Eva und Reinhard Richter

Erste Biennale der Lichtkunst findet 2010 im Ruhrgebiet statt

Kunstschau im Wohnzimmer

Stand: 02.09.2009, 14:46 Uhr

Eine Ausstellung im eigenen Partykeller, Gartenhaus, in der Abstellkammer oder im Wohnzimmer? 60 Ruhrgebietsfamilien wollen 2010 ihre Privaträume der Internationalen Lichtkunst zur Verfügung stellen. Auch das Ehepaar Richter macht mit.

Von Katja Goebel

Da sitzen sie nun. Eva und Reinhard Richter aus Bergkamen. In ihrem gemütlichen Wohnzimmer herrscht riesiger Andrang. Rund 20 Journalisten knubbeln sich auf der Auslegware, hocken um die lederne Sitzgruppe, Kameras und Mikrophone in der Hand. Auf dem Sofa sitzen wichtige Leute wie Professor Karl-Heinz Petzinka, Künstlerischer Direktor der Kulturhauptstadt, Biennale-Leiter Matthias Wagner K, sowie zwei Künstlerinnen. Sogar der Bürgermeister ist gekommen. Auf der Gartenterrasse werden Schnittchen serviert, drinnen wird die weltweit erste Lichtkunst-Biennale vorgestellt. Man merkt es längst: Dies wird keine gewöhnliche Kunstschau im Kulturhauptstadtjahr werden.

"Wir sind jetzt Teil des Programms"

Das Wohnzimmer der Richters wird im Kulturhauptstadtjahr zum Ausstellungsraum. Zwei Monate lang werden fast täglich neue Besucher anreisen, sogar ein Shuttlebus soll dann im Einsatz sein. So wird das Einfamilienhaus zum Kunstsalon und die Richters sind mittendrin. Sie haben es so gewollt. Als die Biennale-Macher Freiwillige für ihr Projekt suchten, habe das Ehepaar keine Minute gezögert. "Wir sind jetzt Teil des Programms", freut sich Reinhard Richter, der vierzig Jahre Bergmann war und seit Jahrzehnten Kunst sammelt. Jetzt sei er einfach gespannt auf aufregende Tage und interessante Gespräche. Noch steht nicht fest, welcher Künstler bei den Richters seine Arbeit ausstellen wird. Das entscheidet sich erst Ende des Jahres. "Aber ich werde ihm dabei genau auf die Finger schauen."

"Man weiß nicht, wie es ausgeht"

Internationale Lichtkünstler in 60 privaten Räumen. Auch Menschen aus Bönen, Fröndenberg, Hamm, Lünen und Unna öffnen dafür ihre Wohnungen, Partykeller, Gartenhäuschen oder Abstellräume. "Die Kunst kommt zu den Menschen", schwärmt Karl-Heinz Petzinka von der Ruhr 2010. "Das ist zukunftsweisend." Man wage viel damit, wisse aber nicht wie es ausginge. Petzinka jedenfalls träumt davon, dass die Kunst raus kommt aus den anonymen Museen. Das Publikum soll schließlich diskutieren über die Kunst. Was übrigens fast keiner wisse, ergänzt Petzinka, "soviel geballte Lichtkunst wie im Ruhrgebiet, gibt es wohl nirgendwo auf der Welt."

Wenn Künstler und Betrachter raufen

Anny und Sibel Öztürk sind Künstlerinnen aus Frankfurt und Offenbach. Sie werden gemeinsam mit anderen internationalen Kunstschaffenden in den Privaträumen des Ruhrgebiets ausstellen. Noch sind die beiden auf der Suche nach dem geeigneten Raum. Alle Orte werden gewissenhaft gesichtet - auch das Wohnzimmer der Richters. "Man müsste es wohl etwas modifizieren", erklärt Anny Öztürk vorsichtig. Reinhard Richter quittiert dies mit einer überrascht hochgezogene Augenbraue, was wiederum den Herrn Professor der Ruhr 2010 begeistert. "Sehen Sie, Auseinandersetzungen zwischen dem Künstler und den Menschen findet nicht im Museum statt, aber hier. Sie können sich raufen oder nicht." Da lachen sich Künstlerin und Hausherr schnell wieder versöhnlich an.

Keine Angst vor dem Shuttlebus

Eva und Reinhard Richter jedenfalls sieht man die Vorfreude auf das ungewöhnliche Projekt an. Nicht nur in ihrem Wohnzimmer hängt die Kunst an allen Wänden. Reinhard Richter ist selbst Künstler. "Ich habe mich schon früh für Kunst interessiert und bin schon mit 14 Jahren zu Ausstellungseröffnungen nach Paris gefahren", sagt der 73-Jährige. Heute ist der ehemalige Bergmann Mitglied in der Künstlergruppe Sohle 1, beschäftigt sich mit Skulpturen, Fotografie und Radierungen. "40 Jahre Bergbau, das sind 40 Jahre Abenteuer. Jetzt, im Rentenalter, bin ich immer noch auf der Suche nach dem Neuen." Und wenn es doch ein bisschen viel werden sollte mit den Shuttlebussen voller fremder Besucher im März 2010? Das kann Eva Richter nicht erschüttern. "Dann ziehen wir uns einfach in die Küche zurück."