Mammographie-Screening

Die Kritik am Programm nimmt zu

Stand: 13.05.2015, 11:31 Uhr

Seit einem Jahr nehmen wir das Brustkrebs-Screening unter die Lupe. Unsere Recherchen zeigen, dass eine Mammographie für Frauen mit dichtem Brustgewebe eher ungeeignet ist; wovon die Frau aber nichts erfährt. Was hat sich seit unserer kritischen Berichterstattung geändert?

Unsere Recherchen im vergangenen Jahr haben ergeben, dass bei Frauen mit dichtem Drüsengewebe die Mammographie mögliche Tumore nur sehr schlecht erkennen kann. Oder schlimmstenfalls gar nicht. Ob eine Frau ein dichtes Brustgewebe hat oder nicht weiß sie unter Umständen nicht. Und darüber wird sie auch im Ergebnis der Untersuchung nicht informiert. Und: Womöglich wiegt sie sich nach einer Mammographie in falscher Sicherheit. Es ist nämlich gut möglich, dass ein Tumor in ihrer Brust ist, dieser aber nicht erkannt wird. In Österreich ist man weiter. Dort stehen in dem Schreiben, das untersuchte Frauen erhalten, genaue Informationen über die Gewebsdichte der Brust.

Die Hauptkritikpunkte am Screening

Hans Bartel war 20 Jahre lang Chefarzt für diagnostische Radiologie am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf-Kaiserswerth und ist nun selbständiger und beratender Mitarbeiter in einer Praxis für Radiologie und Nuklearmedizin. Er hat also langjährige Mammographie-Erfahrung und sieht in den Screening-Untersuchungen in Deutschland vor allem drei Probleme: Mammographiezentren unterscheiden sich in der Qualität, darauf werde bei der Auswahl jedoch keine Rücksicht genommen. Zudem sei es für die Patientinnen problematisch, dass sie keinen direkten Kontakt zu Ärzten haben und die Screenings als "Massenbetrieb" empfänden. Schließlich erwecke das Schreiben, dass die Frauen nach der Untersuchung erhalten, womöglich den Eindruck einer sicheren Diagnose. "Man muss sich überlegen, etwa ein Drittel der Frauen, die eingeladen werden, sind der Meinung, damit verhindert man Brustkrebs", so Hans Bartel.

Keine wissenschaftlich ehrliche Diskussion

Konkretere Informationen für Frauen wären also dringend von Nöten. Wenn Hans Bartel heute mit der Kooperationsgemeinschaft Mammographie an einem Tisch säße, würde er zwei Fragen stellen: "Was sind die wirklich gesicherten Fakten zum Thema Effizienz des Mammographie-Screening heute in Deutschland?". Die Diskussion, die aufgrund von positiven Studien zur Mammographie hervorgerufen werde könnte, sei wissenschaftlich nicht ehrlich. Denn es gibt laut Bartels auch Studien mit weniger positivem Ergebnis. Die zweite Frage, die Hans Bartels der Kooperationsgemeinschaft Mammographie stellen würde, würde sich auf die veränderte Rolle der Radiologen beziehen, die sich seit der Einführung des Mammographie-Screening in Deutschland sehr verändert habe.

Was hat sich nun geändert?

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen versprach als Reaktion auf unsere Berichterstattung im vergangenen Jahr, die Informationen in der Screening-Einladung für Frauen ab 50 zu überarbeiten. Ein erster Entwurf dazu zeigt jedoch: Die Drüsengewebsdichte soll den Frauen nach wie vor nicht mitgeteilt werden! Warum nicht, wollen wir wissen? Antworten darauf sind schwierig zu bekommen. Einer, der mit uns spricht, ist Chefarzt Dr. Markus Müller-Schimpfle; er ist Experte für Brustkrebsfrüherkennung an der Frankfurter Klinik für Radiologie. Als Vorsitzender der AG Mammadiagnostik bei der deutschen Röntgengesellschaft teilt er unsere Meinung. "Die Frau hat aus meiner Sicht das Recht zu wissen, wie ihr individueller Risikofaktor sowohl für das Übersehen eines Karzinomes aussieht als auch für Krebsentstehung."

Mehr Transparenz im Screening

Möglicherweise ist also der ergänzende Einsatz einer Ultraschalluntersuchung oder - noch effektiver - der frühzeitigere Einsatz einer Magnetresonanztomographie (MRT) der sichere Weg zur Burstkrebsfrüherkennung. Bis dahin sollte den Frauen mit ausführlicher Informationen zur Drüsengewebsdichte ihrer Brust zumindest eine ehrlichere oder transparentenere Teilnahme in das Mammographie-Screening ermöglich werden.