Schadenregulierung nach Unwetter
Wer zahlt für welche Sturmschäden?
Stand: 10.06.2014, 12:30 Uhr
Stürzende Äste haben Autoscheiben zertrümmert, Ziegel wurden von Dächern gefegt, Blitze sind eingeschlagen. Lesen Sie hier, welche Versicherung für welche Schäden aufkommt. Wichtig: Versicherte müssen Schäden so schnell wie möglich melden.
Können Betroffene nach dem Unwetter einen Sturmschaden geltend machen?
Für Sturmschäden haften die Versicherer nur, wenn eine Windstärke von 8 Beaufort erreicht wurde. Das entspricht einer Windgeschwindigkeit von 61 Stundenkilometern. "Nach unserem ersten Eindruck wurde diese Windstärke aber in vielen Regionen sogar überschritten. Betroffene können also in vielen Fällen einen Versicherungsschaden an Autos oder Wohngebäuden geltend machen", sagt Christoph Hartmann von der Provinzial-Versicherung in Düsseldorf. Nach ersten Schätzungen wird die Schadenssumme bei Provinzial-Kunden deutlich über 20 Millionen Euro betragen. Nach Angaben des verantwortlichen Bereichsleiters wurden bis zum Dienstagmittag (10.06.2014) bereits mehrere tausend Schäden gemeldet, darunter auffallend viele Schäden durch umgestürzte Bäume. Für die Provinzial-Versicherung liegt die Schadenssumme im mittleren Bereich: Bei einem Hagelsturm an der Mosel musste sie 2011 rund 65 Millionen Euro zahlen.
Wann und wie müssen Betroffene einen Schaden melden?
"Bäume, Bäume, Bäume - sie haben in diesem Unwetter die meisten Schäden an Autos und Wohngebäuden verursacht", sagt Christoph Hartmann. Wichtig für Kunden sei es nun, die Schäden ihrem zuständigen Geschäftsstellenleiter so schnell wie möglich mitzuteilen - per Telefon oder einem Onlineformular zur Schadenmeldung. "In stark betroffenen Gebieten müssen unsere Kunden Geduld haben, bis sie ihren Geschäftsstellenleiter telefonisch erreichen. In dem Fall raten wir dazu, die Schadenmeldung per E-Mail zu schicken, und den Schaden mit Fotos oder einem Film zu dokumentieren", erklärt Hartmann. In Gefahr bringen solle man sich beim Fotografieren von umgestürzten Bäumen jedoch nicht.
Auch bei der Ergo-Versicherung häufen sich die Schadenmeldungen. Schäden können über eine Hotline, ein Onlineformular, per E-Mail oder Fax gemeldet werden. "Wir hatten bereits bis elf Uhr so viele Anrufe wie sonst im Laufe eines ganzen Tages", erklärt eine Sprecherin. Grundsätzlich würden Versicherte jedoch zu einem Berater durchkommen. Kunden sollen bei Kontaktaufnahme folgende Daten parat haben: ihre Versicherungsnummer, Überblick über den Schaden, erste Schätzung der Schadenshöhe, evtl. Fotos des Schadens. Für die Ergo-Versicherung sind derzeit ein Dutzend Außendienstmitarbeiter in NRW unterwegs, die bereits Schäden vor Ort begutachten, Schätzungen zur Schadenhöhe abgeben und Handwerkerfirmen empfehlen. Auch andere Versicherungen haben Formulare zur Schadenmeldung und Telefonnummern auf ihre Homepage gestellt.
1. Schäden an Autos
Versichert ist nicht der Neupreis des Autos, sondern nur der Zeitwert
Sturmschäden an Autos - verursacht von umstürzenden Bäumen, fallenden Ästen oder Ziegeln - werden von der Teilkaskoversicherung abgedeckt. "Versichert ist allerdings nicht der Wiederbeschaffungswert, also der Neupreis des Fahrzeugs, sondern in der Regel nur der Wert, den es zum Zeitpunkt der Schadensmeldung noch hat, der Zeitwert", teilt die Verbraucherzentrale NRW mit. Zudem hätten Versicherungsnehmer oft eine Selbstbeteiligung vereinbart, die von der Entschädigungssumme noch abgezogen wird.
