Die untote Bank
Letzte Jahresbilanz der alten WestLB
Stand: 20.03.2012, 13:15 Uhr
Am 21. März 2012 legt die WestLB ihren letzten Geschäftsbericht vor. Damit verabschiedet sich die Düsseldorfer Krisenbank vom Finanzmarkt, ab Juni wird sie abgewickelt. Doch das Milliardengrab WestLB ist längst nicht zugeschüttet.
Von Christoph Stehr
Noch wehen die Fahnen mit dem stilisierten blauen "W" vor der Zentrale in Düsseldorf. Nicht mehr lange: Zum 30. Juni, dem von der EU-Kommission vorgegebenen Termin für die Zerschlagung der Bank, "verschwinden der Name, das Logo und alle sonstigen Insignien der WestLB vom Markt", bestätigt ein Unternehmenssprecher. 180 Jahre Firmengeschichte gehen zu Ende. Der Stammbaum, den die WestLB ihren Kunden früher gern präsentierte, reicht bis zur "Westfälischen Provinzial Hülfskasse Münster" von 1832 zurück. Was aus den Fahnen in Düsseldorf wird, ob sie im Keller des Nachfolgeinstituts Service- und Portfoliomanagementbank (SPM) oder bei einem Souvenirjäger landen, weiß der Sprecher nicht.
Rechnung mit vielen Unbekannten
Bis es so weit ist, kann die WestLB noch einige Abschiede feiern: die letzte Aufsichtsratssitzung, die letzte Analystenkonferenz, die letzte Betriebsversammlung. Das mit der größten Spannung erwartete Ereignis dieser Art findet am Mittwoch (21.03.2012) statt. Vorstandschef Dietrich Voigtländer präsentiert die letzte Jahresbilanz der "alten" WestLB. Alles ist möglich, von tiefroten bis ansatzweise schwarzen Zahlen. Das erste Halbjahr 2011 hatte einen bescheidenen Konzerngewinn von 36 Millionen Euro erbracht.
Auf das Gesamtjahr hochrechnen lässt sich dieses Ergebnis nicht. Anders als bei "normalen" Unternehmen, deren Geschäfte halbwegs kontinuierlich verlaufen, tappen die Analysten bei der WestLB im Dunkeln. Deren Rechnung hat zu viele Unbekannte: die Restrukturierungskosten, die fast täglich schwankende Bewertung von Risiken, der Streit zwischen Eigentümern, Bund und EU um weitere Kapitalspritzen. Auch der Vorstand hat keine Prognose für 2011 gewagt.
2.700 Mitarbeiter bangen noch
Die "Zukunft" der WestLB sieht so aus: 400 Mitarbeiter wechseln in die neue Verbundbank, die bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) angedockt wird. Die Verbundbank soll das Geschäft mit den NRW-Sparkassen, mittelständischen Firmenkunden und Kommunen von Düsseldorf aus fortführen. Die Immobilientochter Westimmo, deren Verkauf im Februar geplatzt ist, landet wahrscheinlich in der ausgelagerten "Bad Bank" EAA. Rechtsnachfolger der WestLB wird die SPM. Sie ist keine richtige Bank, sondern nur Dienstleister für die Verbundbank, die EAA und – noch nicht identifizierte – Dritte. Nach den bisherigen Plänen startet die SPM, die ab 1. Juli zu 100 Prozent dem Land NRW gehört, mit 1.000 Beschäftigten. Von insgesamt 4.300 Mitarbeitern des WestLB-Konzerns wissen rund 2.700 derzeit nicht, ob und wie sie weiterbeschäftigt werden.
Prof. Stefan Stein, Institut für Kredit- und Finanzwirtschaft
Scheinbar machen die Eigentümer, das Land NRW und die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen-Lippe, reinen Tisch, indem sie die WestLB in die Verbundbank, die SPM und die EAA aufspalten. Doch so glatt läuft die Operation "Diamant" – so der interne Name – nicht wirklich. "Die Beteiligten sorgen gerade mal wieder für Irritationen", sagt Professor Stefan Stein, Geschäftsführer des Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. "Neue Vorbehalte werden von den anderen Landesbanken angemeldet und die zugesagten Kapitalspritzen wurden auch noch nicht injiziert."
Zündstoff für die nächsten 15 Jahre
"Die Eigentümer der WestLB sind aber auch nach Juni 2012 nicht entlassen", sagt Stein. Dem Namen nach verschwindet die Bank, doch ihre Geister bleiben lebendig. Dafür sorgt schon die Tatsache, dass das Land NRW und die Sparkassen am Stammkapital der Bad Bank EAA beteiligt sind und für deren Risiken haften. Auf diese "Resterampe" waren faule Kredite und sonstige schwerverkäufliche Geldanlagen mit einem Gesamtvolumen von ursprünglich 85 Milliarden Euro verschoben worden. "Nach Auskunft der EAA ist ein Zeitfenster bis 2027 für den Abbau der Positionen vorgesehen", erläutert Stein. Anders ausgedrückt: Es dauert noch 15 Jahre, bis sich der Sargdeckel über dem einstigen Aushängeschild des deutschen Landesbankensektors schließt.
Nachdem die WestLB seit Anfang der 90er-Jahre durch Pannen und Affären – angefangen von der Boxclever-Pleite über Fehlspekulationen mit VW-Aktien bis zur aktuellen Griechenland-Krise – immer wieder Negativ-Schlagzeilen produziert hatte, dürften selbst ihre Eigentümer nicht böse über ihr Verschwinden sein. "Man wird es jetzt kaum mehr merken", glaubt Bankenexperte Stein. "Das Mittelstandsgeschäft wird in der Verbundbank fortgeführt. In den übrigen Geschäftsbereichen werden andere die Lücke füllen. Die WestLB ist schon seit einiger Zeit kein aktiver Impulsgeber mehr für den Finanzplatz Düsseldorf."