Trauergäste bei der Gedenkfeier zum Loveparade-Unglück in Duisburg

Jahrestag der Katastrophe

"Die schrecklichen Bilder vergessen"

Stand: 24.07.2011, 18:29 Uhr

Mit einer bewegenden Trauerfeier haben 7.000 Duisburger den Opfern der Loveparade vom 24. Juli 2010 gedacht. Die Mutter eines Todesopfers, ein Rettungssanitäter und eine Verletzte beschrieben ihre Eindrücke vom Unglückstag.

Von Katrin Schlusen

Es war gespenstisch still im großen MSV-Stadion. Nach Angaben der Staatskanzlei NRW waren 7.000 Menschen gekommen, um an der Gedenkfeier zum Jahrestag der Loveparade-Katastrophe teilzunehmen. Wie auch Barbara Krohn und ihre Tochter. "Heute Morgen habe ich geweint", sagte sie und fügte hinzu: "Eigentlich weine ich seit einem Jahr." Am heutigen Jahrestag der Katastrophe kam alles wieder hoch: Die Erinnerungen an den 24. Juli 2010. Barbara Krohn war mit ihrer Familie auf der Loveparade. Sie ging als erste nach Hause. "Es war halb fünf", weiß sie noch. Sie erfuhr von der Katastrophe und dann kam die Angst: "Was ist mit den anderen?" "Ich bin heute hier, um damit abzuschließen", sagte Barbara Krohn.

Hinterbliebene abgeschirmt von Fotografen

So wie ihr, ging es vielen Menschen in Duisburg. Rettungskräfte, Polizisten, aber auch Menschen, die damals verletzt wurden und die Hinterbliebenen der Todesopfer waren zum Stadion gekommen. Damit die Angehörigen in Ruhe trauern konnten, war für sie die VIP-Tribüne reserviert. "Am Anfang hatten wir 21 vereinzelte Familien", sagte Joachim Müller-Lange, Leiter der Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche Rheinland vor Beginn der Feier. "In der Zwischenzeit sind diese Familien zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden."

"Erklärungsversuche scheitern"

Einundzwanzig Blumen liegen am Sonntag (24.07.11) in Duisburg in der MSV-Arena auf dem Rasen

Duisburg gedenkt der Loveparade-Opfer

"Was kann ein Bischof an diesem Ort sagen?" fragte der emeritierte Weihbischof Franz Grave in seiner Ansprache. "Erklärungsversuche, auch theologische Erklärungsversuche scheitern." Deswegen, so Grave, wolle er die Trauergäste auf einen Gebetsweg mitnehmen. Petra Bosse-Huber, Vizepräsens der Evangelischen Kirche im Rheinland, würdigte in ihrer Predigt auch den Einsatz der Rettungskräfte. "Auch viele Angehörige der Polizei, der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen tragen die Bilder und
Gefühle der Katastrophe noch mit sich und müssen mit diesen belastenden Erlebnissen umgehen", sagte sie.

Ansprache der Mutter eines Todesopfers

Nadia Zanacchi, die Mutter der zu Tode gekommenen Giulia Minola aus Italien, hielt eine bewegende Ansprache, die simultan auf Deutsch verlesen wurde. Ihre Rede war den 21 jungen Todesopfern gewidmet. "Cara Giulia", sagte sie, auf Deutsch: Liebe Giulia. "Es hätte gereicht, sich den Ort mit aufmerksamem Blick anzuschauen", kritisierte sie die Organisation. "Ihr Jugendlichen wurdet mit eurem Vertrauen in die Welt enttäuscht." Die Angehörigen warteten immer noch auf eine ehrliche Geste der Gerechtigkeit. Die Todesopfer seien von "einer unzulänglichen Maschinerie der Organisation vernichtet worden".

Sonnenblumen in Gedenken an die Todesopfer

Im Anschluss wurden alle Namen der Todesopfer vorgelesen. Rettungskräfte gingen langsam in die Mitte des Rasens und legten in einem Herz aus Blumen für jedes Todesopfer eine Sonnenblume nieder. Bei der anschließenden Schweigeminute war im Stadion nur der strömende Regen zu hören. Auf Wunsch der Angehörigen trat "Der Graf", Sänger der Band "Unheilig" auf und sang das Lied "Geboren um zu Leben".

Schilderungen aus dem Tunnel

Ella Seifer, die die Loveparade schwerverletzt überlebt hat, berichtete den Trauergästen von ihren Erinnerungen an die Katastrophe. "Ich bin mit fünf meiner Freunde nach Duisburg gefahren", sagte sie. Sie beschrieb die eskalierende Situation am Tunnel. "Ich versuchte, mich und meine Freundin oben zu halten, damit sie nicht in den Menschenmassen unterging." Bei der Ansprache kämpfte die junge Frau mit den Tränen, wurde aber von Notfallseelsorger Uwe Rieske umarmt. Der ehrenamtliche Rettungshelfer Daniel Otto schilderte seine Erlebnisse beim Einsatz auf der Loveparade. "Ich weiß nicht mehr, wie viele Reanimationen es waren", sagte er und kämpfte ebenfalls mit den Tränen.

Fürbitte von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Es folgten mehrere Fürbitten. Unter anderem las auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eine Bitte an Gott vor. "Wir danken denen, die geholfen haben und bitten dich, lass sie die schrecklichen Bilder vergessen", so Kraft. "Es braucht Wahrheit, Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit, damit Trost und Versöhnung eine Chance haben."

Zum Abschluss sang das gesamte Stadion Hand in Hand eine deutsch-englische Version des Liedes "Somewhere over the rainbow". "Die Angehörigen fahren jetzt zum Tunnel", sagte Seelsorger Uwe Rieske und bat die anderen Gäste darum, bis 18.30 Uhr den Hinterbliebenen die Möglichkeit zum ruhigen Abschied am Unglückstunnel an der Karl-Lehr-Straße zu geben.

Eltern sollen Frieden finden

Barbara Krohn und ihre Tochter aus Duisburg wünschen sich auch, dass die Eltern der Todesopfer "endlich Frieden finden können". "Ich will, dass das Unglück endlich aufgeklärt wird", sagte Tochter Lisa.