Envio-Sitz in Dortmund im August 2010

Schwerpunktstaatsanwaltschaft könnte Fall übernehmen

Ermittler überfordert?

Stand: 19.10.2010, 18:54 Uhr

Die Aufklärung des Giftskandals um die Dortmunder Firma Envio geht kaum voran. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm überprüft, ob die Dortmunder Ermittler überfordert sind. Und die erste Nachbarfirma verlässt den Standort im Hafen.

Von Katrin Schlusen

Ein anonymer Hinweis führte zu der Schließung der Firma Envio im Dortmunder Hafen. Ein PCB-verseuchter Trafo wurde im "weißen Bereich", in dem keine verunreinigten Maschinen gelagert werden dürfen, gefunden. Das war am 20. Mai. Seitdem ermittelt die Dortmunder Staatsanwaltschaft wegen einer ganzen Reihe von Strafanzeigen: des Verdachts der vorsätzlichen Luft- und Bodenverunreinigung, des Verstoßes gegen das Chemiekaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung und wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung. Bei über 200 Menschen, darunter auch Kindern, wurden zum Teil stark erhöhte PCB- und Dioxin-Werte im Blut nachgewiesen. Ohne Frage: ein Umweltskandal mit großen Dimensionen. Jetzt überprüft die Generalstaatsanwaltschaft Hamm, ob die Dortmunder Kollegen diesem Fall überhaupt gewachsen sind.

Dortmunder Staatsanwaltschaft unter Druck

In NRW gibt es zwei Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Bochum und Bielefeld, die sich mit Wirtschaftskriminalität beschäftigen. Der Fall könnte nach Prüfung der Akten an eine dieser Staatsanwaltschaften abgegeben werden, bestätigte die Hammer Oberstaatsanwältin Claudia Hurek im Gepräch mit WDR.de. Die Generalstaatsanwaltschaft überprüft nicht nur, ob Schwerpunkt-Ermittler eingeschaltet werden sollten, sondern besitzt auch die Dienst- und Fachaufsicht für die Dortmunder Kollegen. "Auch die Medienberichte der letzten Woche haben uns zu der Überprüfung veranlasst", so Hurek. Unter anderem standen die Dortmunder Ermittler in der Kritik, weil Zeitungsberichten zufolge bei einer Razzia im Mai nicht alle Unterlagen in der Firmenzentrale von Envio beschlagnahmt wurden. Am 6. Oktober 2010 war es erneut zu einer Durchsuchung der Geschäftsräume und Wohnungen der Geschäftsführer gekommen. Wann die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm zu einem Ergebnis kommt, steht zurzeit noch nicht fest.

"Ich gehe da im Leben nicht mehr hin"

Gleichzeitig wurde am Dienstag (19.10.2010) bekannt, dass die erste Firma auf dem Envio-Gelände den dortigen Firmensitz aufgibt und nach Bochum übersiedelt. Die TSW (Transformatorenservice West) GmbH ist durch den PCB-Skandal in Mitleidenschaft gezogen worden. 25 Mitarbeiter haben ebenfalls erhöhte PCB-Werte im Blut. "Es ist ein Glücksfall, dass wir schon im Oktober 2009 mit dem Bau eines neuen Firmensitzes begonnen haben", sagte Geschäftsführer Michael Kohl. Der Skandal habe den Umzug beschleunigt. Dem Dortmunder Standort werde man keine Träne nachweinen. "Ich gehe da im Leben nicht mehr hin", sagte Kohl wütend.

Sanierung nur häppchenweise

Die Sanierung des Geländes im Hafen ist immer noch nicht abgeschlossen. "Wir wünschen, dass die Sanierung schon lange hätte beginnen können", sagte Jörg Linden, Sprecher der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg. "Uns sind aber in vielen Situationen die Hände gebunden." Aktuell ist auf einem Teil des Geländes eine Fliesplane gespannt, die verhindern soll, dass PCB-Staub verweht. Noch nicht saniert sind die Hallen und ein Zelt. Ein Sanierungskonzept wird bis Ende Oktober erarbeitet. Die Bezirksregierung will dann häppchenweise einzelne Sanierungspunkte herausgreifen und der Firma Envio jeweils kurze Fristen zur Sanierung setzen. Allerdings geht Linden davon aus, dass Envio die Fristen - wie in der Vergangenheit - verstreichen lässt oder vor Gericht zieht. "Wir denken, es ist realistisch, dass wir mit der Sanierung Ende November beginnen können."