Oliver Ongaro kämpft für die Schwächsten auf dem Wohnungsmarkt. Der Sozialarbeiter vertritt Obdachlose und Hartz-IV-Empfänger in Düsseldorf. "Die Lage für diese Menschen ist bei der Wohnungssuche einfach nur unterirdisch", berichtet Ongaro. Sie hätten bei der Suche nach einer bezahlbaren Mietwohnung "meist keine Chance". Die Vermieter würden dann einfach sagen: "Solche Leute wollen wir nicht." Düsseldorf ist eine wirtschaftlich starke Stadt. Viele Menschen wollen in der Landeshauptstadt leben. Wohnraum ist knapp, selbst Gutverdiener müssen lang nach einer Wohnung suchen. Ongaro protestiert mit Obdachlosen regelmäßig für das Recht auf eine erschwingliche Wohnung - es ist ein fast aussichtsloser Kampf.
Miete hoch wegen Ikea-Küche
"Vermieter, Makler, Wohnungsunternehmen - alle haben Blut geleckt", sagt Ongaro. Er berichtet von reichen Investoren, die alteingesessene Vermieter im Düsseldorfer In-Viertel Flingern-Nord regelrecht "mit überzogenen Preisen rauskaufen" wollen. Ein ausländisches Wohnungsunternehmen habe im großen Stil Wohnungen in Düsseldorf-Oberbilk erworben. Diese würden dann "saniert oder modernisiert" und zu einem deutlich höheren Mietpreis angeboten. "Saniert heißt dann, die Wohnung wird angestrichen und mit einer Ikea-Einbauküche ausgestattet", sagt Ongaro. Luxuswohnungen oder Edel-Lofts seien in Düsseldorf en masse zu haben. "Man kann nur hoffen, dass diese Blase bald platzt", sagt der Streetworker.
In Köln und Bonn ist die Lage ähnlich. Wer mit Wohnungssuchenden spricht, hört unglaubliche Geschichten. Von Vermietern, die Wohnungsbesichtigungen unhöflich und abrupt abbrechen, weil der Interessent nicht bereit ist, 25.000 Euro für eine alte Küche zu bezahlen. Von Vermietern, die angeben, nur noch Wohnungen an besserverdienende Beamte zu vermieten. Der Markt ist in eine krasse Schieflage geraten. Die Vermieter sitzen am längeren Hebel, weil die Balance zwischen Angebot und Nachfrage nicht stimmt. Nach Berechnungen des Mieterbunds NRW fehlen in Bonn, Düsseldorf und Köln insgesamt "fast 18.000 Wohnungen". Ein Grund: Über Jahre sei der soziale Wohnungsbau vernachlässigt worden.
Miete plus Sex
Mirco Theiner vom Mieterverein Bonn kennt viele Geschichten von frustrierten Wohnungssuchenden. Verboten werde es aber "erst, wenn der Vermieter sachfremde Fragen stellt und unseriöse Gegenleistungen erwartet", sagt der Mieterschützer. "So muss ich Fragen zur sexuellen Identität, Vorlieben, Religion, Gewerkschafts-, Parteien- oder Mieterbundmitgliedschaft nicht wahrheitsgemäß beantworten", rät Theiner Wohnungssuchenden. "Und natürlich gibt es die Extremfälle, in denen ein Vermieter vorgeschlagen hat, einen Teil der Miete in sexuellen Dienstleistungen abzugelten. Ein besonderer Anstieg solcher Angebote kann aus unserer Sicht aber nicht festgestellt werden." Es handele sich um "krasse Ausnahmen", sagt Theiner.
Studenten im Seniorenheim
Auch einkommensschwache Studenten haben es schwer, eine Bleibe zu finden. Verschärft wird die Situation durch den doppelten Abiturjahrgang 2013. Noch mehr Studenten strömen in die beliebten Uni-Städte Köln, Düsseldorf und Bonn. Das Kölner Studentenwerk (KStW) kann beispielsweise nur rund 4.600 Wohnheimplätze anbieten. Die Nachfrage stieg in den letzten Jahren von 8.000 auf 10.000 Interessenten an. "Wir haben eine Online-Börse mit Privatzimmern eingerichtet, um zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen", sagt Cornelia Gerecke vom Studentenwerk. Zudem gebe es Kooperationen mit Kölner Wohnungsbau-Genossenschaften. Außerdem suche man Bauland für neue Wohnheime. Laut Lokalpresse wohnen einige Studenten aufgrund der akuten Not mittlerweile in einem Seniorenheim.
Längst ist die Wohnungsnot in den Großstädten zum Thema im Bundestagswahlkampf geworden. Nach der SPD will nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel etwas gegen steigende Mieten tun. Die CDU-Chefin stellte jüngst eine Begrenzung der Mieterhöhung bei Neuvermietungen in Aussicht. Das Vorhaben ist aber bei CDU-Politikern umstritten. Die NRW-Landesregierung will bereits Fakten schaffen. Bauminister Michael Groschek (SPD), der der Stadt Düsseldorf mehrfach vorgeworfen hatte, zu wenig für bezahlbaren Wohnraum zu tun, machte zu Wochenbeginn eine überraschende Ankündigung. Auf dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt in Düsseldorf-Derendorf werde das Land dafür sorgen, dass bei der Nachnutzung des verlassenen Gefängnisareals günstige Wohnungen gebaut werden. "40 Prozent sozialer Wohnungsbau", versprach Groschek. Der Landesminister wettert seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr gegen Gentrifizierung und "Luxus-Ghettos" in Düsseldorf.