Interview mit Aktien- und Anlageexperte Marco Cabras

"Hochtief und Katar - das passt genau"

Stand: 06.12.2010, 17:57 Uhr

Das Emirat Katar steigt mit 9,1 Prozent bei Hochtief ein. Ist damit eine feindliche Übernahme des Essener Baukonzerns durch den spanischen Konkurrenten ACS vom Tisch? Der Aktionärsschützer Marco Cabras erläutert die Hintergründe.

Mit dem neuen Großaktionär Katar hat Hochtief einen echten Überraschungscoup gelandet. Das Emirat, Veranstalter der Fußball-WM 2022, wird im Rahmen einer Kapitalerhöhung alle neuen Aktien von Hochtief erwerben und damit künftig knapp 9,1 Prozent der Anteile an dem Essener Baukonzern halten. Dem fließen dadurch rund 400 Millionen Euro zu. Das alleine wird allerdings nicht reichen, um Hochtief vor der Übernahme durch ACS zu schützen, meint Marco Cabras, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS). Der 39-Jährige ist Fachmann für Anlegerschutz und Aktienkultur in Deutschland.

WDR.de: Herr Cabras, was bedeutet der Einstieg von Katar als Großaktionär bei Hochtief für den Abwehrkampf des Konzerns gegen ACS?

Marco Cabras: Es bedeutet erst einmal, dass sich ACS ab sofort von dem Gedanken verabschieden darf, einen glatten Durchmarsch mit keinerlei Widerstand machen zu können. Jetzt ist eingetreten, worüber monatelang spekuliert worden ist: Hochtief hat einen "Weißen Ritter" gefunden. Dieser "weiße Ritter" kann nun theoretisch bei jeder Entscheidung mitsprechen und ACS die Suppe versalzen. Das macht eine Übernahme nicht unmöglich, aber es macht sie deutlich problematischer.

WDR.de: Der Einstieg Katars reicht also letztendlich nicht, um Hochtief sicher vor der feindlichen Übernahme zu schützen?

Cabras: Genau so ist es. Wenn Sie ein mögliches Gegengewicht zu ACS darstellen wollen, brauchen Sie mindestens 25 Prozent des Aktienkapitals. Das ist die Schwelle, ab der man eine so genannte Sperrminorität hat. Ab dann hat man ein verbrieftes Vetorecht, das bei allen strategischen Entscheidungen relevant ist.

WDR.de: Hofft Hochtief darauf, dass Katar dies anstrebt?

Cabras: Katar muss das anstreben. Denn dann hätte Hochtief ein Gegengewicht zu ACS, wäre quasi genau so gewichtig. Theoretisch könnten die beiden Investoren den Konzern erst einmal lahmlegen. Und zwar so lange, bis einer beschließt: Ich habe dazu keine Lust mehr und steige aus. Hochtief hofft darauf, dass ACS das so sieht, jetzt schon einlenkt und sich anders entscheidet als in den vergangenen Wochen.

WDR.de: Hochtief behauptet allerdings, dass der Einstieg Katars gar keine Abwehrmaßnahme gegen ACS sei.

Cabras: Das ist gut so, dass Hochtief das behauptet. Es ist nach dem Übernahmegesetz so, dass sich Management und Unternehmen ab dem Zeitpunkt, da ein Übernahmeangebot bei der Finanzaufsicht eingereicht ist, neutral verhalten müssen. Das ist so geregelt, damit die Aktionäre nicht beeinflusst werden und alleine entscheiden können, ob sie das Angebot annehmen oder nicht. Insofern gibt es eine Neutralitätspflicht für Hochtief. Im Übrigen stimmt es ja auch: Der Name Katar wird seit Wochen gehandelt.

WDR.de: Wie wird ACS nun reagieren?

Cabras: Das ist im Grunde gar nicht einzuschätzen. Fakt ist, dass die jetzt damit klarkommen müssen, dass es einen Gegner gibt. Aber ACS könnte auch so weitermachen wie bisher. Dafür haben sie alle Voraussetzungen geschaffen. Sie haben zu Hause die Kapitalerhöhung beschlossen und besitzen die finanziellen Mittel, um diese Übernahme zu stemmen. Sie haben auch das Übernahmeangebot eingereicht. Theoretisch könnten die einfach so weitermachen und die 50 Prozent anstreben.

Aber das wird schwieriger, wenn Katar über den Markt Aktien kauft. Dann würde das Ganze für ACS deutlich teurer werden. Sie sehen ja heute schon, dass der Kurs angesprungen ist. Wenn Katar jetzt weiter zukauft, dann wird der Kurs durch die Decke gehen, dann wird es richtig teuer für ACS.

WDR.de: Welches konkrete Ziel verfolgt Hochtief denn jetzt?

Cabras: Das Ziel ist, dass ACS Verhandlungen mit Hochtief und Katar aufnimmt und seine Anteile an Katar verkauft.

WDR.de: Was verspricht sich Hochtief darüber hinaus von Katar?

Cabras: Hochtief und Katar passen exzellent zusammen. Hochtief gewinnt mit Katar den Austragungsort der Fußball-WM 2022 und damit natürlich die Möglichkeit, an Aufträge heranzukommen. Vor allem aber bekommt Hochtief einen verlässlichen, ruhigen und vorbildlichen Investor. Der möchte jedes Jahr seine Rendite haben und eine langfristige Wachstumsperspektive. Der möchte nicht mitregieren, der will keinen Vorstand austauschen: Das ist sozusagen der vorbildliche Großaktionär, den sich jedes Unternehmen wünschen könnte.

WDR.de: Welche Vorteile hat Katar, das sich ja auch bei anderen deutschen Konzernen wie VW oder Porsche engagiert?

Cabras: Katar legt sein Geld in Unternehmen an, die langfristig vernünftige Wachstumsperspektiven bieten. Die suchen für das Ende des Öl- und Gaszeitalters nach Perspektiven. Katar und Hochtief - das passt genau zusammen, passt deutlich besser zusammen als ACS und Hochtief.

Das Interview führte Frank Menke.