Ein Mammut-Prozess und kein Ende
WCCB-Desaster vor Gericht
Stand: 06.03.2013, 06:00 Uhr
Doch kein Ende in Sicht: Im Mammut-Prozess rund um das Bonner Kongresszentrum gibt es am Mittwoch (06.03.2013) kein erstes Urteil. Stattdessen geht es mit neuen Zeugen in die nächste Runde - ein weiteres Kapitel in der fast zehnjährigen Geschichte des WCCB-Skandalbaus.
Von Marion Kretz-Mangold
109 Verhandlungstage, Tausende von Aktenordnern, etliche Schaltkonferenzen per Video und richterliche Dienstreisen in die USA, nach Großbritannien und Südkorea: Der Aufwand, der beim Prozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Bonner Landgerichts betrieben wird, ist immens. Seit September 2011 versuchen die Richter herauszufinden, wie es zu dem WCCB-Desaster am Rhein kommen konnte. Am Mittwoch (06.03.2013) sollten die Urteile gegen den Hauptangeklagten Man Ki Kim und zwei weitere Angeklagte gefällt werden. Sieben Jahre Haft wegen Betrugs und Untreue hatten die Staatsanwälte in ihren 14-stündigen Plädoyers gefordert. Die Verteidigung konterte - mit der Ladung von 47 Bonner Stadträten, denen eine wichtige Rolle in der Affäre zugeschrieben wird. Und die müssen ab heute alle gehört werden.
Ein "Glücksfall für Bonn" - und sein tiefer Fall
Seit zwei Jahren in Untersuchungshaft: Man Ki Kim
Damit geht das erste Verfahren, mit dem das millionenschwere Scheitern des WCCB-Projekts aufgearbeitet wird, in die nächste Runde. Begonnen hatte die Geschichte vor zehn Jahren, als die Stadt Bonn den Bau eines Kongresszentrums mitsamt Hotel im ehemaligen Regierungsviertel beschloss. Als Investor holte sie 2005 den Südkoreaner Man Ki Kim, Präsident der SMI Hyundai, ins Boot. Mit dem Weltkonzern im Rücken, so glaubten die Verantwortlichen, würde er das Millionenprojekt ohne Probleme verwirklichen können - und so beschloss der Stadtrat einmütig, ihm den Auftrag zu erteilen. Aber schon beim Richtfest im Jahr 2008 machten Gerüchte über finanzielle Schwierigkeiten Kims die Runde. Dann explodierten die Baukosten, Handwerker blieben auf ihren Rechnungen sitzen. Razzien der Staatsanwaltschaft folgten, Verhaftungen und Insolvenzen. Die Baustelle, auf der das Prestigeobjekt entstehen sollte, wurde stillgelegt, die Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) zum Rücktritt aufgefordert. Und Kim, einst als "Glücksfall für Bonn" gepriesen, setzte sich in die USA ab.
Hyundai ist nicht gleich Hyundai
Zwei Monate später wurde er ausgeliefert und nach Bonn gebracht. Dort muss er sich nun verantworten, wegen Betruges in zwölf Fällen und Untreue. Denn für die Anklage, die 700 Tage lang das Geflecht von Firmen, Transaktionen und Akteuren entwirrte, steht fest: Kim konnte und wollte das Kongresszentrum nie bauen. Die Millionenkredite, so der Vorwurf, seien auf Konten im Ausland geflossen, und: Er habe sich den Auftrag erschlichen, indem er vorgab, sein SMI Hyundai gehöre zum finanzkräftigen Autobauer.
Das Votum der Stadträte
Schon früh tauchte dabei der Verdacht auf, dass die Stadtspitze und die Sparkasse als Kreditgeber zumindest ahnten, wie wenig Kims Unternehmen mit dem Weltkonzern zu tun hatte. Ermittlungen wegen Untreue gegen dieOberbürgermeisterin wurden aber eingestellt, die Verfahren gegen zwei hochrangige städtische Bedienstete noch nicht eröffnet. Für Kims Verteidiger Walther Graf steht aber fest, welche Rolle Stadt und Sparkasse spielten: "Beide wussten vom fehlenden Hintergrund bei SMI Hyundai Bescheid." Deswegen wurden 47 Stadträte, die bei der entscheidenden Sitzung am 14.12.2005 abstimmten und die noch nicht im Prozess gehört wurden, als Zeugen geladen: "Wir wollen unter Beweis stellen, dass sie sich weniger auf die Angaben unseres Mandanten verlassen haben als auf die der Stadt und der Sparkasse."
Die Baustelle ruht immer noch
Gesucht: Ein Käufer für das Hotel
29 Tage haben die Richter dafür eingeplant - zunächst. Wann das Urteil tatsächlich gefällt wird, ist immer noch unklar. Genau so wenig steht fest, wann das Kongresszentrum fertiggestellt, die ersten UN- Konferenzen oder Parteitage dort stattfinden können. Immerhin hat die Stadt wieder die Verfügungsgewalt über das Grundstück mitsamt den Aufbauten, die irgendwo im Geflecht von Firmen und Transaktionen verschwunden waren. Die Suche nach einem Käufer für das Hotel läuft, ein Generalunternehmer für den Weiterbau des WCCB ist gefunden. Der musste bei den Planungen zwar bei Null anfangen, weil es keine Baupläne mehr gab, etliche Vorschriften hatten sich auch in den Jahren des Stillstands geändert. Aber der bauliche Zustand sei in Ordnung, ließ er wissen. Und deswegen werde er mit den 51,5 Millionen Euro, die der Stadtrat bereit gestellt hat, hinkommen.
Der Skandalbau wird dann zwischen 200 und 500 Millionen Euro gekostet haben, inklusive der Hunderttausende, die für Wachdienst, Strom und eine eilends eingebaute Heizung anfielen. Im Sommer, so die Planung, soll es endlich weiter gehen auf der Baustelle. Die juristische Aufarbeitung des Millionenskandals dagegen könnte noch Jahre dauern.