- Sendehinweis: Heimatflimmern | 4. November 2018, 11.45 - 12.30 Uhr | WDR
Technisches und architektonisches Wunderwerk, eine Kathedrale der Industriekultur, die "schönste Zeche der Welt". Und darunter, unter dem 14 Quadratkilometer großen Areal von Zollverein, ein Labyrinth, gewaltig groß und bis in eine Tiefe von 1200 Metern.
Der Förderturm von Schacht XII: das Erkennungszeichen der Zeche Zollverein.
Unsichtbar für den Besucher schlummert eine "Stadt unter der Stadt“, ein unterirdisches Netzwerk von nicht weniger als 120 Kilometern Länge – all das ist die Zeche Zollverein. Die UNESCO entschied im Jahr 2001, die Zeche zusammen mit der riesigen Kokerei Zollverein zum Welterbe der Menschheit zu erklären. Seither und ganz besonders seit die Zeche Zollverein Ankerpunkt des Kulturhauptjahres Ruhr 2010 war, ist das Wahrzeichen im Essener Norden DER Publikumsmagnet des neuen Ruhrgebiets. Jedes Jahr kommen 1,5 Millionen Besucher aus aller Welt hierher in den Essener Norden.
Von der "verbotenen Stadt" zum Publikumsmagneten
Kaum zu glauben, dass Zollverein bis zu seiner Schließung im Jahr 1986 eine "verbotene Stadt" war, hinein kamen nur die Bergleute, für Normalsterbliche war der Zutritt strengstens verboten. Für Theodor Grütter, den Direktor des Ruhrmuseums auf Zollverein, liegt darin der Grund für die heutige Beliebtheit des Areals: "Zollverein ist ein Ort der von außen gesehen immer nur brodelte, krachte und dampfte. Und dieser Ort ist geöffnet worden und wird deshalb so begierig von den Menschen aufgesucht, weil sie hier etwas sehen; diese Gebäude, die eben keine Gebäude sondern Maschinen sind, in die man vorher nie Einblick hatte. Diese verbotene Welt ist faszinierend."
Eitel Mankowski, langjähriger Schmied auf der Zeche und der Kokerei Zollverein.
Heute ist Zollverein ein öffentlicher Ort und dennoch verbergen sich auf dem verwunschenen Areal und hinter den backsteinernen Mauern viele Geheimnisse. Weil die Riesenzeche in Windeseile gebaut werden musste, verwendeten die Architekten Schupp und Kremmer in den zwanziger Jahren nur vier Materialien. Der Architekt Heinrich Böll, der Zollverein für die neue Nutzung als Ort der Industriekultur umgestaltet hat, staunt noch heute darüber: "Stahl, Beton, dann Ziegelstein und Glas - mit diesen vier Materialien haben die Architekten das kleine Pförtnerhäuschen gebaut, vier mal vier mal vier Meter und haben auch die Kohlenwäsche gebaut, 100 Meter mal 30 Meter mal 45 Meter. Das ist schon genial."
Auf wundersame Weise von der Zerstörung verschont
Das Ruhrmuseum in der ehemaligen Kohlenwäsche der Zeche Zollverein.
Es gibt viele offene Fragen zu Zollverein. Wie die Zeche den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstehen konnte, gibt bis heute Rätsel auf. Ulrich Borsdorf, Historiker und Gründungsdirektor des Ruhrmuseums, hat dazu eine eigene Theorie: "Es ist in der Tat verwunderlich, dass Zollverein nicht getroffen wurde. Da kursieren mehrere Gerüchte und eines besagt, dass bei den Vereinigten Stahlwerken eben auch amerikanisches Kapital eingesetzt war. Die Vereinigten Stahlwerke waren Besitzer dieser Hüttenzeche. Und dass es sein könnte, dass aus diesem Grunde nicht bombardiert wurde."
Und dass die Zeche Zollverein bis heute zwei funktionierende Schächte unterhält und in 1000 Metern Tiefe gewaltige Kreiselpumpen rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche Grubenwasser an die Oberfläche pumpen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Ewigkeitsaufgaben des Bergbaus leistet, wissen auch nur die Wenigsten. Denn auch nach der Stilllegung ist die Zeche überlebenswichtig für das Ruhrgebiet.
Ein Weltkulturerbe aus neuer Perspektive
Theo Grütter, der Direktor des Ruhrmuseums auf Zollverein.
All diesen Geheimnissen und weiteren Spuren, die in die spannende Geschichte und in die Gegenwart der Zeche Zollverein führen, geht die Dokumentation Geheimnis Zollverein nach. In atemberaubenden Helikopteraufnahmen haben die Macher einzigartige Eindrücke vom Welterbe Zollverein aus der Luft eingefangen, sind aber auch tief ins Innere der Kohlenwäsche vorgedrungen. Zusammen mit den Erinnerungen und Erzählungen ehemaliger und heutiger "Zollvereiner" entsteht so ein spannendes Bild von Zollverein und seiner Geschichte.
Ein Film von Achim Scheunert
Redaktion: Beate Schlanstein