Copyrightzeichen

Urheberrecht

... und immer an den User denken

Stand: 21.06.2012, 16:43 Uhr

Erbitterte Grabenkämpfe, verhärtete Fronten - die Vehemenz, mit der zuletzt ums Urheberrecht gestritten wurde, ließ vermuten: Eine Lösung liegt in weiter Ferne. Lauschte man allerdings am Donnerstag (21.06.2012) am Rande der c/o-Pop einer Diskussionsrunde, hatte man den Eindruck: Alles halb so wild!

Von Sven Gantzkow

Irgendwann muss selbst der vernetzteste Mensch feststellen: Es kann an einem Kabel liegen. Als Wolfgang Senger, Mitinitiator der geplanten Verwertungsgesellschaft "C3S" ans Rednerpult tritt, versagt die Technik. Die Verbindung seines Laptops zum Beamer funktioniert nicht. Als es nach ein paar Minuten weitergeht, lautet der lakonische Kommentar von Medien-Jornalistin Mercedes Bunz: "Die Technik ist so weit, der Mensch war's schon vorher."

Die 40-Jährige moderiert am Donnerstag (21.06.2012) die Veranstaltung, das auf der C'n'B (Creativity and Business), einem Branchentreff flankierend zum Kölner Musikfestival c/o pop, über den aktuellen Stand des Urheberrechts diskutiert.

Mercedes Bunz

Moderierte die Diskussion: Mercedes Bunz

Und ihren Job als Moderatorin versteht sie im besten Wortsinn als mäßigend. Dadurch gelingt ihr ein unerwarteter Effekt: Eine hitzige Debatte, die man nach der Brandrede des Musikers Sven Regener, dem Gema-Bashing und den jüngsten Piraten-Erfolgen hätte vermuten können, bleibt aus. Fast könnte man meinen, die Diskussion unter der Überschrift "Vom Rechte haben und Recht haben" wäre eine Konsensveranstaltung, so harmonisch verläuft der Diskurs zwischen Branchenvertretern und Kreativen.

Crowdfunding: "Abhängigkeit vom Mäzenentum"

Sicher - der ein oder andere Wortbeitrag gerät emotional aufgeladen, beispielsweise, wenn es aus Kulturmanagerin Eva Kiltz mit einem genervten Lächeln herausbricht: "Ich kann es nicht mehr hören." Anlass ihrer Unmutsbekundung: die Geschichte der US-Sängerin Amanda Palmer, die via Crowdfunding, also einem Spendenaufruf übers Netz, 500.000 Euro für die Produktion eines Albums sammeln konnte. Eine Ausnahme, als Geschäftsmodell kaum tauglich, betont Kiltz: "Crowdfunding ist nichts anderes als die Abhängigkeit vom Mäzenentum."

Abgesehen von diesen Randbereichen sind sich die Teilnehmer des Podiums aber in entscheidenden Punkten einig. Erstens: Es muss sich was ändern am bestehenden Recht. Und zweitens: Immer an den User denken! Nicht nur, was seine Rechte und deren Erweiterung/Konkretisierung betrifft. Nein, auch was seine Pflichten angeht. Denn auch der User muss sein Verhalten ändern, wenn die Kreativbranche eine ausreichende Existenzsicherung gewährleisten will.

"Der Wille zu zahlen, ist da"

Eine Umsonstkultur machen die Diskutanten aus. Manche formulieren es zurückhaltend wie Politikberaterin Geraldine DeBastion: "Ich glaube, der Wille zu zahlen ist da. Es hat nur zu lange gedauert, nutzbare Modelle wie iTunes oder Musicload zu schaffen", sagt sie und schiebt nach: "Es gibt übrigens immer noch nicht genügend." Andere, wie die Schauspielerin Julia Beerhold, werden drastischer: "Es gibt die weitverbreitete Mentalität, dass Kunst und Kultur nur dann etwas kosten soll, wenn man sich sicher sein kann, dass das Geld auch voll beim Künstler ankommt", führt sie aus. Nichts anderes als "Bigotterie" sei dieser Ansatz: "Wenn diese Leute bei Aldi einkaufen, machen sie sich ja auch keine Gedanken darüber, ob am Ende der Bauer das Geld kriegt."

