Mann hält gerade geborgene Archivalien in den Händen.

Kölner Stadtarchiv-Bergung abgeschlossen

95 Prozent der Archivalien gefunden

Stand: 10.08.2011, 15:00 Uhr

In den vergangenen Wochen wurden nur noch wenige Dokumente an der Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs gefunden. Nun sind die Bergungsarbeiten offiziell beendet worden. Die Archivmitarbeiter können sich jetzt ganz den Restaurierungsarbeiten widmen.

Von David Ohrndorf

Rund zweieinhalb Jahre hat die Bergung der Archivalien gedauert - und das Ergebnis ist besser, als zu Anfang befürchtet: 95 Prozent des verschütteten Archivguts wurde geborgen. Ein solches Ergebnis hätte wohl selbst der "kühnste Optimist" zunächst nicht für möglich gehalten, so die Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia am Mittwoch (10.08.2011) in Köln. Der Zustand des geborgenen Materials sei extrem unterschiedlich. "Teils konnten wir selbst in den letzten Wochen Akten bergen, deren Inhalt man ohne weiteres lesen konnte, obwohl sie jahrelang im Grundwasser gelegen hatten." Anderes Archivgut, die so genannten "Kölner Flocken", sei bis zur Unkenntlichkeit zerstört, so die Archivleiterin.

Zustand der geborgenen ArchivalienAnteil
leicht beschädigt15 %
mittlere bis schwere Schäden50 %
schwerst beschädigt35 %

Wiederaufbau eine "Mammutaufgabe"

Mann hält geborgene und mit Dreck verschmierte Dokumente in der Hand

Restaurierungskosten: mindestens 350 bis 400 Millionen Euro

Nun können sich die Mitarbeiter des Kölner Stadtarchivs ihrer nächsten Aufgabe widmem: dem Wiederaufbau des Bestandes. Eine "Mammutaufgabe", so Bettina Schmidt-Czaia. Mit der Restaurierung wären 200 Restauratoren und Hilfskräfte 30 bis 50 Jahre beschäftigt. Die Kosten würden mindestens 350 bis 400 Millionen Euro betragen. Neben vielen Details der Restaurierung, die noch nicht abschließend geklärt seien, gebe es zur Zeit vor allem ein Personalproblem. Zuletzt seien 14 Stellen für Papierrestauratoren ausgeschrieben worden, aber nur zwei hätten besetzt werden können. Es fehle an geeigneten Bewerbern. In Deutschland würden zur Zeit nur rund 20 Papierrestauratoren pro Jahr mit ihrer Ausbildung fertig.

Noch kein Überblick, was fehlt

Bettina Schmidt-Czaia (10.08.2011)

Bettina Schmidt-Czaia

Fünf Prozent des Archivguts konnte nicht mehr geborgen werden. Es wurde zwischen Trümmern zermahlen, verschwand im Beton oder wurde bei der Bergung nicht als Archivgut identifiziert. Bis feststehe, welche Dokumente fehlen, werde es allerdings noch Jahre dauern, so der stellvertretende Archivleiter Ulrich Fischer. Die Archivare könnten erst feststellen, was fehle, wenn alle geborgenen Bestände erfasst worden seien. Und das ist keine leichte Aufgabe. Da sich das Gebäude beim Einsturz gedreht habe, sei es zu einer "völlligen Verunordnung" der Bestände gekommen, so Bettina Schmidt-Czaia. Die geborgenen Stücke, teilweise nur Schnippsel, lagern in sogenannten Asylarchiven in ganz Deutschland. Es könne durchaus sein, dass Teile einer einzigen Akte über mehrere Archive verteilt seien.

Geborgen und bereits identifiziert sind Teile des Nachlasses des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll (1917-1985), zwei Handschriften des Kirchenlehrers und Universalgelehrten Albertus Magnus (um 1200-1280) und die Verbundbriefe von 1396, eine Art Verfassung der Stadt Köln, die 400 Jahre lang gültig blieb.

Bereits mehr als 250.000 Dokumente online verfügbar

Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs im August 2011

Einsturzstelle des Kölner Stadtarchivs im August 2011

Parallel zur Sortierung und Restaurierung der original Archivalien, werden immer mehr Aufnahmen der Bestände digitalisiert und über eine Internetseite zur Verfügung gestellt. Zum größten Teil handelt es sich um Kopien, die früher auf Mikrofilm angefertigt wurden und nun schrittweise eingescannt werden. So könne in der Zeit, in der kein breit gefächertes Angebot an Originalen zur Verfügung stehe, immerhin mit einigen Beständen gearbeitet werden.

Ab Ende August 2011 soll die Einsturzstelle des Stadtarchivs so vorbereitet werden, dass Gutachter sie in Augenschein nehmen können. Staatsanwaltschaft und Versicherungen erhoffen sich durch ihre Arbeit neue Erkenntnisse zur Ursache des Einsturzes am 3. März 2009. Die Ursache für das Unglück steht noch nicht fest, vermutlich gibt es aber einen Zusammenhang zu einer nahe gelegenen U-Bahn-Baustelle. Der Neubau des Kölner Stadtarchivs soll im Jahr 2015 an anderer Stelle eröffnet werden können.