Fragen an die Regisseurin Bettina Woernle

Stand: 02.11.2016, 16:00 Uhr

Phoenixsee erzählt die Geschichte von zwei Familien. Was unterscheidet die Hansmanns und die Neuraths? Und was verbindet sie?

Die Familien Hansmann und Neurath verbindet zunächst einmal der simple Wunsch aller Menschen: der nach persönlichem Glück. Für die Neuraths und ihre drei Kinder, traditionell verwurzelt im Malocher-Milieu von Dortmund-Hörde, heißt das: ein sicherer Job (besser mehrere!), ein gewachsenes Umfeld mit Freunden, Stammkneipe, Fußballverein und vor allem mit der Familie.

Man lebt seit Jahren in der gleichen gemütlich-engen Wohnung, liebt sich, zofft sich und hält zusammen wie Pech und Schwefel. Und – dank der 'Nebeneinkünfte' von Mike Neurath in Form von Schwarzarbeit – leistet man sich auch mal was, was man sich eigentlich nicht leisten kann – zum Beispiel ein neues Sofa.

Das Glück der Hansmanns scheint augenfällig – für sie selbst und vor allem für alle anderen: Ihre schicke Villa im Bauhausstil steht in vorderster Linie am See. Das Paar ist mit seinen zwei halbwüchsigen Kindern aus Düsseldorf an den Phoenixsee gezogen. Jetzt, wo nach langem Planen, Bauen und Einrichten der Traum wahr geworden ist, soll sich endlich auch das Gefühl "Glück" einstellen. Tut es aber irgendwie nicht – zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse und Sehnsüchte der einzelnen Familienmitglieder. Statt sich zusammenzuraufen, driftet man auseinander.

Wie kreuzen sich die Wege der beiden Familien?

Die Wege der beiden Familien kreuzen sich durch die existenzielle Not, in die jede von ihnen aus sehr unterschiedlichen Gründen gerät: Familie Neurath, weil Mikes jahrelange Schwarzarbeit auffliegt, Familie Hansmann dadurch, dass Birger sich mit dem Erwerb einer Firma unwissentlich das, was man "eine Leiche im Keller" nennt, einen Betrug in Form einer verschleppten Insolvenz, eingehandelt hat. Und als Birger – um seine eigene Haut zu retten – Mike zu riskanten geschäftlichen Aktionen überredet, stehen am Ende beide Männer – und mit ihnen ihre Familien – vor dem Ruin.

Das Thema Arbeit spielt bei beiden Familien eine große Rolle. Gibt es Parallelen, auch wenn die Hansmanns und die Neuraths hier nicht in der gleichen Liga spielen?

Die beiden Frauen – Sybille Neurath und Katharina Hansmann – trennen zunächst tatsächlich Welten: Katharina will in der Bäckerei, in der Sybille hinterm Tresen steht, für die Einweihungsparty ihres Hauses 'Fingerfood' bestellen – das aber gibt es nicht in Dortmund-Hörde. Sybille verkauft ihr stattdessen Mettbrötchen, 'Reviersushi'.

Sybille arbeitet gleich in mehreren schlecht bezahlten Jobs, Katharinas Leben besteht darin, Hausfrau und Mutter zu sein. Aus Sybilles Sicht eine ausgesprochen komfortable Situation. Bald wird deutlich, was die beiden Frauen über die sozialen Grenzen hinweg verbindet: Ihre Männer haben zunehmend existenzielle Probleme – aber sie reden nicht darüber. Zumindest nicht mit ihnen ... Und: Beide Frauen lassen nicht locker, mischen sich ein, bringen – jede auf ihre Weise – ihre Männer dazu, Farbe zu bekennen. Und am Ende kooperieren sie – über alle sozialen Grenzen hinweg.

Die Serie wurde durchgehend mit zwei parallel arbeitenden Kamerateams gedreht. Warum?

Zeit und Geld hat man beim Drehen nie genug. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und mit sehr wenig Technik gearbeitet: kein Kran, keine Dollies und Schienen, keine Steadycam, kaum Lampen. Stattdessen das Know-how des ersten Kameramanns (Tomas Erhart), der genau weiß, wie man mit wenig Licht tolle Stimmungen erzeugt, und zwei Top-Kameramänner (neben Tomas Erhart: Harald Cremer), die sich darauf eingelassen haben, ausschließlich mit der Kamera auf der Schulter zu drehen. Das hat enorm viel Zeit gespart.

Für die Schauspieler war es zunächst anstrengend und irritierend, ständig von zwei Kameras "verfolgt" zu werden. Aber es hat rasch zu großer Konzentration geführt und dazu, dass sie die Kameras mehr oder weniger vergessen haben. Das hat dem von mir intendierten lebendigen, fast dokumentarischen Inszenierungsstil sehr geholfen und im Ergebnis dazu geführt, dass man immer nah an den Figuren und ihren Emotionen bleibt, fast so, als wäre man selbst dabei.