in Ländern, mit denen Deutschland kein Sozialversicherungsabkommen hat – wie zum Beispiel die USA, Thailand oder Ägypten –, erstatten die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine medizinische Behandlung nicht. Hat der Patient keine Auslandskrankenversicherung, muss tief in die eigene Tasche greifen.
Immer dabei: Liste mit allen wichtigen Telefonnummern
Notieren Sie sich auf einem jederzeit griffbereiten Zettel folgende Informationen, Telefon- und Versicherungsnummern sowie entsprechende Anlaufstellen:
- Ihren Namen und die Personalausweis- beziehungsweise Reisepassnummer
- Angehörige und Personen, die sofort benachrichtigt werden sollen
- Ihre Blutgruppe
- Name und Telefonnummer Ihres Hausarztes
- Name Ihrer Krankenkasse und Versicherungsnummer
- Notrufnummer Ihrer Krankenkasse
- Ihre Krankenrücktransport-Versicherungsnummer
- Adresse und Telefonnummer der nächstgelegenen Deutschen Botschaft am Urlaubsort
- Name, Ort und Telefonnummer Ihrer Urlaubsunterbringung
Tragische Notfälle: zwei Beispiele
Ferien im italienischen Bozen
Martina M. ist in der 18. Schwangerschaftswoche, als sie mit ihrem Ehemann die Ferien im italienischen Bozen verbringt. Vor der Reise haben sie sämtliche Versicherungen geprüft und für den Notfall alle wichtigen Telefonnummern dabei. Bei einem Spaziergang merkt Martina M. plötzlich, dass sich der Muttermund öffnet. Sie hat Schmerzen und wird als Notfall in ein Krankenhaus eingeliefert. Martinas Mann informiert sofort den ADAC und will seine Frau mit dem Ambulanzdienst des ADAC in ein Krankenhaus nach Deutschland bringen lassen. Beide zahlen beim ADAC seit über 20 Jahren Beiträge für eine Krankenrücktransportversicherung.
Noch am gleichen Tag bekommen die werdenden Eltern die Zusage von der Krankenkasse, dass die Arzt- und Behandlungskosten übernommen werden. Nur vom ADAC hören sie nichts. Erst zwei Tage später erfahren sie, dass der ADAC den Krankentransport frühestens in drei Tagen organisieren kann. Martina M. und ihr Mann sind fassungslos: Sie haben einen Notfall und die „gelben Engel“ brauchen drei Tage, um die Schwangere über die Grenze nach Deutschland zu bringen?
Dann passiert etwas noch Schlimmeres: Bei Martina M. platzt die Fruchtblase, die Schwestern ignorieren eine ärztliche Anweisung – und Martina verliert ihr Kind. Und dann begeht der Arzt, der die Nachsorge bei Martina M. vornimmt, noch einen folgenschweren Fehler, sodass Martina M. nie wieder auf natürlichem Weg ein Kind bekommen kann.
Segeltörn in Kuba
Und noch ein tragisches Beispiel: Der ehemalige Segelweltmeister Frithjof R. bricht während eines Segeltörns in Kuba plötzlich auf dem Schiff zusammen und wird mit einer schweren Lungenentzündung in ein Krankenhaus eingeliefert.
Frithjof R. ist bestens versichert: eine private Krankenversicherung bei der DKV und gleich zwei Krankenrücktransportversicherungen. Auch in diesem Fall übernimmt die Krankenkasse sämtliche medizinischen Kosten. Aber auch in diesem Fall weigert sich sowohl der ADAC, bei dem er für den Krankenrücktransport seit über 40 Jahren Beiträge zahlt, wie auch der Malteser Hilfsdienst, den Kranken mit einem Ambulanzflug nach Deutschland zu fliegen.
Knapp zwei Wochen liegt Frithjof R. mit hohem Fieber orientierungslos im Krankenhaus, sammelt dann noch eine Woche seine Kräfte, bevor er wieder nach Hause fliegen möchte. Seine Frau bittet den ADAC, dass er bei dem Rückflug eine Begleitperson zur Seite gestellt bekommt. Doch auch das lehnt der ADAC ab, weil Frithjof R. angeblich alleine reisen könne. Mit schweren Koffern beladen und wieder auftretendem Fieber macht sich der 67-Jährige auf den Weg zum Flughafen. Auf dem Rückflug bricht er zusammen und hätte damit fast eine Notlandung riskiert. Für die Kosten einer solchen Notlandung hätte er selbst aufkommen müssen.
Anspruch und Wirklichkeit
Mit großem Aufwand und Samaritermythos werben viele Krankenrücktransportversicherer für ihre Leistungen. Scheinbar ist der Krankenrücktransport im schweren Krankheitsfall weltweit selbstverständlich und ohne Probleme gewährleistet. Soweit die Theorie, aber in der Praxis weigern sich die Versicherer nicht selten und lehnen den Rücktransport ab. Wie ist das möglich, zahlen die Versicherten doch ausschließlich für diese Leistung die Beiträge?
Wir fragen Reiserechtsexpertin Gudrun Christensen. Die erklärt uns, dass es keinen generellen Rechtsanspruch auf einen Krankenrücktransport gibt. Genaueres erfährt man, wenn sich die Versicherten das Kleingedruckte in den Vertragsbedingungen genau ansehen: Etliche Versicherungen machen ihre Leistung davon abhängig, ob der Rücktransport „medizinisch notwendig ist“. Was das aber genau heißt, sagen die Versicherer nicht. Sie behaupten im Zweifelsfall einfach, dass der Ambulanzflug medizinisch nicht notwendig sei. Die Juristen sprechen von einem „unbestimmten Rechtsbegriff“. Unbestimmt bedeutet immer, dass es sich um reine Auslegungssache handelt.
Reiserechtsexpertin Gudrun Christens rät: Finger weg von Reiserücktransportversicherungen, wenn im Kleingedruckten „medizinisch notwendig“ steht. Die Reiserücktransportversicherung macht nur Sinn, wenn im Vertrag „medizinisch sinnvoll“ steht!
Anlaufstelle für Notfälle: deutsche Auslandsvertretungen
Die deutschen Auslandsvertretungen, Botschaften, Generalkonsulate und Honorarkonsulate sind in jedem Fall Anlaufstellen für in Not geratene Bundesbürger. Nach Paragraf 5 des Konsulargesetzes sind sie dazu verpflichtet, Bundesbürgern zu helfen. Dazu gehört die Hilfe bei der Arztsuche genauso, wie das Kontaktieren der Angehörigen daheim, die Suche nach einem Dolmetscher oder auch das Anbahnen von Krankentransporten.
Autor: Guido Lauterbach