Gift in der Nahrung

Wie belastet sind unsere Lebensmittel?

Stand: 26.06.2015, 10:37 Uhr

Wissenschaftler haben ein Pestizid in Muttermilch nachgewiesen. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Wie besorgniserregend ist die Studie? Und welche bedenklichen Stoffe nehmen wir noch so zu uns?

Welche Studie wird da aktuell diskutiert?

Wissenschaftler haben im Auftrag der Grünen die Muttermilch von 16 stillenden Frauen aus verschiedenen Bundesländern auf Belastungen getestet und Rückstände des Pflanzenschutzmittels Glyphosat nachgewiesen. In allen Muttermilch-Proben lag die Konzentration von Glyphosat über dem für Trinkwasser zulässigen Höchstwert. Die Wissenschaftlerin Irene Witte, Professorin am Institut für Toxikologie der Universität Oldenburg, sagt, aus 16 Proben könne man keine endgültigen Schlüsse ziehen. Die Ergebnisse seien aber ein erster Hinweis. Man müsse die Untersuchungen dringend auf mehr Frauen ausweiten.

Wie gefährlich ist Glyphosat?

Das ist umstritten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sieht in einem Bericht von Dezember 2013 keine Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier. Trotzdem steht Glyphosat seit Jahren im Verdacht, für Krankheiten bei Nutzvieh verantwortlich zu sein. In südamerikanischen Ländern wird es mit missgebildeten Kindern in Verbindung gebracht. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO stufte den Wirkstoff im März dieses Jahres als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel. Auch Kleingärtner nutzen es, es ist zum Beispiel im Unkrautvernichter "Roundup" enthalten.

Wie reagiert der Handel auf die neue Risikobewertung?

Die Baumarktkette Toom nahm Glyphosat-haltige Mittel nach der neuen WHO-Bewertung sofort aus dem Sortiment. Mittlerweile hätten auch andere Unternehmen wie Bauhaus, Globus Baumarkt, Obi und Hornbach auch einen vollständigen oder weitreichenden Verzicht auf das Totalherbizid zugesagt, so der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Die Raiffeisen Waren-Zentrale und die Gartencenter-Kette Dehner würden an ihrem Sortiment festhalten.

Wie kann ich sicher gehen, dass ich nicht zu viel Glyphosat aufnehme?

Das kann man ausrechnen, und das geht laut Bundesinstitut für Risikobewertung so:

  • Schritt 1: Den Rückstandshöchstgehalt nachlesen. Rückstandshöchstgehalte sind die gesetzlich festgelegten Höchstmengen an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln. Wird Glyphosat eingesetzt, dann gilt für Weizen und Roggen ein Rückstandshöchstgehalt von zehn Milligramm je Kilogramm Erntegut.
  • Schritt 2: Den ADI nachlesen. ADI steht für "Acceptable Daily Intake" (empfohlene tägliche Aufnahmemenge) und gibt die Menge eines Stoffes an, die man täglich und ein Leben lang ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann. Für Glyphosat liegt der ADI bei 0,3 mg/kg Körpergewicht.
  • Schritt 3: Persönliche Daten ermitteln. Nehmen wir an, eine Person mit einem Körpergewicht von 60 Kilo isst 500 Gramm Brot mit Weizen und Roggen am Tag.
  • Schritt 4: In 500 Gramm Brot dürfen maximal 5 Milligramm Glyphosat enthalten sein, das bedeutet für eine 60-Kilo-Person eine maximale Glyphosataufnahme von 0.083 Milligramm. Der Wert liegt unter dem ADI von 0,3 mg/kg Körpergewicht.

Welche potentiell gesundheitsgefährdenden Stoffe kommen noch im Essen vor?

Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind Stoffe, die manche Pflanzen zur Abwehr beinhalten - mit dem Ziel: nicht gefressen zu werden. Über die Pflanzen kommen PA auch in Tees. Das Problem: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wirken PA krebserregend. Schwangere, Stillende und Kinder sollten Kräutertees aus Kamille, Pfefferminze, Melisse, Brennnessel und Fenchel daher nur in Maßen trinken. Gesetzliche Grenzwerte für PA in Futter- oder Lebensmitteln gibt es nicht.

Dioxin: Experten unterteilen Dioxine in mehrere Gruppen, einige davon sind extrem giftig: Aus Tierversuchen ist bekannt, dass sie das Nerven- und Immunsystem schädigen, zu Missbildungen führen oder Krebs erzeugen können. Menschen nehmen Dioxine zu 90 bis 95 Prozent über die Nahrung auf. Das Gift steckt vor allem im Fettgewebe, daher ist es meist in tierischen Produkte mit einem hohen Fettgehalt - etwa in Milch, Fleisch, fettem Fisch und Eiern. Einen Grund zur Panik gibt es aber nicht. Die Experten der Verbraucherzentrale NRW schreiben auf ihrer Seite: "Bei üblichen Verzehrsmengen und ansonsten abwechslungsreicher Ernährung stellen die normalerweise geringen Belastungen in fettreichen tierischen Lebensmitteln kein Problem dar." Kurzfristiger Konsum eines belasteten Lebensmittels führe weder zu einer akuten oder chronischen Vergiftung noch erhöhe sich erkennbar die Gefahr, an Krebs zu erkranken.

Schwermetalle sind natürliche Bestandteile der Erdkruste. Einige von ihnen sind für uns lebensnotwendig - Zink, Eisen, Mangan und Kupfer etwa. Andere wie Blei, Cadmium oder Quecksilber können unsere Gesundheit schädigen. In der Europäischen Gemeinschaft gelten für einige Schwermetalle Höchstgehalte, aber nicht für alle. Zum Schutz von Säuglingen und Kleinkindern gelten für Blei besonders strenge Vorschriften. Für Quecksilber gibt es Höchstgehalte in Fischen und Fischereiprodukten. Für Arsen gibt es derzeit keine Höchstgehalte. Das liegt daran, dass es bisher keine Methode gab, anorganisches Arsen zu messen. Das ist aber ein Problem: Denn Wissenschaftler stufen anorganische Arsenverbindungen als hoch toxisch und krebserregend ein. Untersuchungen haben ergeben, dass Reis und Produkte auf Reisbasis wie zum Beispiel Reiswaffeln zum Teil relativ viel anorganisches Arsen enthalten.