Rot-Grün und CDU schließen Schulfrieden
Einigung im Streit über Schulpolitik
Stand: 19.07.2011, 15:37 Uhr
Die rot-grüne Landesregierung hat sich mit der CDU auf die Einführung einer "Sekundarschule" für die Klassen 5 bis 10 geeinigt. Mit dem Schulkonsens geht ein langes Tauziehen um die NRW-Schulpolitik zu Ende.
Die Einigung sieht vor, dass die Klassen fünf und sechs in der "Sekundarschule" gemeinsam unterrichtet werden. In der sechsten Klasse können die Schüler eine zweite Fremdsprache als Wahlfach belegen. Die Lehrpläne orientieren sich an denen der Gesamt- und Realschule. Die "Sekundarschule" endet nach der zehnten Klasse mit der sogenannten Ausbildungs- oder Oberstufenreife. Eine eigene gymnasiale Oberstufe gibt es nicht. Der Weg zum Abitur soll aber durch Zusammenarbeit mit der Oberstufe eines Gymnasiums oder Berufskollegs gesichert werden. Die Sekundarschule wird aus verschiedenen Schulformen zusammengeführt. Die Gründung ist möglich, wenn aufgrund der Schülerzahlentwicklung und der Befragung der Grundschuleltern ein Bedürfnis besteht.
Kompromiss: Sylvia Löhrman, Norbert Röttgen, Hannelore Kraft (v.l.)
Unabhängig davon soll es nach dem Willen von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), NRW-CDU-Chef Norbert Röttgen und CDU-Fraktionsvorsitzenden Laumann in NRW auch künftig weiterhin Gesamtschulen, Realschulen, Gymnasien und Hauptschulen geben.
Schulgesetz soll für zwölf Jahre gelten
Außerdem einigten sich die Parteien auf eine Festschreibung des gegliederten Schulsystems in der Landesverfassung. Alle Schultypen sollen unter den gleichen Rahmenbedingungen arbeiten, also dieselben Vorgaben für die Anzahl der Lehrer und die Klassengrößen bekommen. Am Mittwoch (20.07.2011) wird die geplante Schulreform im Landtag beraten.
Das neue Schulgesetz soll im Herbst verabschiedet werden und zunächst für zwölf Jahre gelten.
Parteien loben sich für Kompromiss
"Jeder hat Kröten schlucken müssen", sagte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Dienstag in Düsseldorf. Mit der CDU sei ein Konsens und echter Kompromiss geschlossen worden. Alle hätten sich bewegt und Zugeständnisse gemacht. CDU-Landeschef Norbert Röttgen sagte: "Nordrhein-Westfalen hat jetzt einen langfristigen Schulkonsens - und das ist gut." Der Konsens sei verfassungsrechtlich abgesichert. Es gebe nun keine Gemeinschaftsschule, sondern eine Sekundarschule. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sagte, alle Beteiligten hätten gewonnen. Den Kommunen müssten die Schulen ermöglicht werden, die für sie die besten seien.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) NRW und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW begrüßten den schulpolitischen Konsens. "Wir glauben an gute Entwicklungschancen für die neuen Sekundarschulen und freuen uns über die positiven Signale für die Gesamtschulen", sagte die NRW-GEW-Chefin Dorothea Schäfer. Als Erfolg werteten DGB und GEW, dass in allen Schulformen die Klassengrößen gesenkt werden sollen. Lob gab es von Kommunal- und Lehrerverbänden sowie Gewerkschaften. Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE NRW), Udo Beckmann, sprach von einem "historischen Tag" nach mehr als 40 Jahren erbittertem Streit. "Der Konsens ist bundesweit einmalig", meinte der Vorsitzende des NRW-Philologenverbandes Peter Silbernagel.
Gericht hatte Gemeinschaftsschule gestoppt
Mit der Einigung geht ein wochelanger Streit um die Schulpolitik zu Ende. Der Konflikt war Anfang Juni eskaliert, als das Oberverwaltungsgericht Münster die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule in Finnentrop gestoppt hatte. Diese neue Schulform hatte die Rot-Grüne Landesregierung zum Schuljahr 2011/2012 per Experimentierklausel auf den Weg gebracht. Nach Angaben des Schulministeriums hatten rund 100 weitere Kommunen Interesse daran bekundet.
Mit der Einigung auf die Sekundarschule wird Rot-Grün die Gemeinschaftsschule nicht wie geplant umsetzen. Die bereits zum Schuljahr 2011/12 beschlossenen zwölf Gemeinschaftsschulen werden - aufgrund des ausgehandelten Schulkompromisses - rechtlich jedoch für den ursprünglich vorgesehenen Versuchszeitraum abgesichert und danach in das Regelschulsystem überführt. Sie können auch die vorzeitige Umwandlung beantragen.