Verschiedene Siegel am historischen Verbundbrief aus dem Jahr 1396

Kölner Stadtarchiv eröffnet Lesesaal

"Die meisten Stücke werden Narben davon tragen"

Stand: 03.01.2012, 14:29 Uhr

Bis zu 40 Jahre wird es noch dauern, bis alle geborgenen Archivalien des Kölner Stadtarchivs restauriert sind - ein kleiner Teil der Dokumente kann aber seit Dienstag (03.01.2012) im neuen "analogen Lesesaal" wieder eingesehen werden.

Von David Ohrndorf

Einen digitalen Lesesaal gibt es schon länger. Dort können am Computer digitale Kopien der Archivalien, die vor dem Einsturz eingescannt wurden, eingesehen werden. Seit Dienstag (03.01.2012) ist im so genannten analogen Lesesaal aber auch wieder die Arbeit mit den Originalen möglich.

Eva Büthe untersucht eine Urkunde

Warum digital manchmal nicht genügt, zeigt das Projekt von Eva Büthe. Für ihre Doktorarbeit sucht sie nach Dokumenten, die der Kölner Stadtschreiber Gerlach vam Hauwe geschrieben hat. Dafür muss sie die Schrift auf den Dokumenten genau analysieren: Buchstabenform, Linienführung, aber auch die Art, wie Punkte gesetzt werden, interessiert die Wissenschaftlerin von der Uni Bonn. Gerade bei den Punkten sei sie bei den digitalen Kopien oft an Grenzen gestoßen, erklärt sie WDR.de "Man weiß nie genau, ob da jetzt auf dem Original wirklich ein Punkt ist, oder, ob Dreck mit eingescannt wurde."

Verfassungsurkunde mit restaurierten Siegeln

Zur Eröffnung kann sie sich gleich mit einer der Attraktionen des Archivs beschäftigen, dem historischen Verbundbrief aus dem Jahr 1396. Das Dokument war die zentrale Verfassungsurkunde der Reichsstadt Köln. Sie wird dem Stadtschreiber Gerlach vam Hauwe zugeschrieben, aber ob das wirklich so ist? Eva Büthe will sich noch einige Stunden mit der Urkunde beschäftigen, bevor sie sich festlegt. Das Dokument selbst ist durch den Einsturz des Stadtarchivs vor rund drei Jahren kaum beschädigt worden. Allerdings hängen an der Urkunde 23 Wachssiegel. Die mussten von einer Restauratorin in 100 Arbeitsstunden mühsam wieder hergestellt werden. Ein Siegel war allerdings gar nicht mehr zu retten. Dessen Wachsbrösel liegen der Urkunde jetzt in einer Kunststoffhülle bei.

Rund ein Prozent der Urkunden ist nutzbar

Kölner Kulturdezernent Georg Quander

"Die meisten Stücke werden Narben davon tragen", erklärt die Direktorin des Stadtarchivs, Bettina Schmidt-Czaia. Man werde vielen Archivalien ansehen, dass sie nicht immer in einem Archiv gelegen hätten. Die Restauration des kompletten geborgenen Bestands werde 30 bis 40 Jahre dauern. Trotzdem sei die Eröffnung des neuen Lesesaals ein "herausragendes Ereignis" der Kölner Archivgeschichte. "Wir können zwar nicht viel zeigen - aber wir können etwas zeigen", ergänzt der Kölner Kulturdezernent Georg Quander. Zum Start des neuen Lesesaals sind rund 600 der ursprünglich 60.000 mittelalterlichen Urkunden nutzbar. Von 1.800 Handschriften können etwa 50 eingesehen werden.

Außenaufnahme des neuen analogen Lesesaals

Der neue Lesesaal befindet sich im Kölner Stadtteil Porz, in einem Gebäude mit der Warenausgabe eines Möbelhauses. Noch 2012 soll mit dem Bau des neuen Stadtarchivs begonnen werden, das bis 2015 fertiggestellt sein soll. Warum das alte Archivgebäude am 3. März 2009 einstürzte, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an. Ein Zusammenhang mit der angrenzenden U-Bahn-Baustelle gilt aber als wahrscheinlich.