Rechtsextreme Randale in Dortmund

Polizei schätzte Lage falsch ein

Stand: 26.05.2014, 20:33 Uhr

Die Polizei in Dortmund wird scharf kritisiert. Angeblich reagierte sie nicht schnell genug, als es am Wahlabend (25.05.2014) bei einer rechten Demonstration vor dem Rathaus zu gewalttätigen Tumulten kam, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden. Sie weist die Kritik zurück, gibt aber zu, dass sie die Lage falsch eingeschätzt hat.

Die Angreifer sollen dem Umfeld der Dortmunder Partei "Die Rechte" angehören, die von dem Neonazi Siegfried Borchardt angeführt wird und als Auffangbecken für Mitglieder verbotener Neonazi-Kameradschaften gilt. Die Partei hat bei den Kommunalwahlen 1 Prozent der Wahlstimmen bekommen, Borchardt selbst einen Sitz sowohl im Stadtrat als auch in einer Bezirksvertretung gewonnen.

Am Abend zogen 20 bis 30 der Rechten auf dem Friedensplatz Richtung Rathaus, darunter auch Borchardt. Dabei trugen sie einheitliche gelbe T-Shirts mit dem Aufdruck "Weg mit dem NWDO-Verbot" (Nationaler Widerstand Dortmund - eine 2012 vom Innenministerium verbotene Organisation). "Offensichtlich hatten die Rechtsextremisten die Absicht, in das Rathaus zu gelangen beziehungsweise an den Feierlichkeiten anlässlich der Wahlen teilzunehmen", heißt es in einer Mitteilung der Polizei am Montag (26.05.2014). Am Rathaus stellten sich ihnen etwa hundert Menschen entgegen, sagte ein Polizeisprecher am Montagabend WDR.de. Darunter waren Autonome, Linke und viele Politiker der anderen Ratsfraktionen. Dabei kam es zu Tumulten, Handgreiflichkeiten und "wechselseitigen Körperverletzungen", wie es bei der Polizei heißt. Auch Pfefferspray wurde eingesetzt.

Tumulte und Reizgas

Augenzeugen zufolge sollen die Rechtsradikalen Parolen wie "Ausländer raus" gegrölt und die erste Strophe des Deutschland-Liedes gesungen haben. Zudem sollen sie Flaschen auf Anwesende geworfen und Reizgas versprüht haben. Dabei sollen mehrere Menschen verletzt worden sein. Erst nach über einer Stunde konnte die Polizei die Lage vor Ort beruhigen. Auch ein Hubschrauber kreiste über dem Friedensplatz. Die Rechten zogen schließlich unter Polizeibegleitung ab.

Polizeieinsatz in der Kritik

Einer der Verletzten war Christian Gebel, zukünftiges Ratsmitglied der Piraten, der durch eine Flasche am Kopf getroffen wurde und eine Platzwunde erlitt. Er musste sich im Krankenhaus behandeln lassen, wie er WDR.de sagte. Einer Parteifreundin von ihm sei ins Gesicht geschlagen worden, erklärte er weiter. Gebel bemängelte gegenüber WDR.de das verspätete Eintreffen der Polizei, die noch dazu in nicht ausreichender Personenstärke vor Ort gewesen sein soll, um die Personalien aller rechten Angreifer aufzunehmen. Dass Mitglieder der "Rechten" vorhätten, an der Wahlparty teilzunehmen, habe Dortmunds OB Ullrich Sierau bereits am Samstag den anderen Parteien mitgeteilt. "Angeblich war auch der Staatsschutz vor Ort. Warum die es dann aber nicht geschafft haben, das Rathaus und die Anwesenden zu schützen, weiß ich auch nicht", so Gebel.

Nach Informationen des WDR war der Staatsschutz tatsächlich im Rathaus, weil Krawalle befürchtet wurden. Der Staatsschutz habe aber die Lage gegen 21.15 Uhr so eingeschätzt, dass damit nicht mehr zu rechnen sei und deswegen das Rathaus verlassen, erklärte Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) am Montag (26.05.2014). Deswegen sei der Angriff sehr überraschend gekommen. Polizeisprecher Oliver Peiler gab gegenüber dem WDR zu, dass sie die Lage falsch eingeschätzt hätten: Hätte die Polizei gewusst, dass ein Angriff geplant sei, hätte sie sich anders vorbereitet.

War die Aktion angekündigt?

Die Linken und Autonomen, die auch den Eingang des Rathauses blockierten, wussten offensichtlich davon - woher, ist unklar. Auf der Facebook-Seite der Rechten war am Wahlsonntag um 20 Uhr das Porträt Borchardts mit geballter Faust gepostet worden, darunter in schwarz-roten Lettern die Parole: "Mit einem Schlag ins Rathaus!" Unklar ist aber, ob sich das auf die Aktion vor dem Rathaus bezog. Polizeisprecher Peiler fragte sich indes, warum die Linken nicht die Polizei vorher angerufen hatten, wenn sie solche Kenntnisse hatten: "So konnten wir nur ad hoc und mit wenigen Kräften reagieren. Das finde ich schade."

Vier Minuten zwischen Notruf und Einsatz

Was den Vorwurf betrifft, die Polizei sei erst spät eingetroffen, erklärte Sprecher Kim Freigang, sie habe nach derzeitigem Kenntnisstand um 22.10 Uhr einen ersten Notruf erhalten, dass sich Rechte vor dem Rathaus versammelten. Um 22.14 Uhr seien bei einem zweiten Notruf Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Gästen der Wahlparty im Rathaus gemeldet worden. "Erste Einsatzkräfte trafen innerhalb von 4 (!) Minuten am Einsatzort ein", heißt es in der Pressemitteilung der Polizei. Freigang präzisierte: Zunächst seien vier Streifenwagen mit acht Beamten losgeschickt worden. "Am Ende hatten wir 100 Beamte vor Ort."

Ermittlungsverfahren gegen Rechte und Linke

Polizeisprecher Freigang wollte sich am Montag noch nicht dazu äußern, von wem die Aggressionen ausgingen und ob dabei tatsächlich Flaschen flogen. Die Polizei müsse erst Ermittlungen durchführen und Zeugen befragen, so Freigang. Er bestätigte aber, dass gegen 27 Rechtsextremisten ermittelt wird, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Auch gegen mehrere Linke sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Von Seiten der Stadt heißt es, die Rechten hätten Zutritt zur Wahllparty bekommen, wenn sie sich friedlich verhalten hätten.

Rechte: Wir sind angegriffen worden

"Die Rechte" weist im Internet die Anschuldigungen zurück und behauptet, die Aggression sei von der Gegenseite ausgegangen. Der gewählte Stadtrat Borchardt habe lediglich mit drei Bezirksvertretern an der Verkündung des Wahlergebnis teilnehmen wollen, als sie von einer "großen Ansammlung von verschiedenen etablierten Parteien, Antifagruppen und Ausländern" angegriffen worden sei.

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