Abgas-Skandal
Wie die Autolobby ihre Macht ausübt
Stand: 30.09.2015, 16:00 Uhr
Man kennt sich in Brüssel, davon ist auszugehen. Mit alleine 43 Lobbyisten versucht Volkswagen dort, Einfluss auf politische Entscheidungen in der EU zu nehmen. Was dahinter steckt und warum gerade die Autolobby so mächtig ist, erklären wir hier.
Wie funktioniert Lobbyarbeit im Allgemeinen?
Generell ist es der Versuch, direkt auf Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung einzuwirken. Der Begriff leitet sich vom englischen Lobby ab, also der Vorhalle eines Parlaments. Dort trafen in früheren Zeiten Vertreter verschiedener Interessengruppen die Politiker und konnten direkt auf sie einreden und einwirken. Heutzutage wird über die Pflege persönlicher Verbindungen oder über Öffentlichkeitsarbeit Einfluss genommen, sei es von Interessengruppen, Nichtregierungsorganisationen oder Gewerkschaften. Lobbyisten führen ihre Tätigkeit im Auftrag eines Dritten aus, also eines Autokonzerns beispielsweise. Kritiker bezeichnen sie oft als wahre Strippenzieher in der Politik.
Warum ist die Autolobby so einflussreich?
"Die Autolobby ist sowohl in Berlin als auch in Brüssel sehr mächtig. Sie arbeitet auch international und setzt sehr erfolgreich über unterschiedliche Einflusskanäle ihre Interessen durch", sagt Max Bank von LobbyControl, einem gemeinnützigen Verein, der nach eigener Aussage "über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären will". So beschäftige Volkswagen alleine 43 Lobbyisten in Brüssel - so viele, wie sonst kein Autokonzern. Rund 3,3 Millionen Euro kostet das im Jahr. 2014 gaben Automobilkonzerne und ihre Verbände mehr als 18 Millionen Euro für Lobbyarbeit in Brüssel aus.
Entsprechend ihrer Ausgaben in Brüssel haben die Autohersteller laut Informationen von LobbyControl auch besonders guten Zugang zur EU-Kommission. Auch in den Beratergruppen der EU-Kommission, den sogenannten Expertengruppen, säßen zahlreiche Lobbyisten der Automobilindustrie. Dort werden oft Gesetzgebungsprozesse auf europäischer Ebene vorbereitet. Interessant wird es dann, wenn Politiker auf die andere Seite wechseln - so wie der ehemalige Verkehrsminister Matthias Wissmann, heute Präsident des Branchenverbandes VDA. Mit dem Vorwurf der großen Kumpanei zwischen Automobilindustrie und Politik konfrontiert, antwortete Verkehrsminister Alexander Dobrindt schlicht: "Quatsch!"
Welche Ziele hat die Autolobby jüngst erreicht?
In Berlin zieht der Branchenverband VDA seine Fäden, in Brüssel der europäische Verband Acea: einflussreiche Interessen. Nach einem Bericht des britischen "Guardian" sollen die Regierungen einzelner Staaten sogar versucht haben, die EU-Kommission zum Offenhalten von Schlupflöchern bei Abgastests zu drängen. Nach Informationen von LobbyControl versuchen VW, BMW und Daimler bereits seit Jahren, strengere Umweltstandards in der Europäischen Union zu verhindern. "Deutschland ist angewiesen auf weltweiten Export, deshalb vertritt die Bundesregierung auch die Interessen der Autohersteller", sagt Max Bank von LobbyControl.
Eine entsprechende EU-Verordnung zur Verminderung von CO2-Emissionen schrieb Deutschland eigentlich schon 2007 vor, Sanktionen für die Autobauer festzulegen, die Prüfergebnisse verfälschen oder Abschalteinrichtungen verwenden. Bis 2009 hätte Deutschland Zeit dazu gehabt, diese Verordnung umzusetzen. Passiert sei bis heute nichts, sagt Max Bank. "Ein weiteres Beispiel für Blockadepolitik der deutschen Bundespolitik ist, dass sie ein Verbot solcher Manipulationssoftware im deutschen Recht nicht umgesetzt hat. 2007 ist das bereits von EU-Seite verordnet worden. Bisher weigert sich die deutsche Bundesregierung, das umzusetzen."