Andreas Pinkwart

SPD, Grüne und Linke stimmen für Abschaffung der Gebühren

Studiengebühren ade

Stand: 24.02.2011, 17:35 Uhr

Es ist eines der zentralen Wahlversprechen von Rot-Grün - am Donnerstag (24.02.2011) hat der Landtag die Abschaffung der Studiengebühren beschlossen. Ab Oktober müssen die Studenten nicht mehr zahlen. Die SPD feiert. CDU und FDP fürchten um die Qualität der Lehre.

Von Christina Hebel

Wehmut? Nein, das ist nicht die Kategorie, in der Andreas Pinkwart (FDP) denkt. Er sagt, wie immer stets lächelnd, es gehe ihm um die Sache - die Qualität der Hochschulen in NRW - und die sehe er jetzt gefährdet. Es sei schon was anderes, wenn die Studenten selbst für ihr Studium Gebühren bezahlen. Dann könnten sie auch Leistung einfordern. Das sei eine ganz andere Haltung, als wenn das Land das Geld an die Hochschulen überweise.

Die Einführung der Studiengebühren für alle Studenten in NRW 2006 war eines seiner ersten Projekte als Wissenschaftsminister, "einen Mentalitätswechsel" wollte er herbeiführen. Nun muss er erleben, wie seine Nachfolgerin Svenja Schulze (SPD) seine Politik rückabwickelt. Sie sagt, Studiengebühren haben eine "abschreckende Wirkung", seinen eine "Hürde" und ergänzt den Satz, den sie seit Wochen wie ein Mantra wiederholt: "Wir dürfen kein Talent zurücklassen." Bildung sei keine "Ware".

Am Donnerstag lösten SPD und Grüne nun ihr Wahlversprechen ein und schafften nach einer dreistündigen, zum Teil emotionalen Debatte im Landtag mit Hilfe der Linken die Studiengebühren in NRW ab. Sie fallen zum nächsten Wintersemester weg. Bei den rund 500.000 Studenten im Lande kommt das gut an. Für die rot-grüne Landesregierung ist es bisher wohl der größte politische Erfolg. "Heute ist ein verdammt guter Tag", sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die sich in die Diskussion einmischte: Ohne Bafög hätte sie nicht studieren können. Und: "Mit Studiengebühren hätte ich das garantiert nicht getan." Die Abschaffung der Beiträge sei eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Mindestens 249 Millionen Euro für Hochschulen

NRW ist damit das dritte Bundesland nach Hessen und Saarland, das Schluss mit dem Bezahlstudium macht. Ein Weg, der wohl nicht mehr aufzuhalten ist, räumt Pinkwart ein. Auch Hamburg wird das Studium nach dem Wahlgewinn der SPD wohl wieder gebührenfrei machen. Entscheidend sei aber, dass die Hochschulen stattdessen angemessene Ausgleichzahlungen bekommen, sagt Pinkwart. In NRW erhalten sie nun jährlich mindestens 249 Millionen Euro.

Auf das Wörtchen "mindestens" ist man bei der Linken besonders stolz. Sie schreibt es sich als Erfolg auf die Fahnen, Rot-Grün diese Formulierung abgerungen zu haben und stimmmte sogar mit "Ja" - und das nach wochenlangem Drohen und Verhandeln. Gebracht hat es nicht viel: Die Linke wollte die Gebühren schneller abschaffen und den Hochschulen sehr viel mehr Geld zusagen. Übrig geblieben ist nur: "mindestens". Mit dem Passus kann die Kompensation nun jedes Jahr neu ausgehandelt werden - theoretisch. Schließlich werden in den kommenden Jahren mit Abschaffung der Wehrpflicht und doppelten Abiturjahrgängen immer mehr junge Leute an die Unis drängen, sagt die hochschulpolitische Sprecherin, Gunhild Böth.

CDU: Es gibt klare Verlierer bei den Hochschulen

Svenja Schulze

Schulze: "Vollwertiger Ersatz"

Allerdings ist bei der angespannten Haushaltslage sehr fraglich, ob da viel Spielraum nach oben sein wird - eine Kritik, die FDP und CDU anbringen. "Wo gibt es schon ein Gesetz, in dem eine feste Summe festgeschreiben ist?", sagt dagegen Schulze.

Für Pinkwart ist das jedoch "keine adäquate, ehrliche Kompensation", die Abschaffung der Gebühren ist für ihn "eine Katastrophe". Die Hochschulen müssten weit mehr Geld bekommen. Er hatte den Universitäten ermöglicht, bis zu 420 Millionen Euro jährlich durch Studiengebühren einzunehmen. Die meisten Hochschulen verlangten den Höchstbetrag von 500 Euro pro Student, aber einige eben auch nur 275 Euro wie die Universität Münster. Nach dem rot-grünen Gesetz bekommen nun alle Hochschulen den gleichen Betrag pro Student - unabhängig von der alten Beitragshöhe. "Es gibt also klar Verlierer", sagt der bildungspolitische Sprecher der CDU, Michael Brinkmeier. Ministerin Schulze spricht trotzdem von einem "vollwertigen Ersatz".

Wem nutzt der Wegfall der Gebühren?

Mit den Studiengebühren haben die Hochschulen bisher zum Beispiel neue Bücher gekauft, in Labore investiert, aber vor allem zusätzliches Personal bezahlt, so dass die Betreuung der Studenten verbessert werden konnte. "Das werden die Hochschulen so nicht mehr leisten können", prophezeit Brinkmeier. Da werde wohl noch die eine oder andere Stelle wegfallen.

Zudem würden durch den Wegfall der Studiengebühren eben nicht Studenten aus Familien mit geringem Einkommen profitieren, sondern eben solche, die die Beiträge durchaus zahlen können, kritisieren CDU und FDP. Denn zwei Drittel der Bezieher von Bafög sind von den Gebühren befreit. SPD und Grüne halten dagegen, dass auch für Familien aus der Mittelschicht die Gebühren eine Hürde seien, vor allem wenn mehrere Kinder studierten.

SPD feiert, CDU prophezeit Kater

Dass die SPD das Ende der Studiengebühren am Donnerstagabend mit 150 Gästen "gebührend feiert", dafür fehlt CDU-Politiker Brinkmeier das Verständnis. "Der Kater wird schneller kommen, als die Sozialdemokraten denken", sagt er.

Sein Kollege von der FDP, Pinkwart, wird den nur noch aus der Ferne erleben. Er wird Anfang April Direktor der Handelshochschule Leipzig, einer privaten Hochschule. Ein Masterstudium, vier Semester, kostet dort 25.000 Euro - im Vergleich zur USA und Großbritannien sei das günstig, sagt Pinkwart, da wäre ein Studium vergleichbarer Qualität mindestens doppelt so teuer.

Weitere Themen