2. Schäden an Gebäuden
"Dächer wurden nach bisherigem Stand in diesem Unwetter eher weniger abgedeckt", sagt Christoph Hartmann. Sind Ziegel oder Dachpappe abgestürzt, Dachpfannen, Fassadenteile oder Schornsteine abgefallen, greift die Wohngebäudeversicherung. Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW müssen Versicherte nicht jeden Ziegel einzeln nachweisen. "Nach den Versicherungsbedingungen reicht es aus, dass es vorher eine offizielle Sturmwarnung gegeben hat und auch Häuser in der Nachbarschaft beschädigt worden sind", teilt die Verbraucherzentrale mit. Über die Hausratversicherung abgedeckt, sind beschädigte Markisen und Antennen, die ausschließlich durch die Bewohner der versicherten Wohnung genutzt werden. Weiterer Hausrat ist nur versichert, wenn er während des Sturms in einem Gebäude gelagert wurde und dennoch beschädigt wurde.
3. Schäden durch morsche Bäume
Für morsche Bäume haften die Baumbesitzer
Ist ein nachweislich morscher Baum umgestürzt und hat Haus oder Auto beschädigt, muss der Baumbesitzer oder seine Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommen. "Meist stellt sich die Beweislage in solch einem Fall jedoch als sehr schwierig dar. Ist ein gesunder Baum umgefallen, gilt dies als 'höhere Gewalt', und der Eigentümer haftet nicht für den Schaden", teilt die Verbraucherzentrale mit. Christoph Hartmann von der Provinzial-Versicherung rät dazu, Fotos von verdächtigen morschen Bäumen mitzuschicken. "In dem Fall schicken wir einen Regulierer vor Ort, der sich den betroffenen Baum genauer anschaut."
4. Schäden durch Regen
Sind durch das Unwetter Keller überflutet und Wände und Inventar beschädigt worden, hilft allein die sogenannte Elementarschaden-Versicherung. Gebäudeversicherungen haften nicht für Schäden durch eindringendes Wasser, sondern üblicherweise nur bei Überschwemmungen nach einem Rohrbruch. "Wenn jedoch ein Baum durch einen Sturm das Dach beschädigt und der anschließend einsetzende Regen Schäden am Mobiliar verursacht, übernimmt die Hausratversicherung die Kosten für die Wiederbeschaffung – und zwar zum Neuwert", erklärt Uta Apel von der Ergo-Versicherung.
5. Schäden durch Blitzeinschlag
"Schäden durch Blitzeinschlag wurden uns bisher kaum gemeldet", sagt Christoph Hartmann. Grundsätzlich gilt: Ist der Blitz direkt in ein Haus eingeschlagen, greift die Gebäudeversicherung. Nach Angaben der Verbraucherzentrale werden Schäden durch Überspannung jedoch nur ersetzt, wenn der Blitz direkt in das versicherte Grundstück oder Gebäude eingeschlagen ist.
Was ist sonst bei Schadenmeldungen zu beachten?
Zerstörte Gegenstände noch nicht entsorgen
Schäden müssen wahrheitsgetreu gemeldet werden. Zudem dürfen Betroffene es ihrer Versicherung nicht erschweren, den Schaden feststellen zu können – sonst droht der Verlust des Versicherungsschutzes. Kaputte Gegenstände dürfen zum Beispiel erst nach Rücksprache mit dem Versicherer entsorgt werden. "Versicherte sollten sich mit Aufräumarbeiten zurückhalten", rät Uta Apel von der Ergo-Versicherung. Auch wenn das Bedürfnis groß sei, schnell alles wieder in Ordnung zu bringen: Aktionismus könne die spätere Regulierung des Schadens unnötig erschweren. Allerdings dürfen Gefahrenquellen beseitigt und so abgesichert werden, dass kein weiterer Schaden entsteht. "Das bedeutet konkret: Offene Stellen wie zerstörte Fensterscheiben oder abgedeckte Teile des Dachs sollten Betroffene umgehend provisorisch abdichten, um das Eindringen von Regenwasser in das Gebäude zu verhindern. Gleiches gilt bei beschädigten Fahrzeugscheiben", erklärt Apel.
Entschädigung bei Verspätungen im Bahnverkehr
Bahnreisende im Nah- und Fernverkehr erhalten bei einer Verspätung Anspruch auf eine Erstattung: 25 Prozent des Reisepreises bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten, 50 Prozent bei einer Verspätung von mehr als 120 Minuten. Das gilt auch bei Unwetter: Bahngesellschaften können sich nicht mehr mit dem Verweis auf schlechte Witterungsverhältnisse entlasten.