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Wegschmeißen muss nicht sein

Stand: 05.02.2014, 08:31 Uhr

Lebensmittel landen viel zu schnell und viel zu oft im Müll. Im Schnitt wirft jeder von uns im Jahr fast 100 Kilogramm einfach weg. Knapp die Hälfte davon sind Obst und Gemüse. Wir haben Strategien gegen die Verschwendung gesammelt.

Schuld an der massiven Verschwendung sind übrigens nicht nur die Verbraucher. Auch Lebensmittelverarbeiter und Supermärkte werfen täglich weg: Übriggebliebenes, Abgelaufenes, Aussortiertes. Das ist billiger, als sich aufwendige Konzepte zur Weiterverwendung dieser Lebensmittel zu überlegen. Am Ende landen weltweit so rund 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel jährlich auf dem Müll. Die Produktion von Lebensmitteln für die Tonne belastet auch die Umwelt.

Verschwendung in Zahlen

  • 1,4 Milliarden Hektar Land – das entspricht einem Drittel der weltweiten Agrarflächen – werden jährlich für die Erzeugung von Lebensmitteln genutzt, die später entsorgt werden.
  • 4,5 Milliarden Badewannen könnte man mit Wasser füllen, die zur Herstellung von Lebensmitteln genutzt wurden, die anschließend weggeworfen werden.
  • 3,3 Milliarden Tonnen an Treibhausgasen werden in die Atmosphäre freigesetzt. Ebenfalls für Nahrungsmittel, die im Müll landen.

Sichtbar machen ist der erste Schritt

Der Filmemacher Valentin Thurn hat schon mehrfach in Dokumentationen auf die massenhafte Lebensmittelverschwendung aufmerksam gemacht. Schon 2010 beeindruckte ihn die Resonanz: "Keine fünf Tage nach Ausstrahlung in der ARD hat sich NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel in der Öffentlichkeit gemeldet und gesagt: Wir möchten gerne, dass NRW zum Vorzeigeland im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung wird."

"Es gibt keine harten Zahlen"

Es folgte ein runder Tisch von Erzeugern, Verbrauchern und Handel und eine Studie zum Thema. "Ein paar Wochen später kam dann auch Ilse Aigner, die Bundesverbraucherministerin, die hat ebenfalls eine Studie in Auftrag gegeben. Das Thema hat also in der Politik sofort Widerhall gefunden. Aber die Verantwortlichen haben natürlich auch den Mangel gespürt, dass es keine harten Zahlen aus Deutschland gibt."

Bei seinen Recherchen traf der Filmemacher Valentin Thurn auf viele Menschen, die bei dieser wichtigen Zukunftsfrage nicht mehr auf die Politik warten wollten. Zum Beispiel Familie Kotzur aus Ludwigsburg, die mit einem Abfalltagebuch herausfinden will, wie weit sie ihren Essensmüll verringern kann. Sich bewusst zu machen, wie viel man an Obst und Gemüse wegwirft, kann übrigens ein erster Schritt sein, um das eigene Einkaufsverhalten zu ändern.

Joghurt geht auch nach Ablauf der Mindesthaltbarkeit

Familie Broich aus Kaarst pfeift aufs Mindesthaltbarkeitsdatum. Kristina Broich hat gelernt: einen Joghurt zum Beispiel könne man locker auch zwei Wochen nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch essen. Nach Schätzungen von Experten könnte man den Lebensmittelmüllberg um 20 Prozent reduzieren, wenn alle es so machen würden wie Familie Broich und es mit der Mindesthaltbarkeit nicht so streng sehen würden.

Kleine Karotten und dreibeinige Petersilienwurzel

Lea Brumsack und Tanja Krakowski aus Berlin

Die "Culinary Misfits" aus Berlin

Aber nicht nur Verbraucher suchen nach Lösungen. Unternehmen in Holland, England, Dänemark, Deutschland und in der Ukraine tun es auch: Eine Karottensaft-Fabrik zum Beispiel nutzt auch die kleinen Karotten, die bislang aussortiert wurden. Pfiffige Designerinnen aus Berlin verwerten unter dem Label "Culinary Misfits" originell gewachsenes Gemüse, das der Handel so nicht akzeptiert. Und manche Supermärkte machen keine Ramsch-Angebote mehr, die die Kunden dazu verführen, mehr zu kaufen, als sie brauchen.

Auf dem Lenssenhof in Mönchengladbach ist es auch ein bisschen so wie in Berlin: Auch hier ist es egal, wie klein oder krumm das Gemüse ist. Auf dem Hof wird von Hand sortiert - weggeworfen wird so gut wie nichts. Landwirt Joachim Kamphausen verkauft die vielen kleinen Kartoffeln, die er an den Großhandel nicht loswird, in seinem Hofladen. Dasselbe gilt für dreibeinige Petersilienwurzel, nicht ganz perfekte Rote Beete - oder auch die krummen Möhren, die mit einem solchen Aussehen niemals in einem Supermarkt gelandet wären.

Vier von zehn Kartoffeln werden aussortiert

Dazu, wie viel Gemüse aussortiert wird, weil es den formalen Kriterien nicht genügt, gibt es übrigens auch Zahlen. Bei Kartoffeln zum Beispiel landen in der konventionellen Landwirtschaft 40 Prozent der Ernte aus diesem Grund auf dem Müll.

Teilen statt wegwerfen

In vielen E-Mails schlagen unsere Zuschauer vor, Foodsharing zu nutzen. Das heißt: Lebensmittel teilen, statt sie wegzuwerfen. Bei Foodsharing bekommen Privatpersonen, Händler und Produzenten die Möglichkeit, überschüssige Lebensmittel kostenlos anzubieten oder abzuholen. Mitmachen kann jeder.

In NRW gibt es derzeit etwa 600 Foodsaver, so nennen sich die Menschen, die das Projekt unterstützen. Deutschlandweit sind sogar 2.800 in über 230 Städten unterwegs. Mittlerweile gibt es sie aber auch in der Schweiz und Österreich. Zusammen sind es fast 34.000 Menschen, die Foodsharing nutzen - und täglich steigt die Zahl derer, die Essen teilen, statt es auszusortieren. So wurden fast 100 Tonnen Lebensmittel nicht weggeworfen, sondern aufgegessen, allein in letzten sechs Monaten. Das entspricht am Tag fast 600 Kilogramm gerettete Lebensmittel.