Erdoğan is watching you: So verändert sich die Türkei

Stand: 21.07.2016, 19:32 Uhr

Kein roter Lippenstift für Stewardessen, Studierende sollen nach Geschlechtern getrennt werden und wehe, jemand beleidigt den Präsidenten. In der Türkei hat sich viel verändert. Erdoğan hat ganz klare Vorstellungen, was den Alltag der Türken betrifft und mischt sich auch in ihr Privatleben ordentlich ein.

1. Die Frau soll vor allem Mutter sein

Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau? Eindeutig gegen die Natur. Für Präsident Erdoğan sind Frauen vor allem eins: wichtig für die Familienplanung. Schon 2010 schlug Erdoğan vor, dass jede türkische Frau mindestens drei Kinder bekommen sollte, um das türkische Volk zu erhalten – passenderweise am Weltfrauentag.

Auch 2016 hält der türkische Präsident an seinem Frauenbild fest: "Für mich ist eine Frau vor allem eine Mutter", verkündete er im März – wieder am Weltfrauentag. Auch Verhütungsmittel hatte Erdoğan genauso verurteilt wie Abtreibungen und Kaiserschnitte.

2. Beleidige den Präsidenten nicht

Jan Böhmermanns Beleidigung von Erdoğan war spektakulär – aber noch lange kein Einzelfall. Besonders in der Türkei selbst müssen die Menschen aufpassen, dass sie Erdoğan nicht absichtlich oder sogar unabsichtlich beleidigen und deswegen vom Präsidenten verklagt werden. Gedeckt ist dieses Vorgehen durch den Artikel 299 im türkischen Strafgesetzbuch, das die Beleidigung des Präsidenten verbietet.

Das "Zeit Magazin" hat 286 Fälle dokumentiert, in denen Menschen wegen Beleidigung angeklagt wurden. Darunter sind unter anderem zwei 12- und 13-jährige Schüler, die ein Erdoğan-Plakat von einer Wand gerissen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Haft von über zwei Jahren. In diesem Jahr wurde die Anklage fallen gelassen. Auch wer sich in den sozialen Medien über Erdoğan beschwert, muss befürchten, festgenommen zu werden. Berühmtestes Beispiel ist ein Türke, der Erdoğan auf Facebook mit der Fantasy-Figur Gollum verglichen hat. Er wurde im Juni zu einem Jahr und 15 Tagen Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

3. Unverheiratete Männer und Frauen unter einem Dach? Unmöglich!

2013 forderte Erdoğan, dass männliche und weibliche Studierende nicht mehr gemeinsam in einem Wohnheim wohnen sollten. "In gemischten Wohnheimen kann alles Mögliche geschehen", befürchtete der Präsident. Das Wohnheim als Ort der Sünde? Da müsse der Staat "intervenieren". Auch private Studenten-WGs sollten kontrolliert werden, so Erdoğan. Vor allem in den staatlichen Wohnheimen wurde die Geschlechtertrennung inzwischen durchgesetzt.

4. Kurzzeitig kein roter Lippenstift für Stewardessen

Die halbstaatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines hatte 2013 versucht, ihren Stewardessen roten Lippenstift und Nagellack verbieten zu lassen. Kritiker sahen darin den Einfluss der konservativen Regierung in der Türkei. Doch nach Protesten annullierte das Unternehmen das Verbot wieder.

5. Ich Präsident, ihr Teil von mir

"Ich bin nur das Haar an deinem Hintern!" Dieser Ausruf einer AKP-Anhängerin vor laufender Kamera vor einigen Jahren ist inzwischen Kult in der Türkei. Nachdem sie gegen die sozialdemokratische Partei CHP gewettert hat, möchte die Frau noch ihre Verbundenheit mit Erdoğan zeigen. In ihrer Aufgebrachtheit fällt ihr aber nur dieser Vergleich ein. Anhänger Erdoğans benutzen ihn seitdem immer weiter. Und der Präsident? Statt sie zur Ordnung zu rufen, freut er sich über diese Art des Liebesbeweises.