So richtig scheinen die beiden Häuser nicht in den kleinen Ort Dörentrup zu passen – etwas abseits des Dorfes am Waldrand. Doch viele Spuren führen in eine geheimnisvolle Vergangenheit. Kyrillische Inschriften, Mauerreste und eine alte Eisenbahnbrücke erinnern an ein großes Unternehmen, die „Lippische Thonwarenfabrik“.
Das geheimnisvolle Haus am Waldrand war früher ein Verwaltungsgebäude der Fabrik.
Geblieben sind ein massives Backsteinhaus und eine Villa aus dem Jahre 1908. Von den Fabrikgebäuden in dem kleinen Ort in Ostwestfalen-Lippe ist heute allerdings nichts mehr zu sehen. Nur in den Archiven finden sich noch zahlreiche Hinweise auf die wechselvolle Firmengeschichte.
Ein jüdisches Unternehmen
Die Fabrikanten selbst haben nie in der Villa gewohnt
Besitzer der Fabrik sind zwei jüdische Kaufleute aus dem nahen Lemgo. Wohlangesehene Bürger, die um die Jahrhundertwende in eine Ziegelei investieren. Die Geschäfte laufen gut, doch ein Konkurrenzunternehmen in unmittelbarer Nachbarschaft meldet Ansprüche auf das Tonvorkommen der jüdischen Firma an. Dieser Streit verschärft sich, als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Die jüdischen Besitzer werden zum Verkauf der Firma gedrängt, einige Familienmitglieder können sich ins Ausland retten. Beispielhaft lässt sich in Dörentrup das betrachten, was damals in ganz Deutschland passierte. Die Fabrik aber produziert weiter, denn gerade wegen der Kriegszerstörungen sind die Produkte aus der „Lippischen Thonwarenfabrik“ begehrt.
Eine fast vergessene Epoche
Die alte Eisenbahnbrücke über das Flüsschen Bega.
Nach dem Krieg erhalten die Erben der jüdischen Besitzer die Fabrik zurück. Doch in den 1970er Jahren kommen neue Baumaterialien auf den Markt und so geht die Firma wie viele andere Ziegeleien damals in Konkurs. In den Ruinen der Fabrikhalle spielen Kinder, bis die Gebäude schließlich in einer spektakulären Aktion niedergebrannt werden. Heute sind die ehemalige Direktorenvilla und das Verwaltungsgebäude die letzten Zeugen einer fast vergessenen Epoche westfälischer Industriegeschichte.
Der Wandel wird sichtbar
Früher wurden hier Dachpfannen und Drainagerohre hergestellt.
Autorin Heike Nikolaus hat die Spuren ausgewertet, mit Zeitzeugen und den heutigen Eigentümern der Häuser gesprochen. Der Film rekonstruiert auch mit Hilfe aufwändiger Computeranimationen, historischer Baupläne und Fotos die eindrucksvolle Geschichte der Tonfabrik. Der Wandel der Häuser und des gesamten Geländes werden so für den Zuschauer sichtbar.
Die Dokumentation „Geheimnisse einer alten Tonfabrik“ ist der zweite Teil der neuen Reihe „Häuser mit Vergangenheit“.
Ein Film von Heike Nikolaus
Redaktion: Gudrun Wolter und Adrian Lehnigk