Wie es dazu kam, dass sich in vielen Teilen der Bevölkerung eine Mentalität durchgesetzt hat, speziell für Inhalte aus dem Netz nichts zahlen zu wollen, dazu gibt es auf dem Podium unterschiedliche Erklärungen: Journalist Dirk von Gehlen, Leiter des Bereichs Social Media/Innovation bei der Süddeutschen Zeitung, sieht darin ein Zeichen jugendlicher Rebellion: "Wie soll man sich von der Elterngeneration noch abheben, wenn Kiffen und Rock 'n' Roll als Abgrenzungsmöglichkeit wegfallen?" Julia Beerhold hält das für verfehlt: "Die Leute haben kein Bewusstsein, dass kulturelle Dinge, die sie lieben und nutzen wollen, einen Wert haben." Dieses Phänomen macht sie generationenübergreifend aus.

"Wo kommt die Kohle her?"

Es stellt sich heraus: Am Ende hängt doch alles am Gelde. "Wo kommt die Kohle her", bringt Eva Kiltz die zentrale Frage auf den Punkt. Ein Problem dabei: User, Verwerter und Künstler entfernen sich immer weiter voneinander. "Ich habe die Erfahrung gemacht, man muss vom Nutzer aus denken", sagt Medienunternehmerin Mona Rübsamen. Genau das versucht Stefan Herwig, Leiter eines Independentlabels. Er ist überzeugt: "Der User versteht das Urheberrecht als Transaktionsverhinderungsrecht." Deswegen will Herwig es ergänzen um sogenannte Sampling-Plus-Lizenzen. Bedeutet: Bestimmte Inhalte sollen bis zu einer gewissen Länge frei verwertbar sein.

Mit diesem Ansatz geht die Diskussion langsam weg von der Ursachendiagnose hin zu Lösungsversuchen. Sehr umfassend, aber auch sehr kleinteilig gerät - nachdem die technischen Probleme beseitigt sind - der Vortrag von Wolfgang Senger. Mit "C3S" will er eine neue Verwertungsgesellschaft in Leben rufen, die Werke "außerhalb traditioneller Schemata kommerziell verwertet". Das Modell, so Senger, verspreche bessere Einnahmemöglichkeiten, vor allem für unbekannte Künstler, eine werkbasierte Verwertung und die vollständige Kontrolle des Künstlers über seine Werke.

Selbstkritik und Lob

"Viel zu kompliziert", warnt John Weitzmann, der deutsche Projektleiter von Creative Commons, einer Organisation, die Lizenzverträge zur Verfügung stellt, mit denen Künstler der Öffentlichkeit Nutzungsrechte an ihren Werken einräumen können. "Alles gut gedachte Modelle, aber man landet schnell bei der Überkomplexität", ist seine Analyse. Zehn Jahre CC-Erfahrung hätten ihm gezeigt: Der User steigt aus. "Schon die sechs Optionen, die wir anbieten, sind eigentlich zu viel", räumt er selbstkritisch ein. Eine Aufgliederung des Urheberrechts sei notwendig, "aber einfach muss es sein". Das wiederum hält Karl-Nikolaus Peifer vom Institut für Medienrecht in Köln für eine "Illusion". Einfach ist nicht immer gleich gerecht, sagt er. Deswegen findet er den CC-Ansatz so "großartig". "Hier werden Nutzungsrechte auf wenige Zeichen reduziert."

Nein, es liegt nicht nur an Mediatorin Mercedes Bunz. An diesem Nachmittag wird klar: Eine gemeinsame Grundlinie in Sachen Urheberrecht ist da: Es muss sich etwas ändern, das Nutzerverhalten stärker in den Fokus rücken. Gipfel der Harmonie: Die Gema, für viele das Schreckgespenst in der Diskussion, reicht der neuen Verwertungsgesellschaft "C3S" die Hand. "Das ist ein sehr spannendes Projekt", sagt Alexander Wolf, bei der Gema verantwortlich für die Lizenzierung des englischsprachigen EMI-Repertoires. "Wenn bei den Künstlern das Bedürfnis nach Flexibilisierung ihrer Leistungsnutzung besteht, dann müssen die Verwertungsgesellschaften reagieren." Deswegen hoffe er auf einen Dialog mit "C3S". "Setzt Euch doch sofort zusammen", fordert Dirk von Gehlen auf - und provoziert ein leicht betretenes Schweigen auf beiden Seiten.