
Insolvenzantrag für Envio-GmbH
Gehen Geschädigte leer aus?
Stand: 27.10.2010, 16:14 Uhr
Envio in Dortmund steht für den größten PCB-Skandal NRWs. Jetzt haben zwei Tochtergesellschaften Insolvenz beantragt. Was bedeutet das für die Geschädigten? Und wer bezahlt die Sanierung des verseuchten Geländes in Dortmund?
"Die Envio Recycling GmbH & Co. KG und die Envio Germany Geschäftsführungs GmbH haben selbst einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beim Amtsgericht Dortmund gestellt", teilte die Muttergesellschaft Envio AG am Dienstag (26.10.2010) mit. Die beiden Tochtergesellschaften spielen mutmaßlich die Hauptrollen in dem Umweltskandal mit PCB-vergifteten Mitarbeitern und einem verseuchten Firmengelände im Hafen der Ruhr-Metropole. Was bedeutet die drohende Insolvenz für die Geschädigten?
Experte: "Komplizierte Gemengelage"
Was die PCB-vergifteten Mitarbeiter betrifft, so ist fraglich geworden, ob sie überhaupt Forderungen geltend machen können. Diese Meinung vertritt der Düsseldorfer Unternehmensrechtler Prof. Olaf Müller-Michaels: "Das ist eine komplizierte Gemengelage. Zunächst einmal muss geklärt werden, wer Anspruchsgegner ist, also wo die Beschäftigten angestellt sind, bei der AG oder den Tochtergesellschaften? Wenn die geschädigten Mitarbeiter bei den Tochterunternehmen angestellt sind und diese auch die unerlaubten Handlungen begangen haben, hätte eine Insolvenz dramatische Auswirkungen. Sollten die Gesellschaften nicht entsprechend versichert sein, müssten sich die Geschädigten mit den anderen Gläubigern anstellen."
Welche Rolle spielt die AG?
Zu klären sei auch die Frage, inwieweit die Muttergesellschaft verantwortlich ist für die Vergiftung der Envio-Mitarbeiter durch PCB: "Dann könnte man eventuell die AG und ihre Vorstände als juristisch Verantwortliche heranziehen", sagte Prof. Müller-Michaels. Auf die Schnelle zu versuchen, Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen, bringe jedenfalls nichts, so der Experte: "Einen Vorrang haben vor der Insolvenzeröffnung geltend gemachte Ansprüche nicht. Entscheidend ist allein, ob der Anspruch vor der Insolvenzeröffnung entstanden ist."
Keine Gelder mehr vorhanden?
Auch der Anwalt eines PCB-Geschädigten, Rolf Michael Quittmann, macht wenig Mut: "Es wird für diejenigen Leute, die Ansprüche anmelden an Envio, sicherlich außerordentlich schwierig sein, überhaupt noch irgendeine müde Mark zu bekommen. Denn das läuft jetzt alles über das Insolvenzverfahren." Ob das jemals eröffnet werde, wisse man jetzt zwar noch nicht: "Aber es ist natürlich ein deutliches Anzeichen, dass keine Gelder mehr vorhanden sind."
"Envio will sich der Verantwortung entziehen"
Auch die Bezirksregierung Arnsberg könnte Probleme haben, die Firma Envio nach der Insolvenz für die Kosten haftbar zu machen, die bei der Sanierung des Firmengeländes im Dortmunder Hafen anfallen. Wie Jörg A. Linden, Sprecher der Bezirksregierung, auf Anfrage sagte, habe man seit Wochen mit einem Insolvenzantrag gerechnet: "Das hat auch den taktischen Hintergrund, sich der Verantwortung zu entziehen." Gegen bisherige Anordnungen und Verfügungen der Bezirksregierung seien die Tochtergesellschaften vor Gericht gegangen; sie hätten auch kein Sanierungskonzept vorgelegt, das von der Bezirksregierung verlangt wurde. Deswegen hat die Bezirksregierung ein eigenes Konzept erarbeiten lassen, das bis Ende der Woche vorliegen und dann genehmigt werden soll.
Wer bezahlt die Sanierung des verseuchten Geländes?
Diese Sanierung, die nach Einschätzung der Bezirksregierung 1,8 Millionen Euro kosten wird, soll von Envio und nicht vom Steuerzahler bezahlt werden - egal, ob sie von Envio selbst oder von der Bezirksregierung durchgeführt wird. Weil die Tochtergesellschaften möglicherweise ausfallen, könnten auch die Muttergesellschaft oder Einzelpersonen herangezogen werden. Zu diesem Ergebnis seien die Juristen gekommen, die die Bezirksregierung beauftragt hat. Als Einzelperson nannte Linden beispielsweise Dirk Neupert, Geschäftsführer der EnvioRecycling und zugleich Hauptaktionär der Muttergesellschaft. Diese Fragen, so Linden, sollten "so zügig wie möglich" geklärt werden.