BVerfG-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung

Daten ja, Vorrat nein

Stand: 02.03.2010, 07:00 Uhr

Am Dienstag (02.03.2010) verkündet das Bundesverfassungsgericht das Urteil zum so genannten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Susanne V. aus Ostwestfalen hat gegen das Gesetz Beschwerde eingelegt, genau wie fast 35.000 andere Gegner der Datenspeicherung auf Vorrat.

Von Markus Rinke

"Ich weiß nicht, ob die Daten sicher sind und bin einfach sauer, dass ich keine Kontrolle mehr habe." Susanne V. will das Gesetz unbedingt verhindern. "Eigentlich wird doch davon ausgegangen, dass wir alle Verbrecher sind", sagt die Mutter von zwei Kindern. Fast 35.000 Bundesbürger haben wie sie Beschwerde gegen das Gesetz eingelegt - so viele Unterstützer einer Verfassungsklage gab es noch nie. Sie ist sicher, dass durch die Handynutzung längst Bewegungsprofile erstellt werden können und auch bei der Einwahl ins Internet per Handy wird der Standort an den Telefonkonzern weitergegeben. Zu viele Daten, meint sie, die weder ihren Namen noch ein Foto im Internet veröffentlicht sehen möchte.

"Die Politik hat versagt"

Das Thema Vorratsdatenspeicherung beschäftigt sie seit November 2007. Im Radio hatte sie von dem neuen Gesetz gehört und von den zahlreichen Demos dagegen in 40 Städten. Näheres erfuhr sie dann bei dem Bielefelder Datenschutzverein FoeBuD. Der Verein gehört zu den Mitgliedern des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung. Er hat Demos organisiert und die Verfassungsbeschwerde mit auf den Weg gebracht. "Eigentlich wäre uns aber eine andere Entwicklung lieber gewesen", meint einer der Sprecher vom FoeBuD, der nur unter seinem Pseudonym "padeluun" Auskunft gib. "Es wäre das beste gewesen, wenn sich der Bundestag noch einmal zusammengesetzt und eine politische Lösung gefunden hätte. Die Politik hat versagt." Durch die vielen Aktionen habe der FoeBuD die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erreicht, meint "padeluun", ist aber auf das Ergebnis stolz: "Wir haben die Dinge befeuert und Öffentlichkeit geschaffen."

Obrigkeitsdenken und Gedankenlosigkeit

Öffentlichkeit, das will auch Susanne V. in ihrem privaten Umfeld erzeugen. "Bei Eltern, in der Nachbarschaft oder bei einem Elternabend ist es doch sinnvoll, wenn ich das Thema zwischendurch einflechte." Außerdem ist sie noch kritischer im Umgang mit ihren Daten geworden und eckt damit auch schon einmal an. Sie verweigerte zum Beispiel die Herausgabe der Daten der Berufsberatung in der Schule an die Agentur für Arbeit - "für statistische und Forschungszwecke". Die Folge: Der Anbieter konnte die gesamte Aktion mit allen Schülern in der Klasse nicht abrechnen. "Ich war die einzige Mutter, die nein gesagt hat." Gewundert hat sie sich auch über eine Einladung zum Mammographie-Screening, schließlich habe sie doch gar nicht um einen Termin gebeten: "Man wird gelebt und nur noch verwaltet", ist ihr Fazit.

Unterschriften und Daten ja - aber nicht auf Vorrat

Doch mit der Herausgabe ihrer Daten ist Susanne V. nicht immer so zurückhaltend: Sie unterschreibt mit ihrem vollen Namen gegen Tierquälerei oder Genfood. Und sie hat sogar Unterschriften für eine Bürgerinitiative gesammelt, als es darum ging, eine Bodendeponie zu verhindern. Für sie ist dies ganz selbstverständlich und kein Widerspruch: "Ich bin doch Teil der Gesellschaft, und wenn ich Unterschriften sammle, muss ich doch auch bereit sein, die Daten herzugeben." Nur eben nicht auf Vorrat.

Grundsatzurteil mit europaweiter Bedeutung

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Vorratsdatenspeicherung wird sie am Dienstag (02.03.2010) aufmerksam verfolgen und hofft, "dass vernünftig entschieden wird." Und auch "padeluun" vom FoeBuD ist zuversichtlich, nachdem der Präsident des Gerichts ein Grundsatzurteil angekündigt hat, das in ganz Europa Beachtung finden werde. "Das klingt nach: Wir haben gewonnen", so "padeluun". Sollte das Gesetz allerdings nicht gekippt oder deutlich eingeschränkt werden, wollen die Datenschützer vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

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