Festung Flughafen - sind dann alle zufrieden?
Stand: 31.03.2016, 19:13 Uhr
Müssen wir uns künftig schon am Eingang zum Flughafen durchleuchten lassen? Seit den Anschlägen in Brüssel wird genau das diskutiert, am Donnerstag (31.03.2016) beraten in Brüssel auch EU-Experten darüber. Die Frage ist aber: Können wir Flughäfen überhaupt absolut schützen - und um welchen Preis?
Von Sabine Schmitt
Es war am Dienstagmorgen (22.03.2016), als sich am Brüsseler Flughafen Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt haben. Bei dem Anschlag in der Eingangshalle des Flughafens wurden mindestens elf Menschen getötet und zahlreiche verletzt. Seitdem wird viel über die Sicherheit an europäischen Flughäfen diskutiert, an Flughäfen und bei einer Sicherheitskonferenz. Was ist möglich? Was macht Sinn? Fünf Thesen zur Debatte.
1. Vor der Tür ist keine Lösung
Düsseldorf, Köln, Brüssel, London, Paris. Europäische Flughäfen waren bislang frei zugänglich. Jeder, der die Abfertigungs-Hallen mit den Check-In-Schaltern betreten wollte, konnte das ungehindert tun. Sicherheits-Überprüfungen am Eingang gab es nicht - bisher. Jetzt, nach den Anschlägen von Brüssel, wird genau das diskutiert. Aber was bringt das außer Schlangen vor der Tür? Kritiker sagen: nichts. Wenn sich an den Eingangstüren wegen der Kontrollen Menschen-Trauben bilden, würden die Terroristen demnächst eben dort zuschlagen. Das ist keine Lösung, sondern nur eine Verlagerung des Problems, sagt etwa der Sicherheitsexperte Jörg Trauboth.
2. Rassismus hilft auch nicht weiter
In anderen Ländern wie Israel oder den USA greifen Sicherheitskräfte auf eine Praxis zurück, die als Racial Profiling bekannt ist. Personen werden dabei einzig anhand ihres Aussehens, Religion, Nationalität oder Geschlecht als verdächtig eingestuft. In den USA wird immer wieder diskutiert, inwieweit das überhaupt verfassungskonform ist - oder eben einfach nur rassistisch.
Dazu kommt: Ist Prävention, wie sie etwa Mimoun Berrissoun betreibt, nicht die bessere Alternative im Kampf gegen den Terror? Berrissoun leitet das Kölner Projekt 180-Grad-Wende. Sein Ziel: Junge Muslime vor islamistischer Radikalisierung bewahren. Dabei beschäftigt er sich auch mit Biografien von Radikalisierten und Attentätern - und ihrem Bezug zur Religion. Letzterer, so sagt er, fehle: Attentäter seien religiöse Analphabeten.
3. Sicherheitsleute austauschen - vielleicht?
Die Fluggastkontrolle liegt seit 1992 in den Händen privater Unternehmen. Die Bundespolizei hat keine direkte Möglichkeit, deren Mitarbeiter zu überprüfen - auf den Stand ihrer Ausbildung und auf ihre Zuverlässigkeit. Arnd Krummen von der Gewerkschaft der Bundespolizei sieht da Defizite, was die Sicherheit unserer Flughäfen angeht. Die Sorge ist nicht unbegründet: In der Gepäckabfertigung des Düsseldorfer Flughafens etwa arbeitete 2014 ein radikaler Salafist. Der hatte die Sicherheitsüberprüfung durch die Bezirksregierung und seine Firma bestanden - obwohl er in der behördenbekanten Wuppertaler Salfistenmoschee verkehrte und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn lief.
Passagierkontrollen an Flughäfen sollen nur noch von Bundespolizisten durchgeführt werden. Das fordert deshalb jetzt die Gewerkschaft der Polizei, nur so könne die Flugsicherheit gewährleistet werden. Aber nicht alle Experten stimmen dem zu. Die Kollegen von WDR.de haben sich mit dem Streit beschäftigt.
4. Dann trifft es eben den Marktplatz
Bei der Diskussion um die Sicherheit von Flughäfen geht es eigentlich um viel grundsätzlichere Fragen: Welchen Wert hat unsere Freiheit? Welchen Wert hat unsere Sicherheit? Wie viel Kontrolle wollen wir? Sind wir doch mal ehrlich. Wenn unsere Flughäfen so sicher wären wie eine Festung: Wären wir dann zufrieden? Wohl kaum. Es geht doch auch hier nur um eine Verlagerung. Terroristen, die uns treffen wollen, suchen sich neue Ziele. Dann trifft es uns nicht am Flughafen, sondern auf dem Marktplatz. Oder am Bahnhof. Oder im Kino. Oder auf der Kirmes.
"Soll man sich (...) überall durchleuchten und kontrollieren lassen? Was bleibt dann von unserem Leben noch übrig?", fragt Sven Stursberg auf der Facebook-Seite der Aktuellen Stunde. Andreas Reichel schreibt: "(...) erst sind es Flughäfen, dann Bahnhöfe und zuletzt Einkaufszentren, wo sollen die Kontrollen enden?" Silvia Primus: "(...) Ist doch alles Irrsinn mit den ganzen Kontrollen. Attentate, wie sie in Frankreich, Belgien oder wo sonst auch immer verübt wurden, können jederzeit und überall immer wieder passieren." Es gibt aber auch die andere Perspektive, etwa die von Hannelore Thie. Sie meint: "Egal um welchen Preis. Hauptsache Sicherheit!"
5. Es geht ums Gefühl
Das Grundvertrauen ist angeknackst, viele Reisende, ob am Flughafen oder am Bahnhof, begleitet die flaue Frage: Wer steht da eigentlich neben mir? Genau das wollen die Terroristen: Diese Angst verbreiten vor südländisch wirkenden jungen Männern, sagt der Politikwissenschaftler Aladin El Mafaalani. Ziel sei es, die freiheitliche Gesellschaft zu beschädigen. Es geht also ums Gefühl. Aber wer genau ist dafür eigentlich verantwortlich? Das Sicherheitspersonal, das uns am Flughafen ein sicheres Gefühl geben soll? Zu einem Teil gewiss. Der andere Teil sollte aber aus uns heraus kommen: Wir dürfen uns nicht zu sehr verunsichern lassen. Sonst haben die Terroristen am Ende gewonnen.
Caro Pöhlmann schreibt auf der Facebook-Seite der Aktuellen Stunde: "100 % sicher ist man nie und nirgendwo, das ergibt Festungen und die Attentäter freut es, denn dann haben sie das, was sie wollen .... Angst geschürt." Sven Svenson meint: "Genau das ist doch eines der Ziele der Extremisten, wir dürfen uns nirgendwo mehr sicher fühlen und wenn, dann bezahlen wir mit dem Preis unser aller Freiheit. Das kann es nicht sein."
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