Interview mit Parteienrechtler Martin Morlok

Eilverfahren: Gericht muss Folgen abwägen

Stand: 16.12.2010, 15:36 Uhr

Mit einer einstweiligen Anordnung vor dem Landesverfassungsgerichtshof in Münster wollen CDU und FDP den Nachtragshaushalt der rot-grünen Regierung stoppen. Wie so ein Eilverfahren funktioniert, erklärt Martin Morlok, Professor für öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Die Opposition im Land hält den Etat für verfassungswidrig und will vor dem Landesverfassungsgerichtshof in Münster Klage erheben. Weil Gerichte aber Zeit für Entscheidungen brauchen und der Haushalt dann längst in Kraft getreten wäre, wollen CDU und FDP nun den Verfassungsgerichtshof um eine einstweilige Anordnung ersuchen, um den Vollzug des Nachtragshaushalts außer Kraft zu setzen.

WDR.de: Wie funktionieren diese Eilverfahren?

Professor Martin Morlok: Man muss einen Antrag bei Gericht stellen und das Gericht muss eine Abwägungsentscheidung treffen. Das heißt, dass Gericht prüft in einem solchen Fall nicht gründlich, sondern peilt nur über den Daumen, welche Folgen schlimmer wären. In diesen speziellen Fall stellt sich also die Frage: Ist es schlimmer einen rechtswidrigen Haushalt laufen lassen oder einen rechtmäßigen Haushalt zu stoppen?

WDR.de: Es kommt also nicht auf die Begründung an, sondern auf die Folgen?

Morlok: Wenn ich für die CDU tätig wäre, dann würde ich sagen, es wäre schlimm, wenn ein verfassungswidriger Haushalt in Kraft tritt, weil einmal ausgegebenes Geld weg ist. Wenn ich für die andere Seite argumentieren müsste, würde ich sagen, dass mit so einer einstweiligen Anordnung alle staatliche Tätigkeit gelähmt würde. Haushalt betrifft ja praktisch alles und hat somit eine ungeheure Breitenwirkung. Wenn kein Haushalt da ist, kann die Regierung an vielen Stellen nicht mehr handeln.

WDR.de: Ist das dann eine neue Variante von Regierungssturz?

Morlok: Nein, die Regierung ist im Amt. Selbst wenn es keinen Haushalt gibt, warum auch immer, darf man die Ausgaben tätigen, zu denen eine gesetzliche Verpflichtung besteht. Es ist nicht so, dass dann der Straßenräumdienst in der Halle bleiben muss oder die Polizei keine Einsätze mehr fahren darf. Das Land bleibt regierbar, aber neue politische Initiativen werden gelähmt.

WDR.de: Hat es so einen Vorfall schon mal in NRW gegeben?

Morlok: Nicht, dass ich wüsste. Aber den Rechtwissenschaftler freut es. Dann kann er wieder Aufsätze dazu schreiben.

Das Interview führte Katja Goebel