Drei Leihgeber fordern Schadenersatz
Erster Prozess um Kölner Stadtarchiv
Stand: 17.11.2009, 13:42 Uhr
Acht Monate nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist die Katastrophe erstmals vor Gericht aufgerollt worden. Mehrere Leihgeber von Archivalien warfen der Stadt grobe Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht vor.
Die drei privaten Leihgeber machten beim Prozess vor dem Kölner Landgericht geltend, dass die Stadt bereits vor dem Unglück die Gefahrenlage gekannt habe und der Obhutspflicht für die Archivalien nicht nachgekommen sei. Sie werfen der Stadt Köln eine grobe Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht vor. Die Stadt bestreitet das.
Mit dem Schlimmsten gerechnet
Ein Urteil wurde am Dienstag (17.11.2009) noch nicht verkündet. Der Vorsitzende Richter Reinhold Becker zeigte jedoch Verständnis für die Stadt. Er sagte, als Risse im Archivgebäude aufgetreten seien, habe die Stadt mehrere Experten zurate gezogen. Diese hätten alle gesagt, dass keine Einsturzgefahr bestehe. Der Anwalt der Leihgeber, Louis Peters, verwies auf ein Interview der Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia kurz nach dem Einsturz im "Kölner Stadt-Anzeiger". Auf die Frage, ob sie mit dem Schlimmsten gerechnet habe, antwortete sie: "Wir im Archiv schon." Peters sagte, damit sei das Verfahren eigentlich schon zu Ende, er müsse Recht bekommen. Becker maß dem Interview jedoch wenig Bedeutung bei.
Noten, Briefe, Fotos
Das Historische Archiv und zwei Nachbarhäuser waren am 3. März 2009 zusammengestürzt. Zwei Menschen starben damals unter den Trümmern. Unzählige Dokumente und Unterlagen wurden zerstört und gingen verloren.
Dazu gehört auch der "Bestand 1577", hinter dem sich der Nachlass des 1995 verstorben amerikanischen Baritons William Pearson verbirgt. Der Regisseur Franz-Josef Heumannskämper hatte dem Archiv 1998 insgesamt 47 Kartons mit Noten, Briefen und Fotos des in der deutschen und Kölner Musikszene bekannten US-Musikers übergeben. Neben Heumannskämper fordern auch die Gebrüder König und die Familie von Wittgenstein Schadenersatz von der Stadt. Die Wittgensteins hatten bereits 1952 das gesamte Familienarchiv an die Stadt gegeben. Zum Bestand des Historischen Archivs gehörte auch der Nachlass des Soziologen René König. Er zählt neben Helmut Schelsky und Theodor W. Adorno zu den führenden deutschen Soziologen der Nachkriegszeit. Die Familie übertrug in Abstimmung mit der René-König-Gesellschaft 2001 die Archivierung und Betreuung des Nachlasses dem Kölner Stadtarchiv.
Vorwurf: Stadt kannte die Gefahr
"Der Schaden ist nicht mit Geld aufzuwiegen", bemerkte Rechtsanwalt Louis Peters. Er fordert im Namen seiner Mandanten, dass sich die Stadt zu ihrer Verantwortung bekennt. Die Stadt habe sich vertraglich verpflichtet, größte Sorgfalt für die Erhaltung der Nachlässe walten zu lassen. Daher hätte man das Archivgut auslagern lassen oder zumindest die Leihgeber auf die Gefahr hinweisen müssen, damit sie den Bestand auf eigenen Kosten hätten herausholen können, so Peters.
Kein Kommentar der Stadt
Derzeit sind nach Angaben der Stadt rund 85 Prozent des Archivguts geborgen. Ob dazu allerdings auch Teile des Familienarchivs der Wittgensteins, der Sammlung von William Pearson und dem Nachlass René Königs zählen, ist nicht bekannt. "Die Leihgeber wissen bisher nicht, ob ihre Archivalien geborgen wurden, noch in welchem Zustand sie sind und in welches der Asyl-Archive sie gegebenenfalls gegangen sind", kritisiert der Verteidiger. Die Stadt Köln wollte vor der Verhandlung keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen.