Tödliche Zugunglücke

Vorsicht an Bahnübergängen!

Stand: 06.11.2015, 10:40 Uhr

  • Zwei Tote bei Zugunglück in der Oberpfalz
  • Zug rast Bahnübergang in Schwertransporter
  • Etwa 40 Tote bei Zusammenstöße an Bahnübergängen im Jahr

Nach ersten Ermittlungen war der Tieflader am Bahnübergang in Freihung stecken geblieben. Der herannahende Regionalzug konnte nicht mehr bremsen. Der Zug habe den Transporter etwa 300 bis 400 Meter vor sich hergeschoben, sagte ein Polizeisprecher. Der Lastwagen steckte zunächst noch unter dem Zug fest. Der vordere Teil des Zugs wurde durch den Aufprall zertrümmert. Die Lokführerkabine und der Führerstand des Lastwagens brannten aus.

Bei den Toten handelt es sich um den Zugführer und den Lastwagenfahrer. Die Leiche des Zugführers wurde erst Stunden nach dem Unglück aus den Trümmern geborgen. Der Lkw-Beifahrer wurde nur leicht verletzt und wurde noch am frühen Morgen zum Hergang befragt. Die Polizei geht davon aus, dass von den etwa 40 Zugpassagieren niemand mehr unter den Trümmern liegt.

40 Tote an Bahnübergängen im Jahr

Ob mit oder ohne Schranken: Bahnübergänge sind gefährlich, wie der tödliche Unfall in Oberfranken jetzt wieder gezeigt hat. Etwa 40 Tote zählt die Bahn pro Jahr bundesweit auf Bahnübergängen. Die Chronologie der tödlichen Unfälle allein in diesem Jahr:

  • September 2015: Fünf junge Männer sterben, als ein Regionalzug auf einem Bahnübergang bei Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) in ihr Auto rast. Nach Angaben der Ermittler waren die Halbschranken geschlossen.
  • Mai 2015: Als ein Gülletransporter bei Ibbenbüren bei Osnabrück einen Bahnübergang überquert, löst sich der Anhänger und bleibt auf den Gleisen stehen. Eine Regionalbahn rammt ihn. Bilanz: zwei Tote.
  • Mai 2015: Auf einem unbeschrankten Bahnübergang in Schleswig-Holstein rammt ein Regionalzug das Auto einer Familie aus Hamburg. Ein fünf Jahre alter Junge kommt ums Leben.
  • April 2015: Zwei 14 und 15 Jahre alte Schwestern sterben in Baden-Württemberg, als ein Regionalzug auf einem unbeschrankten Bahnübergang den Wagen ihrer Mutter erfasst.
  • Februar 2015: Mit einem technischen Defekt bleibt in Niedersachsen ein Traktor mit Gülle-Anhänger auf einem beschrankten Bahnübergang stehen. Ein Autozug rammt das Gespann, der Fahrer kommt ums Leben.
  • Januar 2015. Trotz geschlossener Halbschranken betritt in Rudolstadt (Thüringen) ein 62-Jähriger den Bahnübergang. Ein ICE überrollt und tötet ihn.

Im vergangenen Jahr war die Gesamtzahl der Unfälle an Übergängen laut Unfalluntersuchungsstelle des Bundes um 22 auf 172 angestiegen. In den Jahren zuvor dagegen war die Zahl der Toten parallel zur Zahl der überhaupt noch existierenden Kreuzungen immer leicht gesunken. "Wir arbeiten mit Nachdruck daran, die Zahl der Bahnübergänge zu reduzieren", teilte die Deutsche Bahn im Oktober (07.10.2015) auf WDR-Anfrage mit. Bei neuen Strecken sind ohnehin nur noch Brücken und Unterquerungen zulässig.

Bahnbundesamt sieht Mängel bei Sicherheitsanforderungen

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat der Deutschen Bahn wiederholt "schwerwiegende Verletzungen von Sicherheitsanforderungen" nachgewiesen, berichtete der SWR Ende September in seiner Doku "betrifft: Anschluss verpasst - Die Bahn und die Kunden". So lägen eklatante Sicherheitsmängel unter anderem an einzelnen Bahnübergängen, Brücken und in Bahnhöfen vor. Im Bahnhof Köln-Mülheim stellten die Beamten beispielsweise gefährliche "Fehlfunktionen von Sicherungsanlagen" fest.

SWR-Doku: Sicherheitsmängel bei der Bahn

Halbschranken verleiten zum Überqueren

Häufigste Ursache für die Zusammenstöße ist allerdings leichtsinniges Verhalten wie die Missachtung der Vorfahrt des Bahnverkehrs oder durch das Umfahren von Halbschranken: Laut Bahn sind rund 90 Prozent aller Unfälle darauf zurückzuführen, dass ein Autofahrer glaubt, er schaffe es noch rechtzeitig vor der herannahenden Bahn. Vor allem die mit Halbschranken gebauten Kreuzungen verleiten dazu. Eigentlich dienen Halbschranken dem besseren Verkehrsfluss, weil die Autos, Radfahrer oder Fußgänger die Gleise bei geschlossener Schranke noch verlassen können. "Die Sperr- und Wartezeiten am Bahnübergang sind geringer als bei der Vollschranke", heißt es von der Deutschen Bahn. "Ungeachtet der Bemühungen, Bahnübergänge zu beseitigen, betreiben wir seit Jahren intensive Aufklärungsarbeit, um Unfälle von vornherein auszuschließen", sagt eine Sprecherin. Zum Beispiel mit dem ADAC, der Bundespolizei und zwei gesetzlichen Unfallversicherungen. Das scheint nach wie vor nötig zu sein.

Autofahrer übersah herankommenden Zug

Erst Ende September hatte ein Autofahrer im Kreis Vechta einen herannahenden Zug übersehen und war auf die Gleise gefahren. Sein Wagen wurde vom Zug erfasst und in einen Graben geschleudert, er und sein Sohn wurden leicht verletzt. In der Nähe von Rostock war tags zuvor ein Auto auf einem unbeschrankten Bahnübergang von einem Regionalzug erfasst worden, die Fahrerin kam dabei ums Leben. Und nach dem Zusammenstoß eines Zuges mit einem Schulbus Mitte September in Buxtehude ist noch offen, wie es genau zu dem Unglück kommen konnte. Der Bus saß wegen eines blockierten Gelenks auf dem Bahnübergang fest, 60 Schüler konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Bei ihrer Konferenz am Donnerstag (08.10.2015) und Freitag wollen die Landes-Verkehrsminister auch über bundesweite Konsequenzen aus derartigen Unfällen sprechen. "Ich will vom Bund als Eigentümer der Gleisanlagen der Deutschen Bahn wissen, wie er damit umgeht, dass Bahnübergänge oft nur Halbschranken haben", sagte der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Mitte September waren in seinem Bundesland fünf Menschen bei einem Unfall auf einem Bahnübergang bei Bad Kreuznach gestorben.