Außenansicht vom Rathaus Oberhausen

Kommunen nach dem Crash

Die doppelte Finanzkrise der Städte

Stand: 11.09.2009, 02:00 Uhr

Ein Jahr Finanzkrise - in Oberhausen können sie darüber nur müde lächeln. Seit Jahrzehnten steckt die Stadt in Finanzschwierigkeiten. Doch anders als bei bankrotten Banken gibt es für die Krise der Kommunalfinanzen keinen Rettungsplan.

Von Christoph Schurian

Bernhard Elsemann ist ein Experte für Finanzkrisen: "Meine erste Wahrnehmung der Krise begann Jahre vorher", erinnert sich der Oberhausener Stadtkämmerer. Schon damals hätten ihm Finanzinstitute "Anlagekonstrukte" wie das so genannte Cross-Border-Leasing vorgelegt. "Das waren unmoralische Geldanlagen", meint Elsemann. Die Stadt Oberhausen habe nicht mitgemacht: "So etwas kann man mit seinem eigenen Geld machen, aber nicht mit dem Geld der Bürger", sagt Elsemann. Schon gar nicht, wenn das so knapp ist wie in der Schuldenhochburg Oberhausen.

Weltfinanzkrise verschärft finanzielle Lage der Kommunen

Mit rund 1,5 Milliarden Euro steht die Revierstadt in der Kreide, und täglich wird es mehr. Auch vor dem Bankencrash: "Unsere Finanzkrise", sagt Kämmerer Elsemann, "ist eine Folge des Strukturwandels". Oberhausen sei auf 300.000 Menschen ausgelegt gewesen, tatsächlich werden es in einigen Jahren kaum mehr als 200.000 Einwohner sein. Weil in Schwerindustrie und Bergbau Standorte und Jobs wegfielen, liegen die städtischen Einnahmen unter den Ausgaben. Seit 1993 hat Oberhausen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Doch anders als im internationalen Finanzwesen trage nicht "Gier" Schuld an der Krise, sagt Elsemann, seine Stadt verschulde sich aus "edlen Motiven - das Geld wird ja nicht verjubelt".

Die von der Bankenpleite der "Lehman Brothers" ausgelöste Weltfinanzkrise hat die angespannte finanzielle Lage von Kommunen wie Oberhausen noch einmal verschärft. Beim Deutschen Städtetag befürchtet man eine weitere Zuspitzung: "Aus eigener Kraft können ärmere Städte trotz intensiver Konsolidierungsbemühungen ihren Haushalt nicht wieder ausgleichen", sagt Städtetags-Sprecher Volker Bästlein. Oberhausen zeige, wie die Schere zwischen reichen und armen Städte auseinander gehe. Wie ausweglos die Lage ist, belegen auch aktuelle Berechnungen des Städtetags.

Kaum noch Gewerbesteuer

Die Kassenkredite - das ist das Geld, das sich ärmere Kommunen leihen, um für laufende Ausgaben aufzukommen - haben sich demnach deutschlandweit in den letzten zehn Jahren auf mehr als 31 Milliarden Euro verfünffacht. In der Weltwirtschaftskrise seien die Gewerbesteuereinnahmen "massiv" eingebrochen - "die Kämmerer merken das bereits im Haushalt 2009", so Sprecher Bästlein. Oberhausens Kämmerer Elsemann erwartete im laufenden Haushalt nur noch 100 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer - "jetzt bin ich froh, wenn es am Ende überhaupt 75 Millionen werden".

Mit Sorge beobachtet Elsemann den Arbeitsmarkt: "Nach dem Ende der Kurzarbeitperiode kommt der dicke Knall." Dann stiegen für die Kommunen die Ausgaben für Sozialhilfe, für Unterkunftskosten der Hartz-IV-Empfänger und die Grundsicherung für ältere Mitbürger. Der Kämmerer sieht sich in einer "Vergeblichkeitsfalle": Wie Sisyphus versuchten sie Tag für Tag vergeblich einen Stein über immer den gleichen Berg zu rollen: "Ohne Hilfe von außen kommen wir nicht übern Zaun."

Konjunkturspritzer aus Berlin

Hilfe von außen - die 25 Millionen, die Oberhausen aus dem Konjunkturpaket des Bundes erhält, sind für Elsemann viel zu wenig. Die Summe sei gerade mal ein Sechzigstel der Gesamtverschuldung - "das ist fast zum Totlachen". Wichtiger sind ihm kommunale Sparprojekte. Mit der Bezirksregierung Düsseldorf wurde ein dreistelliger Millionensparplan aufgelegt, das städtische Musiktheater musste vor Jahren schließen, das Theater der Stadt schränke sich ein. Durch interkommunale Zusammenarbeit könne Personal eingespart werden, im Rückbau der städtischen Einrichtungen stecke Sparpotenzial. Doch die Mühe könne schnell konterkariert werden - ausgerechnet von der Finanzwirtschaft: "Steigen die Zinsen nur um ein Prozent", hat Elsemann errechnet, kostet das seine Stadt zwölf Millionen. "Damit könnte ich 250 Leute ein Jahr lang beschäftigen!"

Weiter in der Schuldenfalle

Hoffnung bleibt da auf eine bundesweite Neuordnung der Finanzen. Auch der Deutsche Städtetag fordert, die ärmeren Städte von Sozialausgaben zu entlasten. Doch die Aussichten sind eher schlecht - laut Städtetag-Sprecher Bästlein versucht der Bund gerade seinen Anteil an den Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger noch zu drücken. Und auch Bernhard Elsemann sieht wenig Land in der Dauerkrise: "Selbst wenn ein Steinmeier, eine Merkel uns wie Magier alle Schulden auf einen Schlag wegzaubern könnten, würde das unser Problem nicht lösen." Denn für laufende Ausgaben müsse Oberhausen weiter Schulden machen.