Flugsimulator

Eignungstests für Piloten

"Ich werte das als absolute Ausnahme"

Stand: 27.03.2015, 16:15 Uhr

Jeder angehende Pilot muss einen Eignungstest machen. Dabei wird viel Wert auf die psychische Eignung gelegt. Der deutsche DLR-Test, den auch der Co-Pilot der Germanwingsmaschine absolviert hatte, gilt als härtester Test der Welt.

Michael Müller ist Pilot und Geschäftsführer der Münchner Firma Airline Test Training (ATTC), die Piloten auf die Tests vorbereitet.

Welche psychologischen Voraussetzungen muss ein Pilot haben?

Michael Müller: Zunächst einen stabilen Charakter. Natürlich muss er eine stabile Persönlichkeit sein. Er muss aber auch empathisch sein. Er muss sich in die Denkweise und die Situation eines anderen hineinversetzen können und gegebenenfalls auch dessen Ziele umsetzen können müssen – im Sinne von: Wenn irgendetwas falsch läuft, dann muss auch ein Co-Pilot in der Lage sein, zum Beispiel einen Kapitän, der ja in der Hierarchie etwas höher steht, zu korrigieren.

Wie finden Sie das heraus?

Müller: Mit Tests. Beim DLR-Test zum Beispiel werden kognitive aber auch kapazitive Tests durchgeführt. Ob man operativ gut handelt im Cockpit, das ist das eine. Zum anderen wird aber auch die Psychologie überprüft. Das passiert in Rollenspielen, die in etwa eine ähnliche Situation abbilden. Das heißt. Ein Psychologe stellt einen etwas stärkeren Part da, der Teilnehmer einen etwas schwächeren. Der Teilnehmer muss dann ein spezifisches Ziel gegen den stärkeren Part umsetzen. Hier wird versucht, herauszufinden, ob ein Kandidat das später im Cockpit auch entsprechend umsetzen kann.

Wenn dem angehenden Piloten psychische Stabilität bestätigt wird, ist sie über Jahre in Stein gemeißelt?

Müller: Sie führt zunächst einmal dazu, dass man eine grundsätzliche Eignung für eine Ausbildung nachgewiesen hat. Es ist aber durchaus so, dass auch während der Ausbildung und während der späteren Karriere laufend bestimmte Lehrgänge besucht werden müssen, sogenannte "Crew Ressources Management"-Lehrgänge. Sie müssen alle ein, zwei Jahre durchgeführt werden. Darüber hinaus findet auch eine natürliche Beobachtung während des allgemeinen Flugbetriebes statt. Alle Verfahren sind standardisiert – damit jede Crew mit jedem anderen Crew-Mitglied arbeiten kann. Und es gibt auch hier ein System, bei dem Auffälligkeiten gemeldet werden müssen, zum Beispiel. Also es gibt eine sehr starke Supervision des kompletten Arbeitsumfeldes.

Was glauben Sie, wie kann es sein, dass jemand so außer Kontrolle gerät und dass keiner etwas gemerkt hat?

Müller: Das ist wirklich eine Ausnahme, möchte ich sagen, die man sich so hat nicht vorstellen können. Zumal ja nach bisherigen Erkenntnissen, die Arbeit oder das Verhalten des Co-Piloten bis zu dem Vorfall als völlig normal gelten darf. Es wurden alle Procedures abgearbeitet, es wurde das Anflugverfahren für Düsseldorf noch gebrieft, wie man unter Piloten sagt. Also das alles lief ganz normal ab. Nichts deutete darauf hin, dass sich eine solche Katastrophe anbahnte. Von daher werte ich das als absolute Ausnahme.

Inwiefern kann man so etwas wie Depressionen oder Selbstmordgedanken überhaupt voraussagen oder über Tests einordnen?

Müller: So etwas wird man nicht mit 100-prozentiger Sicherheit ausschließen können – bei keinem Menschen. Das ist faktisch nicht möglich. Es gibt keine validen Messgrößen dafür. Das ist tatsächlich - wie gesagt - ein Ausnahmefall. Es gibt keine vergleichbaren Fälle, bei denen man empirisch sagen könnte: Leute, die dieses oder jenes gemacht haben, waren dann auf die eine oder die andere Art spezifisch auffällig.   

Wie tief kann man überhaupt in die menschliche Seele blicken?

Müller: Man kann schon relativ in die Tiefe gehen. Dinge, die für die Flugdurchführung relevant sind, kann man schon herausfinden. Man kann herausfinden, ob jemand in einer kritischen Situation richtig handeln kann. Man kann herausfinden, ob jemand unter Stress noch zielführend arbeiten kann oder unter Stress noch in der Lage ist, mit jemandem zusammenzuarbeiten. Aber man kann natürlich nicht alles ermitteln. Das funktioniert leider nicht.

Macht es Sinn, psychologische Tests alle paar Jahre wiederholen zu lassen?

Müller: Da kann man drüber nachdenken. Aber es ist so, dass während der gesamten Laufbahn ja auch Tests stattfinden, etwa die "Crew Ressources Management"-Lehrgänge. Ob man zusätzliche psychologische Tests einführen sollte - im Rahmen beispielsweise der medizinischen Untersuchung, die regelmäßig durchgeführt werden, das wird jetzt diskutiert.

Derzeit wird auch diskutiert, es sollten künftig drei Piloten an Bord sein. Was sind die Chancen der Dreier-Konstellation?

Müller: Die Dreier-Konstellation würde man eher als Rückschritt empfinden, weil man sich irgendwann von Dreier-Cockpits zu Zweier-Cockpits bewegt hat. Worüber man aber nachdenken könnte, wäre sicher eine Vier-Augen-Lösung im Cockpit. Dass also der Chef des Kabinenpersonals zusätzlich noch mit in der Kanzel ist. Das halte ich durchaus für sinnvoll und das würde auch Vertrauen schaffen für die Passagiere.