Finanzminister Walter-Borjans legt "Abschlussbilanz" vor
2,3 Milliarden Euro mehr Schulden
Stand: 21.09.2010, 17:55 Uhr
Die rot-grüne Landesregierung will in diesem Jahr fast neun Milliarden Euro Schulden machen - ein neuer Höchststand. Die schwarz-gelbe Vorgänger-Regierung habe nicht solide geplant, so die Begründung. Die FDP will gegen den Nachtragshaushalt klagen.
Die rot-grüne Landesregierung will damit die für 2010 geplante Netto-Neuverschuldung um 2,3 Milliarden auf 8,9 Milliarden Euro anheben. Insgesamt soll mit dem Regierungswechsel der Gesamthaushalt des Landes nun auf 55,8 Milliarden Euro steigen. Finanzminister Walter-Borjans (SPD) verteidigte am Dienstag (21.09.10) nach der Kabinettssitzung in Düsseldorf nochmals dem Nachtragshaushalt, der in der kommenden Woche in den Landtag eingebracht werden soll. Voraussichtlich im Dezember wird das Parlament dann darüber abstimmen. Da der rot-grünen Koalition im Landtag ein Mandat zur absoluten Mehrheit fehlt, ist sie zumindest auf Enthaltungen aus den Reihen der Opposition angewiesen. Dabei baut sie auf die Linksfraktion.
1,3 Milliarden für ausgelagerte WestLB-Papiere
Aus den Reihen der FDP und CDU sind diese nämlich nicht zu erwarten: Walter-Borjans griff am Dienstag erneut die schwarz-gelbe Vorgängerregierung an. Sie habe auf "eine nicht ehrliche Weise" Finanzplanung betrieben: "Da wurde versteckt, verschoben oder vergessen." Die bisher geplante Netto-Verschuldung mit 6,6 Milliarden Euro greife zu kurz. Das sei keine solide Haushaltsführung gewesen.
Allein 1,3 Milliarden Euro seien nötig, um Garantien für die in der Abwicklungsanstalt Phoenix ausgelagerten Papiere der WestLB, sogenannte Giftpapiere, bedienen zu können. Sein Vorwurf: Die alte Landesregierung habe den dafür geschaffenen Fonds zu gering ausgestattet. Bis 2013 müsse NRW 2,5 Milliarden Euro zahlen, sagte der Finanzminister. Er stützt sich dabei auf Schätzungen einer Finanzberatungsgesellschaft, einer Tochter der Allianz in London, die die Entwicklungen der Risikopapiere verfolgt. Schwarz-Gelb habe diese Berechnungen gekannt, die Risiken aber "zu gering dotiert", so der neue Finanzminister. Die Risiken könnten jedoch jederzeit, auch vor 2013, eintreten und damit ohen ausreichende Vorsorge eine plötzliche Haushaltssperre drohen. Deshalb seien die neuen Rücklagen, für die das Land neue Kredite aufnehmen muss, gerechtfertigt.
"Schlussbilanz" für Schwarz-Gelb
Zudem verwies Walter-Borjans auf erfolgreiche Klagen der Kommunen gegen ihre Finanzausstattung durch das Land, unter anderem hatten sie gegen einen zu hohen Anteil an den Kosten der Einheit geklagt. Ingesamt 700 Millionen Euro müssten nun für die Gemeinden bereit gestellt werden. Außerdem habe Schwarz-Gelb zu wenig Geld für bereits im Haushalt eingestellte Posten eingeplant, zum Beispiel für den Ausbau von Kitaplätzen für Unterdreijährige oder den Impffonds gegen H1N1, die sogenannten Schweinegrippe.
Mit den Nachtragshaushalt will die neue Landesregierung eine "Schlussbilanz" für Schwarz-Gelb ziehen. "Wir nehmen damit notwendige Korrekturen vor", sagte der Finanzminister. Rot-Grüne Vorhaben wie die Abschaffung der Studiengebühren, das letzte beitragsfreie Kita-Jahr, die Unterstützung für notleidende Kommunen seien in dem Nachtragshaushalt nicht eingerechnet.
Liberale wollen gegen Nachtragshaushalt klagen
Die FDP hatte bereits eineinhalb Stunden, bevor der Finanzminister seinen Nachtragshaushalt im Detail vorstellte, angekündigt, dagegen vor dem Verfassungsgericht in Münster klagen zu wollen. Politisch wie verfassungsrechtlich sei das nicht mit den Liberalen zu machen, sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. "Wir haben heute noch einmal ausführlich in der Fraktionssitzung festgehalten, dass wir gegen den Nachtragshaushalt klagen werden."
Auch die CDU warf Rot-Grün eine "unverantwortliche Verschuldungspolitik" vor. CDU-Haushaltsexperte Christian Weisbrich sagte: "Unter dieser Regierung entwickelt sich NRW zum Griechenland der Nation. Mit viel Geld auf Pump will Grün-Rot alle Probleme zudecken, ohne Rücksicht auf die Kosten und die Folgekosten." Der neue Etatvorschlag für 2010 weise "Ungereimtheiten" auf. So seien Risiken für WestLB-Altlasten mit bereits erfolgten Rückstellungen bis Ende 2011 längst abgesichert. Die Christdemokraten prüfen derzeit eine Klage gegen den Nachtragshaushalt.
Rot-grüner Schattenhaushalt?
Die Opposition vermutet, dass die rot-grüne Landesregierung mit den höheren Rückstellungen für die WestLB einen Schattenhaushalt anlegt, eine Art "Kriegskasse" für ihre Projekte. Denn die 1,3 Milliarden Euro mehr sind zwar in einem Fonds zweckgebunden, der kann aber aufgelöst werden. Zudem kritisierten FDP und CDU, dass der neue Finanzminister keine klaren Sparkonzepte vorlegt. NRW muss wie alle Länder aufgrund der Schuldenbremse ab 2020 ohne neue Schulden auskommen. Für den Haushalt 2011 geht Walter-Borjans nach ersten Überlegungen von Schulden in Höhe von etwa acht bis 8,5 Milliarden Euro aus.