Seid ihr mit mehr Kameras wirklich sicherer?
Stand: 01.03.2016, 21:56 Uhr
Nach den Ereignissen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht folgten schnell Rufe nach mehr Videoüberwachung. Viele Städte reagieren - vielleicht reflexhaft? Bringen mehr Kameras tatsächlich mehr Sicherheit?
Von Ulrike Wolff
1. Mehr Geld für Videoüberwachung
5,5 Millionen Euro - so viel will sich das Land den Ausbau der Videoüberwachung kosten lassen. Das ist eine Reaktion auf die Übergriffe auf Frauen in Köln in der Silvesternacht. Am Donnerstag (03.03.2016) entscheidet der Landtag. Nach jedem Vorfall, nach jedem - auch nur versuchten - Anschlag bei uns oder im Ausland, werden Rufe nach mehr Überwachung laut.
2. Bürger fordern mehr Kameras
Der ARD-Deutschlandtrend für Januar zeigte eine deutliche Stimmungslage: 82 Prozent der Bürger sprachen sich für eine Ausweitung der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen aus. Bei den befragten Frauen lag der Anteil mit 88 Prozent noch höher.
Statt auf mehr Kameras setzt Aktuelle Stunde-Zuschauer Elmar Kleibrink auf mehr Personal: "Polizisten zu Fuß, wie früher, können mehr erreichen. Hier verdienen wieder nur die Hersteller und Verkäufer", schreibt er uns auf Facebook. Das sieht auch Patrick Schiffer so: "Ich lehne diese furchtbar überflüssige Fehlinvestition entschieden ab. Mehr und besser ausgebildete Polizisten braucht NRW."
3. Videobeobachtung oder Videoüberwachung
Gute Erfahrungen hat die Polizei in Mönchengladbach bisher mit der so genannten Videobeobachtung in der Altstadt gemacht. "Das hat vor allem dafür gesorgt, dass die Zahl der Gewaltdelikte zurückgegangen ist", sagt Thomas Krüger von der Polizei Mönchengladbach. Videobeobachtung bedeutet, dass jemand die Aufzeichnung live mitschaut und Polizei in der Nähe ist und im Ernstfall sofort eingreifen kann. Bei der Überwachung werden die Aufzeichnugen ausgewertet, nachdem etwas geschehen ist. Der einzige andere öffentliche Raum, den die Polizei in NRW aktuell mit Kameras beobachtet, ist die Düsseldorfer Altstadt.
User "René Helge H" findet mehr Videoüberwachung "grundsätzlich gut". Auf der Facebook-Seite der Aktuellen Stunde schreibt er aber auch: "Sorgt nicht für Sicherheit aber für mehr Aufklärung."
4. Verunsicherte Bürger sind zu vielem bereit
Die Datenschutzbeauftragte des Landes, Helga Block, ist besorgt: "Gerade in Zeiten der Verunsicherung und der Sorge um die innere Sicherheit sehe ich die Gefahr, dass die Freiheitsrechte der Bürger ins Hintertreffen geraten." Mit dieser Sorge ist sie nicht allein, und diese persönlichen Einschränkungen sind auch nicht die einzigen Bedenken, die Zweifler und Gegner umtreiben. Zeit-Redakteur Kai Biermann schreibt etwa: "Staatliche und private Überwacher wollen jeden jederzeit erkennen und wiederfinden können – aus Bequemlichkeit, um Geld für Personal und Prävention zu sparen, um Ängste zu beschwichtigen." Überhaupt ist der Nutzen von Videoüberwachung für mehr Sicherheit umstritten.
Ob Videoüberwachung tatsächlich die Sicherheit erhöht, bezweifeln auch einige unserer User. Auf der Facebook-Seite der Aktuellen Stunde schreibt etwa Roland Gratopp: "13.000 und mehr Kameras in Paris können auch nicht für Sicherheit sorgen... Wer Freiheit zur Erhöhung der Sicherheit einschränkt, wird am Ende beides verlieren." Hazimun Ahraar zieht Parallelen zu England: "Das gleiche gibt's doch schon in England mit den BigBrother Cameras an jeder Ecke. Am Ende bringt es nicht viel..." Und Udo Kasprzak denkt an frühere Zeiten: "Eine Kamera schützt keine Opfer. Wir werden immer mehr zum Überwachungsstaat - die DDR lässt grüßen."
5. Polizei befürwortet Kameras an Brennpunkten
Seit Jahren wünsche sich die Polzei mehr Kameras, so Polizeigewerkschaftssprecher Rainer Wendt im WDR-Interview nach der Silvesternacht. Er sei verwundert darüber, dass man immer erst solche Opfer und solche Szenarien brauche, bis man zu vernünftigen politischen Entscheidungen komme. Neben der Polizei sind es auch Geschäftsinhaber an möglichen Brennpunkten, die sich von mehr Kameras auch mehr Sicherheit erhoffen.
6. "Wer nichts zu verbergen hat ..."
"Wer nichts zu verbergen hat, den sollte das nicht stören", schreibt uns Guido Schwidder auf Facebook und erntet gleich einen Link zum Amnesty Blog "7 Gründe, weshalb "Ich habe nichts zu verbergen" die falsche Reaktion auf Massenüberwachung ist". Guido Schwidder bleibt dabei und bekommt Unterstützung von Gabi Akwara: "Muss ich dir Recht geben, Guido. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht darüber zu ärgern." Michael Radke sieht das ähnlich. Er schreibt uns: "Von mir aus kann man die Stadt damit zupflastern. Wenn es Täter abschreckt, reicht das schon. Wer nicht zu verbergen hat, braucht sich keine Gedanken zu machen." Und Marco Holter schreibt: "Ich habe nichts zu verbergen. Von mir aus können mir alle Polizisten dabei zusehen, wenn ich irgendwo langgehe. Wird nur eine Straftat durch die Überwachung verhindert, ist das schon genug Rechtfertigung dafür."
7. Überwachungstechnik braucht auch Personal
Gedanken ganz praktischer Art macht sich Walter Tönnies in seinem Facebook-Kommentar auf der Aktuelle Stunde-Seite: "Es bringt überhaupt nichts, noch mehr Kameras zu installieren. Wer soll diese denn bitteschön bedienen? Dahinter muss ein Mensch stehen, der die Technik bedient, aufzeichnet und liefert, damit die Bilder von den Ordnungshütern ausgewertet und vor Gericht verwertet werden können. Dazu kommt noch, dass die Technik gewartet und gepflegt werden muss. Die Linsen müssen permanent vom Schmutz befreit werden, da die Täter sonst nicht zu erkennen sind. Man will hier überhaupt keine Leute mehr dafür einstellen. Die Kosten nur unnötig viel Geld."
Noch einen anderen Aspekt sieht Aktuelle Stunde-Zuschauer Dirk Leyen: "Sich über sichtbare Kameras aufregen? Warum? Viel schlimmer ist doch, dass die Technik heute so weit ist, jeden von uns beobachten zu können, ohne dass wir es mitbekommen oder damit rechnen! Ich möchte nicht wissen, wie viele Kameras verbaut sind, von denen niemand etwas weiß und die gesetzeswidrig betrieben werden! Darüber würde ich mir viel eher Gedanken machen!"