Vor dem PFT-Prozess in Paderborn
Giftiges Erbe
Trinkwasser, das Schwangere nicht trinken durften, vergiftete Fische - vor fünfeinhalb Jahren war Arnsberg in Aufregung. Der Grund: Ackerflächen waren mit der Industriechemikalie PFT verseucht. Die mutmaßlichen Verursacher kommen jetzt vor Gericht, doch die Umweltschäden bleiben.
Von Markus Rinke
Wasser plätschert aus einem Drainage-Rohr in ein mit schwarzer Folie ausgekleidetes Becken. Von da fließt es in eine kleine Halle. Ein leises Brummen deutet darauf hin, dass dort das Sickerwasser des Ackers gereinigt wird, bevor es über Bäche in die Möhne fließen darf. Becken und Halle wirken ein wenig deplatziert auf der Höhe in Brilon-Scharfenberg. Denn dort gibt es sonst nur Felder, Wälder und eben den kleinen Ort. Doch der Acker mit dem Drainage-Rohr ist einer der zentralen Orte des PFT-Skandals, der im Juni 2006 an die Öffentlichkeit kam.
Denn die Fläche ist nicht nur einer von über 1.000 Ackern, auf die PFT-belasteter Klärschlamm aufgebracht worden war. Sie geriet deshalb in die Schlagzeilen, weil das Wasser eigentlich von dort direkt in die Möhne fließt und als Trinkwasser genutzt wird. Und der Acker gilt als besonders stark belastet: Er soll, so schätzt es das Landesumweltamt, 390 Kilogramm PFT enthalten - eine riesige Menge.
Bezugsscheine für Mineralwasser
Die Aktivkohlefilter sind mehr als fünf Jahre in Betrieb
"Die Situation war dramatisch", erinnert sich der Geschäftsführer der Arnsberger Stadtwerke, Ulrich Midderhoff, an das Jahr 2006. Acht Wochen lang bekamen Schwangere und Mütter von Säuglingen Bezugsscheine für Mineralwasser im örtlichen Supermarkt. Das PFT war bei einer Kontrolle im Wasserwerk entdeckt worden. Das Gift soll als Dünger deklariert worden und über das Sicker- ins Trinkwasser gelangt sein. Am Donnerstag (12.01.2012) beginnt am Landgericht Paderborn der Prozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen, einen Unternehmer aus dem Ostwestfälischen und seinen Geschäftsführer. Ein Jahr lang soll verhandelt werden.
Grenzwerte fehlen noch immer
Die Behörden reagierten seinerzeit: Die Trinkwasserkommission beim Umweltbundesamt legte vier Richtwerte für PFT fest. Der sogenannte Maßnahmenwert, bei dem das verseuchte Wasser sofort gereinigt werden muss, liegt bei 0,5 Mikrogramm PFT pro Liter - er wurde im Arnsberger Trinkwasser überschritten. Heute sind die Werte anerkannt, sie gelten zum Beispiel für die Wasserwerke. Aber es sind eben nur Richtwerte. "Einen Grenzwert gibt es noch nicht", erklärt der Landesvorsitzende des BUND, Paul Kröfges.
Reine Ruhr und Arnsberger Vereinbarung
Im August 2006 unterschrieben NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) und der Vorstand der Wasserwerke an der Ruhr die "Arnsberger Vereinbarung", eine Absichtserklärung, um die Schadstoffbelastung im Trinkwasser zu senken. 2008 folgte das Programm "Reine Ruhr" des Umweltministeriums mit milliardenschweren Investitionen in die Wasserwerke. Inzwischen sind rund zwei Drittel der knapp 30 Wasserwerke mit Aktivkohlefilter ausgerüstet. "Es soll jetzt eine Verfügung des Umweltministeriums geben, dass der Rest auch noch nachgerüstet werden muss", erklärt Paul Kröfges vom BUND. Gleichzeitig weist er aber auch darauf hin, dass die Richtwerte immer eingehalten wurden und das Wasser nach dem PFT-Skandal zum Beispiel auch durch Aktivkohle-Pulver aufbereitet wird. Das Risiko, dass das Trinkwasser durch Schadstoffe belastet wird, zum Beispiel bei Unfällen, sinkt damit weiter.
Reihenuntersuchung in Arnsberg
Von Entwarnung kann trotzdem keine Rede sein. In den Jahren 2006 und 2007 führte die Ruhr-Universität Bochum eine Reihenuntersuchung bei Arnsberger Bürgern durch. Das Ergebnis: Ihr Blut enthält vier- bis achtmal so viel PFT wie normal. Eine zweite Untersuchung im Mai 2008 ergab immer noch deutlich erhöhte Werte. Damit bestätigte sich eine Vermutung der Wissenschaftler, dass PFT vom Körper nur sehr langsam abgebaut wird. Das Hygiene-Institut der Ruhr-Universität geht davon aus, dass sich das Gift noch lange wird nachweisen können. Zurzeit läuft in Arnsberg eine weitere Testreihe.