Einmal selbst Regisseur sein und einen Kurzfilm drehen – diesem Aufruf des Westdeutschen Rundfunks im Sommer 2014 folgten hunderte Menschen aus Nordrhein-Westfalen. Im Herbst sichteten Regisseurin Luzia Schmid und Cutter Rudi Heinen wochenlang unzählige Stunden Material, trafen eine Videoauswahl und montierten diese zu einem 60-minütigen Film. Und am 23. April 2015 war es endlich so weit: Die Dokumentation "Deine Arbeit, Dein Leben!" war auf der großen Leinwand im Filmforum des Museum Ludwig in Köln zu sehen.
Im Publikum: 170 Zuschauer aus ganz NRW, viele davon selbst "Filmemacher", die eigene Videos eingeschickt hatten. Einer der Protagonisten ist "Robo-Doc" Gerd Zech aus Pulheim, der in einer Autofabrik die Elektronik der Roboter in Stand hält. Er hat aus einem ganz bestimmten Grund teilgenommen: "Viele Leute wissen nicht, wie meine Arbeit aussieht. Ich möchte mit meinem Film vor allem die jungen Leute ansprechen, damit sie einen Eindruck von meinem Job bekommen." Zur Premiere hat er seinen Sohn Christian mitgebracht, der bei der selben Firma tätig ist. "Ich bin extrem stolz auf meinen Vater. Toll, dass er an dem Projekt teilgenommen hat", so der 25-Jährige.
Er wollte jungen Menschen seine Arbeit zeigen: "Robo-Doc" Gerd Zech aus Pulheim.
Ein bunter Film, der Gemeinsamkeiten zeigt
Die Doku kommt aber keineswegs als schwerfällige Sozialstudie daher, sondern zeigt auf einfühlsame Art, wie die Protagonisten arbeiten und womit sie zu kämpfen haben. Manchmal ist Lachen eben der beste Weg, um sich auch schwierigeren Themen anzunähern. Der einsame Doktorand, der im Laufe des Films immer wieder grübelnd an seinem Schreibtisch zu sehen ist, sorgte wegen seiner selbstironischen Kommentare immer wieder für Beifall im Publikum. Auch Kunstvermittlerin Klement hatte die Lacher auf ihrer Seite, als sie in der Schnellfassung bildlich demonstriert, worin ihr Job eigentlich besteht.
Ein schweres Thema - ohne Moralkeule präsentiert
Nachdenkliche Stimmung kam schließlich auf, als Lkw-Fahrer Dieter Haupt aus Bocholt beklagte, dass ihm seine Rente nicht zum Leben reicht. Deshalb sehe er sich gezwungen, auch weiterhin Nachschichten zu übernehmen. "Wenn ich so viel hätte, dass ich gut und vernünftig leben kann und noch mein Auto fahren dürfte, würde ich direkt aufhören", erzählt der 77-Jährige im Film.
Premierengäste: LKW-Fahrer Dieter Haupt und Elefantenpflegerin Vanessa Hagedorn mit der Regisseurin Luzia Schmid (m.)
Neben ihm versammelten sich auch Feuerwehrleute, eine Elefantenpflegerin, ein IT-Techniker und viele mehr im Kino. So kam ein bunt gemischtes Publikum zusammen, das sich in seinen Jobs sehr unterscheidet, aber in genau diesen auch viele Gemeinsamkeiten hat: "Mir wurde auf einmal bewusst, dass es vielen Leuten ähnlich geht. Oft hat man das Gefühl, dass man selbst viel mehr arbeitet als die Anderen oder es viel schwerer hat. Der Film hat aber gezeigt, wie viele Leute es allein in NRW gibt, die tagtäglich sehr lange und hart arbeiten", resümierte die Kölner Kunstvermittlerin Sabine Klement nach dem Screening.
Bühnen- und Kostümbildnerin Alexandra Tivig: Ihr gefiel die gute Mischung von sozialkritischen Problemen und lustigen Szenen.
Was ist der gerechte Lohn? Dieser Frage geht die Dokumentation unterschwellig immer wieder nach. Genau dieser subtile Aspekt gefiel Bühnen- und Kostümbildnerin Alexandra Tivig, die an der Kölner Oper arbeitet: "Die Regisseurin Luzia Schmid hat es geschafft, mit dem Finger auf die entscheidenden Dinge zu zeigen und sie im genau richtigen Maße darzustellen. Die Doku ist eine gute Mischung aus sozialkritischen Problemen und lustigen Szenen." Ähnlich empfand es Sabine Klement: "Die Frage nach der Gerechtigkeit zieht sich durch den ganzen Filmen. Die Regisseurin hat aber nicht die moralische Keule herausgeholt, sondern hat es so geschnitten, dass er berührt."
Das Hörspiel "Deine Arbeit, Dein Leben – Probezeit"
Neben der Dokumentation ist auch ein Hörspiel entstanden, das am 1. Mai 2015 um 23:05 Uhr auf WDR 3 und 1Live lief. Im Gegensatz zum Film kommentieren hier ein Wirtschaftswissenschaftler und zwei Soziologen die Arbeit der Protagonisten. "Dadurch, dass wir noch eine andere Ebene miteinbezogen haben, ist eine spannende Dialektik entstanden, die es so nicht im Film gibt", erklärt die Redakteurin Martina Müller-Wallraf.