"Hass-Sprache": Wie tolerant müssen Erwachsene sein?

Stand: 22.09.2016, 16:51 Uhr

"Ey du Opfer": Manchmal kann es ganz schön erschreckend sein, was Kinder sich gegenseitig an den Kopf werfen. Oft meinen die Jugendlichen aber gar nicht, was sie sagen. Doch wo muss die Toleranz für Jugendsprache aufhören? Fünf Tipps.

Von Katrin Puvogel

Es sind Beleidigungen und Demütigungen, die für manche Erwachsene oder Eltern beunruhigend sind: "Du Mongo" etwa gehört bei vielen Jugendlichen zum alltäglichen Sprachgebrauch fest dazu. Die aktuelle Debatte um die "Hate-Speech" spiegelt sich auch bei der Aktuellen Stunde auf Facebook wieder.

1. Gelassen bleiben

Dort schlagen die Nutzer aber vorrangig verständnisvolle Töne an. Zum Beispiel schreibt Birgit Wagner: "Wir wollten früher unsere Eltern schocken - klappte mittels löchriger Jeans, Nato-Parka, langer Haare etc. Regt sowas heute noch jemanden auf? Grüne Haare etwa? Also reden die Jugendlichen in derber Sprache und jawohl: man entsetzt sich! Also: gewünschter Effekt erreicht."

Auch Nutzerin Hilde Gard meint: "Worüber regt Ihr Euch eigentlich auf? Das gab es früher bei uns in der Schule auch."

2. Provokationen nicht persönlich nehmen

Dass Jugendliche mit ihrer Sprache manchmal auch schockieren wollen, bestätigt auch Professor Doktor Eva Neuland von der Uni Wuppertal: "Der Verstoß gegen Gesprächsregeln gilt als unhöflich und kann als Provokation der Jugend verstanden werden." Sie forscht gerade zusammen mit Benjamin Könning zum Thema Höflichkeit von Jugendlichen.

Ein Themenaspekt ist dabei der Kontext von Beleidigungen. Könning erklärt: "Die Jugendlichen sagen uns, dass sie sich aus Spaß beleidigen." Gleichzeitig gebe es bereits etablierte Gruppennormen unter Jugendlichen - in diesem Umfeld blieben Beleidigungen folgenlos.

Dabei beobachtet er auch eine Bedeutungsverschiebung. "Der Begriff Opfer etwa hat seine klassische Bedeutung (jemand, der Schaden erleidet) verloren. In der Jugendsprache ist es im weitesten Sinne ein Ausdruck für einen Schwächling", so Könning.

3. Klar machen, wann respektvolle Sprache angebracht ist

"Untereinander verstehen Jugendliche eine Beleidigung als Scherz. Aber Erwachsene eben nicht. Dazu kommt, dass Jugendliche manchmal gar nicht wissen, was sie da eigentlich sagen - ihnen fehlt etwa der historische Kontext", sagt Neuland.

Derbe Beleidigungen sollen also schocken und abgrenzen, gleichzeitig werden sie untereinander gar nicht als solche wahrgenommen. Als Eltern müsse man sich aber bewusst machen, dass die Kinder auch anders können.

Denn die Sprachwissenschaftler sind sich sicher: Die meisten Jugendlichen wissen sehr wohl, was man unter konventioneller Höflichkeit versteht. Nur untereinander würden sie auf diesen Sprachgebrauch verzichten. Dieser Sprachstil und damit die Ablehnung von Höflichkeit sei auch eine Form der Rebellion und Provokation.

4. Offen ansprechen, wenn etwas verletzt

"Wenn ich zufällig daneben stehe, sage ich, dass ich mich von dem Ton belästigt fühle - meistens hilft's!", schreibt die Nutzerin Gudrun Westphalen auf der Facebook-Seite der Aktuellen Stunde.

Diesen Rat hat auch Könning: "Das Ziel muss sein, den Jugendlichen dafür zu sensibilisieren, in welchem Kontext er sich befindet und seinen Sprachgebrauch entsprechend anzupassen."

5. Grenzen aufweisen

Verbote hält Eva Neuland nicht für zielführend. "Natürlich soll man sich nicht alles sagen lassen", sagt sie. "Jugendliche wollen Grenzen testen, und die muss jeder persönlich setzen." Wo diese Grenze aber liege, sei aber schwer allgemein zu beantworten.

"Ich persönlich würde derbe Beleidigungen nicht tolerieren. Bei bestimmten Ausdrucksformen kann man etwa als Erwachsener am Küchentisch ein Gespräch durchaus einmal für beendet erklären. Meiner Meinung nach ist der Schlüssel aber Reflektion: Also ansprechen, was gerade gesagt wurde und zum Nachdenken anregen", sagt Könning.