Interview zum Todesflug MH 17

"Man kann es Manipulation nennen"

Stand: 01.06.2015, 20:09 Uhr

Russland hat offenbar Beweismaterial zum Abschuss der malaysischen Passagiermaschine mit der Flugnummer MH17 über der Ostukraine gefälscht. Das zeigen Recherchen der unabhängigen Investigativplattform "Bellingcat". Mitglied Timmi Allen sprach mit dem WDR über die Faktenlage.

Flug MH 17 war am 17. Juli 2014 über der Ostukraine vermutlich von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden. Alle 298 Menschen an Bord der Boeing starben. Um die Schuldfrage tobt ein Propagandakrieg. Russland macht die Ukraine verantwortlich. Die Ukraine und auch westliche Staaten glauben jedoch, dass pro-russische Rebellen dahinterstecken und die russische Regierung eine Mitschuld trägt. Recherchen der unabhängigen Investigativplattform "Bellingcat" zeigen, dass angebliche Beweisfotos russischer Militäringenieure falsch datiert und bearbeitet worden waren. Der WDR sprach darüber mit Bellingcat-Mitglied Timmi Allen.

WDR: Was war der Ausgangspunkt der Bellingcat-Recherche?

Timmi Allen: Grund war die Veröffentlichung des Berichts der russischen Militäringenieure am 5. Mai, die festgestellt haben, dass die Ursache für den Absturz von MH 17 eine Buk-Rakete war und in diesem Zusammenhang auf diese Satellitenbilder verwiesen haben. Daraufhin haben wir uns diese Bilder vorgenommen und eben festgestellt, dass die in dem fraglichen Zeitraum nicht gemacht wurden.

WDR: Was hat die Analyse der Satellitenfotos ergeben?

Allen: Wir haben zwei Satellitenfotos der russischen Pressekonferenz untersucht. Unsere Analyse hat unzweifelhaft ergeben, dass beide Fotos falsch datiert sind. Sie sind nicht am 17. Juli, wie behauptet, aufgenommen worden.

WDR: Sind die Bilder manipuliert worden?

Allen: Man kann es Manipulation nennen. Zumindest wurden der Öffentlichkeit Bilder präsentiert, die belegen sollen, dass die ukrainische Armee an diesem Tag aktiv war mit ihren Raketenwerfern. Dieser Sachverhalt lässt sich mit diesen Bildern nicht belegen, denn sie sind aus einem viel früheren Zeitraum.

WDR: Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?

Allen: An der Analyse wurde insgesamt drei Wochen gearbeitet. Das ganze Team hat mitgearbeitet und alle Aussagen dahin gehend geprüft, ob sie schlüssig und nachvollziehbar sind. Wir haben uns die Satellitenbilder von der offiziellen Webseite des russischen Verteidigungsministeriums heruntergeladen und sie verglichen mit Bildern von Google Earth derselben Stelle aus verschiedenen Zeiträumen. Bei diesem Vergleich konnten wir zeitlich genau einordnen, wann die Bilder gemacht wurden.

WDR: Was wollen Sie erreichen mit der Veröffentlichung?

Allen: Bellingcat versteht sich als Plattform von Bürgern für Bürger. Wir wollen zeigen, dass man mit Open Source, also mit öffentlich zugänglichen Quellen, Informationen gewinnen und sich selbst ein Bild machen kann. Gerade bei Krieg heißt es immer, die Wahrheit stirbt zuerst. Jeder kann sich auf diese Art und Weise selber ein relativ objektives Bild von den Vorgängen dort machen.