Was Türkei-Urlauber jetzt erwartet

Stand: 19.07.2016, 12:00 Uhr

Viele Urlauber sind nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei verunsichert. Unsere Reporter Thomas Görger und Damla Hekimoğlu sind nach Antalya geflogen und haben erlebt: So weit weg ist der Konflikt nicht von den Badeorten an der türkischen Riviera.

Die Badeorte an der türkischen Riviera am Mittelmeer liegen weit weg von den Zentren des Putschversuchs in Istanbul und Ankara. Zumindest geografisch. Doch auch in Antalya versammeln sich Menschen, um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu unterstützen. Unsere Reporter Thomas Görger und Damla Hekimoğlu waren am Sonntagabend (17.07.2016) bei einer Demonstration gegen den Putschversuch in Antalya dabei. Sie berichteten von hunderten von Flaggen, von Autokorsi und Reden. "Wiederholte Allahu Akbar-Rufe im Chor", schreibt Damla Hekimoğlu auf Twitter. Vereinzelte Stimmen hätten die Einführung der Todesstrafe in der Türkei gefordert, berichtet sie. "Ihr werdet sterben!" schrie ein Demonstrant den Gegners Erdoğans zu.

Urlauber an der türkischen Riviera: "Die Stimmung ist gedrückt"

Nur 50 Kilometer weiter östlich verbringt Hans-Jörg Bangel die Sommertage mit seiner Familie in Side. Vorzeitig zurückreisen wollen sie nicht. "Wir fühlen uns sehr sicher hier", sagt er. Trotzdem spüren die Urlauber die Spannungen im Land. Nach dem Putschversuch sei es ruhiger geworden im Hotel, berichtet seine Frau Simone Bangel. Das Paar kommt aus Voerde am Niederrhein. "Die Stimmung ist gedrückt."

Stornierungen und Umbuchungen sind möglich

Die meisten Reiseveranstalter bieten Türkei-Urlaubern kostenlose Umbuchungen und Stornierungen an. Das berichtete der Deutsche Reiseverband (DRV). Das Angebot würden nach Angaben der TUI, einer der weltweit größten Reiseveranstalter, jedoch nur wenige Touristen nutzen. "Es geht wirklich alles seinen gewohnten Gang", sagte eine Sprecherin des weltgrößten Reisekonzerns Tui am Montag (18.07.2016) in Hannover. "Aus Urlauber-Sicht herrscht Normalität", meint auch ein Sprecher der Thomas-Cook-Gruppe (Neckermann, Öger, Thomas Cook, Condor). Die große Mehrheit der Urlauber sei auch nach dem Putschversuch in die Türkei geflogen. Die Tagesausflüge aus den Hotels heraus zu Sehenswürdigkeiten laufen nach Angaben der Veranstalter wie gehabt. Diese Angebote nutzen wie gewohnt hunderte Touristen täglich, Absagen gebe es kaum, sagte die TUI-Sprecherin. Auch Umbuchungs- oder Stornierungswünsche für anstehende Türkeireisen gebe es nur "ganz vereinzelt".

Nur wenige Rückreisewünsche bei Touristen in der Türkei

Nur rund 30 Rückreisewünsche seien seit Beginn des Putschversuchs geäußert worden - bei etwa 18.000 TUI-Gästen, die sich zurzeit in der Türkei befinden, sagte die Sprecherin des Reisekonzerns am Sonntag (17.07.2016) in Hannover. "Die Lage ist absolut ruhig. Wer hin will, kommt hin, wer zurück will, kommt zurück", erklärte sie. Die Badeorte an den Küsten würden sich weit weg befinden von den politischen Brennpunkten in Istanbul und Ankara. Wer einmal da ist, bleibt. "Alles verläuft normal hier. Dafür liegt Side zu weit weg", bestätigt Jörg Bendix, der mit seinen Kindern aus Thüringen angereist ist.

Auswärtiges Amt: Keine Kritik an Erdoğan in der Öffentlichkeit

Auch eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt es nicht. Das Amt rät in Istanbul und Ankara zu besonderer Vorsicht auf öffentlichen Plätzen und bei Menschenansammlungen. Im Zweifelsfall sollen sich Urlauber in sichere Wohnungen oder Hotels zurückziehen. Nur von Reisen ins türkisch-syrische und türkisch-irakische Grenzgebiet rät das Auswärtige Amt dringend ab. "Aus anderen Teilen des Landes, insbesondere von der Mittelmeerküste, wurden keine besonderen Ereignisse gemeldet", heißt es am Montagmittag (18.07.2016) auf der Homepage.

Das Auswärtige Amt betont zudem seit 2007 wie gefährlich öffentliche Kritik an Erdoğan oder der Türkei für Touristen werden kann. "Es wird dringend davon abgeraten, in der Öffentlichkeit politische Äußerungen gegen den türkischen Staat zu machen." Vor dem Putschversuch liefen in der Türkei rund 2.000 Verfahren gegen Erdoğan-Kritiker.

Dramatischer Rückgang der Buchungen bereits im Februar

"Richtig voll ist es nicht am Strand von Side, viele Liegestühle sind leer", beobachtet dagegen unser Reporter Thomas Görger mitten in der Hauptsaison. Viele Touristen hatten erst gar keinen Urlaub in dem Land am Bosporus gebucht: Einen dramatischen Rückgang bei den Buchungen hatte es bereits im Februar diesen Jahres gegeben. Damals hatte der TUI-Chef Fritz Joussen einen Buchungseinbruch von rund 40 Prozent bei den Türkeireisen verkünden müssen. Im Januar waren bei einem Anschlag in der Istanbuler Altstadt zwölf Touristen, die meisten Deutsche, gestorben. Im Juni 2016 starben weitere 45 Menschen bei einem Anschlag am Flughafen von Istanbul.

Inzwischen hat sich der Flugverkehr zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei normalisiert, nur noch wenige Flüge sind nach Angaben der NRW-Flughäfen gestrichen. Auch viele Fluggesellschaften bieten kostenlose Umbuchungen und Stornierungen an, zum Beispiel AirBerlin bis zum 20. Juli 2016.

Auch Kreuzfahrtschiffe meiden die Türkei

Viele Kreuzfahrtschiffe legen schon seit Monaten nicht mehr in der Türkei an, vor allem nicht in Istanbul. Das betrifft Aida Cruises, die Norwegian Cruise Line und den Anbieter MSC. TUI Cruises will Istanbul frühestens im Oktober diesen Jahres wieder anfahren.

Im Jahr 2015 lag die Türkei bei den beliebtesten Reisezielen der TUI-Touristen im Ausland noch auf Platz drei. Damals reisten zwei Millionen Menschen mit der Tui in die Türkei. In diesem Jahr könnten es nur etwa einen Million sein. Möglicherweise ein Grund für die wenigen Abreise-Wünsche: "Um wegzufahren muss man erstmal gekommen sein", sagt unser Reporter Thomas Görger.